Zurück zum Haupteingang

Schallgeschwindigkeitsmessung "frei nach Galilei"

von Klaus Kohl

Der oft (und manchmal falsch) zitierte Versuch Galileis, die Lichtgeschwindigkeit festzustellen, wird zu einer brauchbaren Messung der Schallgeschwindigkeit abgewandelt und dadurch erfahrbar.

Galilei beschreibt in seinen Discorsi, wie er ("Salviati") vergeblich herauszufinden versuchte, ob die "Illumination instantan" sei, oder ob das Licht wie der Schall Zeit zur Ausbreitung braucht.

In einem Einführungskurs Physik Sek I stießen wir nun auf die Aufgabe :
"Wie schnell breitet sich der Schall aus? Ein Mitschüler soll sich in genau 500 m von dir aufstellen. Er muss einen Knall erzeugen, z.B. durch das Zusammenschlagen von zwei Brettern. In dem Augenblick, in dem du siehst, dass der Knall erzeugt wird, setzt du die Stoppuhr in Gang; sobald du den Knall hörst, hältst du sie wieder an. Bestimme nun die Schallgeschwindigkeit. Die Zeit, die das Licht für 500 m braucht, kannst du vernachlässigen." [Impulse Physik 1 S.125; Klett 1993]

Bei der Diskussion: Wie machen wir das, 500 m Luftlinie genau ausmessen in unserer bergigen Gegend, außerdem brauste gerade der Föhn, Bretterschlagen war auf 500 m Distanz sicher unhörbar, kam mir die Idee, den Galilei-Versuch abzuwandeln.

Dreiergruppen wurden gebildet, zwei "Schläger" ein "Zähler". Erst stehen die Schläger Rücken gegen Rücken ganz nah, aber ohne Berührung beieinander. Einer klatscht in die Hände, wenn der andere es hört, klatscht er, der erste antwortet wieder und so fort. Der Zähler beobachtet sie eine Minute lang: Wie oft klatscht einer in die Hände? Das ist so je nach Temperament 75 bis 90 mal. Nun entfernen sich die beiden voneinander; bei uns waren es rund 35 Meter. Und das Klatschen wird (wieder ohne Sichtkontakt) wiederholt. Es war schon deutlich, dass der Takt jetzt langsamer war, und tatsächlich waren es in der Minute ca. 15 Schläge weniger.
Die Auswertung sah erst einmal etwas vertrackt aus, wird aber dann doch durchsichtig:
Die erste Messung ergibt den "Nulleffekt", die Reaktionszeit: 60 s /Anzahl Takte,
die zweite Messung Reaktionszeit + Schall-Laufzeit hin und zurück.
Natürlich waren die erhaltenen Werte alles andere als präzise, sie streuten zwischen 450 m/s und 100 m/s (letzterer Wert allerdings bei einer Messstrecke von 5 Schritten!)
Aber über eine Messstrecke von "genau 500 m" mit der Stoppuhr auf Zusehen und -hören wird man auch nur gelegentlich den "Listenpreis" 340 m/s ermitteln. Für solche Präzisionsmessungen ist später das Kundtsche Rohr vorgesehen. Hier ging es um anderes:
Zwar hat Galilei die Lichtgeschwindigkeit nicht messen können, aber er hat die Jupitermonde entdeckt und vorgeschlagen, die ebenfalls von ihm entdeckte regelmäßige Bewegung, besonders die Verfinsterung dieser Monde als "Weltzeituhr" zu verwenden, um endlich der Seefahrt eine brauchbare Ost-West-Positionsbestimmung zu ermöglichen. Cassini und Olaf Römer, die diese Uhr sozusagen zu "eichen" sich vorgenommen hatten, entdeckten, dass sie "regelmäßig falsch" ging. Nach der ersten Bestürzung fand Römer die Erklärung: Der Erdbahndurchmesser beträgt rund 16 Lichtminuten. Seitdem wissen wir so nebenher, dass das Licht von der Sonne zur Erde 8 Minuten braucht und haben fast vergessen, dass Olaf Römer auch der eigentliche Erfinder der Fahrenheitschen Thermometerskala ist. Aber die Geschichte hat noch eine Fortsetzung: Denn was ist Fizeaus Messung anderes als eine geniale Verbesserung des Galileischen Vorschlags: Die Hand des einen Laternenmannes wird durch eine rotierende Schlitzscheibe, der andere Mann ganz einfach durch einen Spiegel ersetzt. Teleskope für große Entfernungen hatte schon Galilei vorgeschlagen.

--------
Hier noch die Textstelle aus den Discorsi, Seite 39/40 der "Ostwald-Klassiker-Ausgabe":

SAGREDO: Aber welcher Art und wie groß dürfen wir die Lichtgeschwindigkeit schätzen? Ist die Erscheinung instantan, momentan, oder wie andere Bewegungen zeitlich? Ließe sich das experimentell entscheiden?

SIMPLICIO: Die alltägliche Erfahrung lehrt. dass die Ausbreitung des Lichtes instantan sei; wenn in weiter Entfernung die Artillerie Schießübungen anstellt, so sehen wir den Glanz der Flamme ohne Zeitverlust, während das Ohr den Schall erst nach merklicher Zeit vernimmt.

SAGREDO: Ei, Herr Simplicio, aus diesem wohlbekannten Versuche lässt sich nichts anderes schließen, als dass der Schall mehr Zeit gebraucht, als das Licht: aber keineswegs, dass das Licht momentan und nicht zeitlich, wenn auch sehr schnell sei. Auch eine andere, ähnliche Beobachtung lehrt nicht mehr: sofort wenn die Sonne am Horizonte erscheint, erblicken wir ihre Strahlen; aber wer sagt mir, dass die Strahlen nicht früher am Horizont, als in meinen Augen ankommen?

SALVIATI: Die geringe Entscheidungskraft dieser und anderer ähnlicher Vorgänge brachte mich auf den Gedanken, ob man nicht auf irgend eine Weise sicher entscheiden könne, ob die Illumination, d.h. die Ausbreitung des Lichtes wirklich instantan sei: denn schon die ziemlich rasche Fortpflanzung des Schalles läßt voraussetzen, dass die des Lichtes nur sehr schnell sein könne. Und der Versuch, den ich ersann, war folgender: Von zwei Personen hält eine jede ein Licht in einer Laterne oder etwas dem ähnlichen, so zwar, dass ein jeder mit der Hand das Licht zu- und aufdecken könne; dann stellen sie sich einander gegenüber auf in einer kurzen Entfernung und üben sich, ein jeder dem anderen sein Licht zu verdecken und aufzudecken; so zwar, dass wenn der Eine das andere Licht erblickt, er sofort das seine aufdeckt; solche Correspondenz wird wechselseitig mehrmals wiederholt, so dass bald ohne Fehler beim Aufdecken des Einen sofort das Aufdecken des Andern erfolgt und, wenn der eine sein Licht aufdeckt, er auch alsobald das des anderen erblicken wird. Eingeübt in kleiner Distanz, entfernen sich die beiden Personen mit ihren Laternen bis auf 2 oder 3 Meilen; und indem sie Nachts ihre Versuche anstellen, beachten sie aufmerksam, ob die Beantwortung ihrer Zeichen, in demselben Tempo wie zuvor, erfolge, woraus man wird erschließen können, ob das Licht sich instantan fortpflanzt; denn wenn das nicht der Fall ist, so müsste in 3 Meilen Entfernung, also auf 6 Meilen Weg hin und her, die Verzögerung ziemlich gut bemerkbar sein. Und wollte man den Versuch in noch größerer Entfernung anstellen, in 8 oder 10 Meilen, so könnte man Teleskope benutzen, indem man die Experimentatoren da aufstellt, wo man Nachts Lichter anzuwenden pflegt, die zwar in so großer Entfernung dem bloßen Auge nicht mehr sichtbar erscheinen, aber mit Hülfe fest aufgestellter Teleskope bequem zu- und aufgedeckt werden können.

SAGREDO: Ein schöner sinnreicher Versuch, aber, sagt uns, was hat sich bei der Ausführung desselben ergeben?

SALVIATI: Ich habe den Versuch nur in geringer Entfernung angestellt, in weniger als einer Meile, woraus noch kein Schluß über die Instantaneität des Lichtes zu ziehen war; aber wenn es nicht momentan ist, so ist es doch sehr schnell, ja fast momentan, und ich würde es vergleichen mit dem Blitze, den wir 8 bis 10 Meilen weit zwischen den Wolken sehen; hier können wir den Anfang unterscheiden, ja geradezu die Quelle, an einem bestimmten Orte zwischen den Wolken; und wenn auch unmittelbar darauf die rascheste Ausbreitung statthat in den umgebenden Wolken, so erkennt man doch einen zeitlichen Vorgang; denn wenn die Erleuchtung überall zugleich und nicht folgweise stattfände, so könnten wir schwerlich den Ursprung unterscheiden, das Centrum seiner Bahnen und der Ausläufer.

Veröffentlicht zum 100. Geburtstag von Martin Wagenschein in:
MNU 49/8 1. 12. 1996 S. 466-468
Ferd. Dümmler Verlag Bonn

Zurück