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9. Dezember 1985

(Thema: Schwimmen und Auftrieb II)
# Martin Wagenschein
* Seminarteilnehmer
- weitere Seminarteilnehmer in derselben Runde
() redaktionelle Kommentare

# Erinnern Sie sich an die letzte Stunde? Ganz zuletzt?

* Ich erinnere mich, dass sich das Gespräch zum Schluss in Einzelgespräche aufgelöst hat, jeder hat ein anderes Detailproblem erwischt und hat mit jemandem drüber geredet.

# Und warum war denn das so?

* Ich weiß es nicht mehr so genau. Warum das so lief, weiß ich nicht. Ich erinnere mich, dass es nicht mehr so eine einheitliche Gruppensitzung war. Es waren mehr so Einzelgespräche gewesen.

# Erinnern Sie sich an die Geschichte mit der Nähnadel auf dem Wasser, die ich erzählt habe, die schwimmt und damit widerspricht, oder diese Wasserläufer, die Tiere, Insekten mit den sechs Beinen, die also höchst kunstvoll darüber laufen, gehen nicht unter. Kennen Sie die? Wenn man sie anguckt, merkt man was. Dass das was anderes ist, sieht man, gleich.

* Die drücken das Wasser so ein bisschen ein.

# Ja, sie sitzen wie auf einem Kissen. Haben Sie es noch nicht gesehen?

* Doch.

# Das tut auch die Nähnadel. Was macht man da? Wenn man Physiker ist, weiß man sofort das Stichwort. Wissen Sie's? Kein Physiker da? Sie? Auch nicht? Ja, einen haben wir ja unten (letzte Woche, ein Stock tiefer) dabei gehabt, der ist nicht da.

* Oberflächenspannung

# Ja, Kapillarität. Na ja. Aber das erste Wort sagt was. Was macht man denn in solch einem Fall, es passt nicht rein. Offensichtlich was anderes ...
Dinge können doch schwimmen.

* Ja, aber es kommt darauf an, wie ich etwas aufs Wasser setze. Wenn ich eine Nähnadel nehme und lass sie aus einer gewissen Höhe aufs Wasser fallen, dann wird sie sinken, und wenn ich ein Schiff oder ein Materialstück, was schwimmt, nehme und lass es aus einer gewissen Höhe fallen, wirds doch noch schwimmen. Und dann wird man sehen, dass es was anderes ist mit der Nähnadel. Oder wenn sie senkrecht reinfällt.

# Ja, dann schwimmt sie keinesfalls, wenn sie mit der Spitze aufkommt. Und diese Wasserkäfer, die haben auch so etwas breite Tatzen, damit sie sich abstützen können. Die gehen nie unter, wenn man sie nicht mit Gewalt runterdrückt. Nein, ich meine, was macht man sozusagen strategisch im Unterricht, wenn da so 'ne Sache kommt, die etwas anderes ist? Von der man Bescheid weiß, der andere aber nicht. Entweder man nimmt sie hinein, fängt damit an, oder man sagt "kommt später". Was ist vorzuziehen?

* Ja, es gleich mit hineinzunehmen.

# Ja, und wenn es schwierig ist?

* Es ist die Frage, ob's dann nicht Verwirrung bringt. Man muss die Zusammenhänge sehen, ob's das gleiche Problem ist, nur in anderem Rahmen. Ja, es wird schwierig dann, bei gewissen Problemen dann den Zusammenhang für die Schüler zu sehen. Vielleicht trägts zur Verwirrung bei.

# Ja, es ist auch schwierig, es lässt sich gar nicht so leicht verstehen.

* Kann man die Nähnadel nicht einfach ausschalten? Ich versuch, ne Nähnadel aufs Wasser zu legen, und leg ein Schiffchen daneben. Und anschließend geb ich etwas Pril ins Wasser, dann ist die Nähnadel weg.

# Es kommt also ganz auf den Fall an. Ich würde es weglassen, ich würde sagen, das ist was anderes, das verschieben wir. Ich würd's aber nicht vergessen, sondern von da her zieht sich ein Gummiband für spätere Unternehmungen.

* Ich finde, es gehört schon mit dazu, denn was man bei der Nähnadel sieht -sie drückt sich ins Wasser rein- und das tut das Schiff auch.

# Ja natürlich, aber ... haben Sie's gesehen?

* Ja, ich habs schon mal gesehen. Soviel ich weiß, kann man das auch mit einer Münze machen, die kann man auch aufs Wasser oben drauf legen.

# So? Einfetten! Haben Sie's gesehen?

* Das hab ich noch nicht gesehen, aber ich hab mal davon gehört, dass man es machen kann.

# Aber gerade dann sieht man etwas, das anders ist. Sie liegen beide auf dem Wasser, das stimmt, genau wie Puppen. Die eingefettete Nähnadel liegt auf einem Kissen, so wie ein Puppenkissen, eingedrückt, ziemlich weitreichend. Und bei einem Körper aus Holz oder so, der schwimmt, wenn Sie da genau hingucken, ists umgekehrt, da steigt das Wasser von außen an dem Gegenstand hoch, was auch wieder Kapillarität ist, aber ganz andere. Also, es ist vielleicht Geschmackssache, ich würde also diesen Fall verschieben. Nicht in dem Fall, den ein Witz erzählt, wo eine Klasse von Buben ans Fenster rennt, zu dem ein Maikäfer hereinkommt, den ganzen Lateinunterricht stört, vielmehr sogar den Biologieunterricht stört und der Lehrer dann sagt: "Der Maikäfer kommt erst in zwei Jahren dran!" Ja, was machen wir jetzt im Ganzen? Diese drei Sachen sehen: Das Material, die Form, und was war es noch?

* Vakuum, die Luft.

# Material ist halt schwer oder leicht. Und die Form. Na schön, wenn uns nichts einfällt, wird auch nichts weiter sein. Was macht man nun, um das zu entscheiden? Was würden Sie machen?

* Ausprobieren.

# Was denn?

* Ich würde alles, was jetzt zur Verfügung steht, nehmen und aufs Wasser legen.

# Taschentuch zum Beispiel.

* Ja.

# Und was kommt dabei heraus?

* Unterschiedliche Verhaltensmerkmale.

# Geht unter, manches schwimmt. Das wussten wir schon vorher.

* Aber dann könnten wir an der Beobachtung feststellen, ob das mit der Form zu tun hat.

# Überhaupt, wenn Sie über die Form nachdenken, können Sie etwas mit der Form machen. Wie muss denn die Form sein?

* Abgerundet, also würde ich jetzt einfach mal sagen, dass das Wasser keinen Angriff hat.

# Ein Balken, ein Holzbalken schwimmt in jedem Fall, was er auch für eine Form hat. Kann viereckig sein, kann rund sein, kann zersplittert sein, er schwimmt.

* Ich glaube, die eigentliche Form können wir ausschließen.

# Was ist denn das Eigentliche?

* So die äußere Form, den Umriss von dem Körper kann man vernachlässigen, auf die Form kommt es vermutlich nicht an.

# Auf welche Form kommt es an?

* Es kommt mehr darauf an, ob der Körper, den wir da drauf legen, hohl ist in irgendeiner Form oder nicht.

# Wenn Sie Robinson sind und ein Boot bauen wollen, dann werden Sie schon wissen, wie das geformt sein muss oder wie's jedenfalls nicht geformt wird. Schwierig.

* Also so ein Blechkahn, der unterscheidet sich doch von einem Blech dadurch, dass die Ecken hochgezogen sind, das scheint mir doch ein wesentlicher Unterschied zu sein.

# Wie meinen Sie's?

* Ich kann ein Blech aufs Wasser legen, das geht unter. Aber wenn ich die Ränder hochziehe, dass das Wasser nicht drauf kann aufs Blech, dann scheints ja nicht unterzugehen.
- Dann hat es doch was mit der Form zu tun.
- Ja, aber das muss nicht rund oder eckig sein.
- Also ich würde versuchen, die Form als Konstante einzuführen, dass ich also mehrere Gegenstände der gleichen Form, aber aus verschiedenem Material schwimmen ließe. Daran zeigen, dass die einen untergehen, die anderen nicht.

# Ja, war das denn richtig, was er sagt?

* Er sagt ja, man könne die Form ausschließen, ich sag, die Form ist wichtig. Darum sollte sie gleich sein, bei allen Materialien.

# Er meint die Form, den Grundriss.

* Ich meine, es ist egal, ob das ein runder Teller ist, den man aufs Wasser legt oder ob das ein eckiger Kasten ist. Es kommt eigentlich nur darauf an, dass die Ecken hochgezogen sind.

# Stimmt das nicht?

* Ja, es stimmt natürlich. Aber es ist nicht klar, meiner Meinung nach. Wenn ich jetzt also vier Würfel hab, einen aus Holz, einen aus Metall, einen aus Glas meinetwegen und einen aus Papier. Dann ist es für mich viel klarer, dass es unabhängig von der Form ist, ob ein Material schwimmt oder nicht.
- Ja, es ist klarer.
- Es könnte zusätzlich noch von der Form abhängen. Mit dem, was er gesagt hat, weiß ich ja nur, dass es vom Material abhängig ist. Aber die Form hab ich damit ja ausgeschlossen.
- Aber es heißt doch, dass Dinge gleicher Form nicht unbedingt alle schwimmen müssen.
- Man kann beispielsweise auch das Blech umdrehen, dann schwimmt es ja trotzdem. Also muss ja nicht unbedingt der Rand nach oben gehen, es kann doch auch sein, wenn der Rand nach unten geht.

# Wenn Sie eine Blechschüssel umdrehen?

* Das hat aber wieder andere Gründe!
- Ich mein nur, aber dadurch muss ja nicht unbedingt der Rand nach oben gehen, er kann auch nach unten gehen.
- Dann schwimmt sie aber aus einem ganz anderen Grund.
- Naja, wenn ich es ausprobiere, wird sich das auch rumdrehen. Wenn ich behaupte, es ist von der Form abhängig, versuch ich ja auch das Gegenteil hinzukriegen, also um praktisch zu widerlegen.
- Aber wie musst du das Gefäß, wenn du es umdrehst, aufs Wasser legen, dass es nicht untergeht?
- Das kann ich genau so drauflegen wie das Blech.

# Gemeint ist doch, ob dieses Hochgehen am Rand nötig ist. Zu diesem Zweck nehmen wir die Schüssel und stellen sie auf den Kopf. Nun liegt sie so auf dem Wasser. Schwimmt sie?

* Sie geht ein Stückchen zwar unter, aber sie schwimmt.
- Das ist eine sehr labile Angelegenheit. Wenn das Wasser tief genug ist, fürchte ich mal, dass sich das Ding umdrehen wird. Wenn die Fläche groß genug ist, dreht sichs einfach um und während es sich umdreht, füllt sichs mit Wasser und geht unter.

# Und vorher wirft sie Luftblasen raus. Mit solchem Schwimmen ist nicht zu arbeiten, zu unbestimmt. Also kleine Buben setzen sich doch in Holzkähne, Holzkisten. Dann stimmt das ja mit der Wand, braucht nicht eckig zu sein.

* Ja, da muss man balancieren bei den Kisten, dann muss man das Gewicht gut verteilen. Wenn man so in einer Ecke sitzt, dann drückt es ja unter und dann hilft auch die Holzkiste nichts.

# Ich mein ja nicht gleich so komfortabel, ich meine nur, wenns überhaupt geht. Sie müssen das ein bisschen lebend sehen. Wenn Sie akzeptieren, dann fragt er sich, warum dieses Ding, was nach unten gewölbt ist -das sieht ja aus wie ein Schutzschild gegen das Wasser- schwimmt. Die Frage ist ja, was das Wasser eigentlich will.

* Das will da rein.

# Ja?

* Und da braucht man den Rand, dass es nicht rein kann.

# Wie kommen Sie auf die Idee, dass es rein will?

* Das wird ja verdrängt. Und irgendwie denk ich mir ... es drückt ja.

# Sie meinen, das Wasser will ... einen Platz.

* Ja, bei der Wasserwaage hats ja auch den Ehrgeiz, immer gerade zu sein egal wie man sie trägt.

# Aber doch nicht über den Rand senken.

* Ja, aber dann würde es sich wieder ausgleichen.

# Ich würde dem Wasser sagen: "Das ist doch töricht, das kannst du schon haben, dieses Bedürfnis, aber wenn hier eine Holzwand ist, dann kannst du doch diesen Wunsch aufgeben."

* Warum?

# Warum? Weil's dann hochhüpfen müsste.

* Aber das sagt doch nicht, dass es das aufgeben müsste, nur weil es hochhüpfen müsste.

# Kann man rauskriegen, was das Wasser will?

* Man braucht ja nur ein Loch zu bohren.

# Ein Loch bohren! Dann hat es ja eine Möglichkeit, seinen Wunsch zu erfüllen. Ja, was tuts dann?

* Dann füllt es die Kiste aus, bis es wieder auf gleicher Höhe ist.

# Und das tut es ziemlich heftig, nicht?

* Ja.

# Spritzt rein. Wie kommt denn das überhaupt? Offenbar doch, weil es das gleiche Niveau herstellen will.

* Ja, irgend etwas drückt, na, drückt das Wasser da rein. Muss erst mal überlegen, was das ist.

# Warum spritzt das da rein?

* Ja, das spritzt ja nur so lange da rein, bis es die gleiche Höhe erreicht hat, dann hörts ja auf zu spritzen.

# Der Wunsch ist erfüllt. Frage ist, wo es herkommt.

* Vielleicht drückt die Luft.

# Oder sonst noch was schuld?

* Die Luft und das Holz.
- Der Gegenstand selber drückt ja auch, der drückt nach unten auf das Wasser und das Wasser drückt dagegen.
- Wenn man 'ne Plastiktüte nimmt und macht ein Loch rein, drückts ja nicht so arg.
- Das verformt sich dafür. In 'ner Plastiktüte kannst du aufs Wasser nicht richtig draufdrücken.

# Wie ist es denn, wenn das Boot oder die Schüssel hier auf dem Tisch stehen, ist das ähnlich?

* Nee.
- Sie drückt auch hier auf die Fläche.
- Aber wenn man ein Loch reinbohrt ...

# Wenn Sie eine Gummifläche nehmen?

* Wenn man weiches Gummi nimmt, kann man auch sehen, dass es eindringt, dass es ausweicht, das Material.

# Ganz ähnlich wie beim Schwimmen?

* Ja.

# Vielleicht ist es dasselbe?

* Wasser ist ja nichts besonderes, egal, ob Sie die Schüssel auf den Tisch oder aufs Wasser legen. Es unterscheidet sich halt von dem Tisch, aber was sollte am Wesentlichen sich ändern?

# Auch der Tisch biegt sich ein.

* Das sehen wir halt nur nicht.

# Das kann man nachweisen, wenn Sie ein Zehnpfennigstück drauflegen.

* Wenn ich was besonders Schweres auf den Tisch lege, sinkt das vielleicht auch in den Tisch rein.

# Ja und, was wollen Sie damit sagen?

* Dass das Schwimmen im Prinzip genau so ist. Wenn ich etwas ganz Schweres nehme und lege es auf den Tisch, dann wird es eben auch in das Material einsinken. Das ist genau dasselbe wie beim Wasser.

# Ist es wirklich dasselbe?

* Das Wasser wird verdrängt, weil es von anderen Seiten angreifen kann. Das ist beim Tisch ja auch, da wird das Material ja auch verdrängt.
- Wenn man in die Plastiktüte oder die Schüssel ein Loch bohrt, der Tisch kommt nicht zur Tüte rein, aber das Wasser.
- Es ist auch eine Frage, ob das Wasser rein kommt.
- Ich denke, es spielt auch eine Rolle, welches Material man nimmt, ob man elastisches Material nimmt, also weiches, oder festes. Also das festere wird immer das stärkere sein gegenüber dem weichen. Wenn wir eine Gummiwärmflasche auf den Tisch legen, passt sich der Gummi dem Tisch an, immer der elastische dem festen. So würde ich das beim Wasser auch sehen. Das feste Boot zwingt eigentlich das elastische Wasser, die Form anzunehmen, die es ihm aufgedrückt hat.
- Das Wasser passt sich nicht an, das Wasser wehrt sich gegen diese Verformung. Das Boot ist in diesem Fall der Stärkere, es kann nach der Seite ausweichen. Der Tisch wehrt sich ja auch gegen den Druck des Gegenstands.

# Ist das dieselbe Art des Sich-Wehrens? Weshalb?

* Ein Tisch würde ja nachgeben und sich verformen, verformen lassen.

# Es wird verformt.

* Man kann doch auch sagen: anpassen (statt wehren), das hört sich doch eigentlich angenehmer an.
- Wenn du in einem Boot bist und bohrst das unten an, spritzt das schon ganz schön aggressiv rauf.

# Der Tisch wehrt sich doch schließlich, anfangs nicht, aber dann wehrt er sich. Einmal ists aus.

* Dann bricht er auseinander, wenns zu schwer wird.

# Das Wasser bricht nicht auseinander.

* Das kann man teilen.

# Wenn der Tisch, wie Sie sagen, gegen eine Verformung sich wehrt, dann ist doch die Frage, ob Wasser dasselbe ist. Der Tisch wird doch gebogen. Und wenn Sie auf eine Holzstange etwas drauflegen, biegt sie sich durch, der Tisch biegt sich durch. Er wehrt sich gegen die Verformung, das ist sicher, das liegt in seiner Natur. Aber die Frage ist, ob das Wasser sich auch gegen seine Verformung wehrt. Sie haben gesagt "ja", aber die Frage ist, ob dies auch dasselbe ist.

* Wir wissen von Flüssigkeiten, dass sie sich jeder Form mühelos anpassen.

# Was tun sie dann?

* Es scheint sich auf die Oberfläche zu konzentrieren, gegen die äußere Form wehrt es sich nicht so sehr. Es wehrt sich dagegen, dass es einfach so ein Tal gibt, es möchte möglichst auf gleicher Höhe bleiben.

# Wenn es nicht auf gleicher Höhe wäre, hätte das Wasser ein Loch.

* Es würde normalerweise reinfließen in dieses Loch.

# Es wundert mich, dass Sie eins nicht sagen, was Kinder sagen: "Es kommt darauf an, wie tief das Wasser ist, ob's trägt". Und sie sagen, dass ein tiefes Wasser besser trägt, weil es mehr ist. Was halten Sie von dieser Theorie?

* Ja, und auch, was für ein Wasser es ist, ob es Salzwasser ist oder Süßwasser. Das merkt man auch im Schwimmbad.

# Erst mal gewöhnliches Trinkwasser.

* Gegen diese These spricht, dass man in tiefem Wasser genau so schwimmen kann wie in flachem Wasser.

# Ist das wahr?

* Nee, bei tiefem Wasser musst du dich weniger anstrengen.
- Dann fahr mal mit dem Boot über tiefes Wasser und über flaches Wasser, da kann man keinen wesentlichen Unterschied feststellen.
- Beim Schwimmen hab ich das festgestellt, dass ich im flachen Wasser mehr arbeiten muss mit den Armen und Beinen.

# Wir schließen den Fall aus, dass Sie verhindern wollen, auf dem Bauch zu kratzen. Man muss frei schwimmen können.

* Wenns drum geht, dass man sich vorwärts bewegen will, das ist ja noch ein anderes Problem. Es geht doch zunächst nur dadrum, ob man untergeht oder ob man schwimmen kann.
- Mach mal toten Mann im Nichtschwimmer!

# Wollen wir erst mal drüber sprechen, wie's beim Schwimmen ist, beim Sich-Fortbewegen in einem flachen, aber schwimmfähigen Wasser.

* Es ist schwerer.

# Das ist tatsächlich schwerer? Warum?

* Man muss so unheimlich viel zur Seite schaffen.
- Das hat nichts mit der Menge zu tun.
- Das empfindet man aber so, als müsste man unheimlich rudern, während man draußen am Meer nur ganz leichte Bewegungen machen muss.
- Das liegt daran, dass die Reibung des Wassers am Boden viel größer ist als in tiefem Wasser. Ich weiß es vom Kajakfahren. Wenn ich an einem schrägen Hang entlang fahre, muss ich auf der Seite, wo das Wasser flach ist, wesentlich stärker paddeln. Das Boot wird auf der Seite abgebremst, wo es flacher ist.

# Das spricht also gegen diese kindliche Theorie?

* Das Boot sinkt nicht tiefer ein.

# Die Frage ist, ob die Tragfähigkeit davon abhängt, ob Sie in einem Meer sind oder auf einem See; zwei Meter tief oder hundert Meter. In der Schule müsste man das ausprobieren. Wie?

* Eine große Schüssel nehmen oder eine Badewanne. Erst mal mit wenig Wasser anfangen und den Gegenstand reinstellen und gucken, wie er getragen wird, je nachdem, wieviel Wasser drin ist.

# Das dauert lange Zeit, ist aber unbedingt nötig. Und dann stellen sie fest: hat mit der Tiefe nichts zu tun. Damit hängt eine andere kindliche Theorie zusammen: wenn sie in einer Wanne etwas schwimmen lassen, steigt der Wasserspiegel. Und dann sagen sie: "das was da hochsteigt, das will wieder runter."

* Sie haben am letzten Mal das Beispiel gebracht: Das Wasser läuft über, das der Gegenstand verdrängt, und er geht trotzdem nicht unter.

# Klar? Soviel Wasser, wie der Gegenstand verdrängt, läuft ab. Und wenn der Gegenstand schwimmt, schwimmt er trotzdem, obwohl das Wasser weg ist, das er verdrängt hat.

# Also schwimmt er nicht, weil er von einem gestiegenen Wasserspiegel etwa gedrückt wird, das ist nicht der Fall.

* Das "obwohl" verstehe ich nicht.
- Wenn der Gegenstand eingetaucht wird, steigt der Wasserspiegel. Dieses Wasser, was da angestiegen ist, will wieder zurück. Das drückt in irgendeiner Form, dass der Gegenstand nicht untergehen kann. Obwohl das Wasser beim Überlaufen weg ist, geht er nicht unter.
- Er verdrängt ja neues Wasser.
-Aber der Wasserspiegel hat sich nicht erhöht, und es war die Frage, ob der erhöhte Wasserspiegel schuld war, dass der Gegenstand schwimmen kann.
- Ich würde sagen, das verschiebt das Problem nur. Denn wenn das Wasser runtergeflossen ist und ich habe den Gegenstand da drin und ich nehme ihn raus, dann ist das verbliebene Wasser ja tiefer und wenn ich jetzt den Gegenstand wieder eintauche, dann tritt ja das Gleiche ein, dann wird wieder Wasser verdrängt, das hochsteigt bis oben hin. Also ich würde sagen, dieses Argument gegen die kindliche Theorie ist nicht ganz stichhaltig.
- Aber es spricht gegen die These, dass das Wasser, das da hochgestiegen ist, unbedingt notwendig ist zum Schwimmen.
- Es steigt neues Wasser hoch, was neuerlich verdrängt wird.
- Das Wasser wird ja eigentlich nur unter den Teppich gekehrt, das hilft ja nicht.
- Dann muss die Luft doch das Wasser runterdrücken. Warum bleibt das Wasser nicht oben stehen? Also ist die Luft irgendwo schon schwerer. Also die bewirkt doch, dass das Wasser wieder runterfällt.

# Die Luft?

* Also irgendwas bewirkt doch, dass das Wasser immer nach unten fällt. Wenn das Gefäß zu Ende ist -so lang es ja im Gefäß ist, wirds ja festgehalten, dass es nicht nach unten fallen kann- und das Wasser kommt oben drüber, fällts ja wieder nach unten. Also muss ja irgendwas von oben drücken, dass das Wasser immer nach unten fällt.
- (leise) Das ist die Erdanziehung.
- Ja, wenn nichts da wäre, könnte es ja auch in der Luft hängen bleiben.
- Ja, aber das ist der Unterschied zwischen Erde und Mond beispielsweise. Also das hängt nicht damit zusammen, dass die Luft einen Druck ausübt, sondern dass in dem Moment die Erdanziehung wirkt und durch das Gefäß ist halt diese Kraft, zumindest relativ, unterbrochen.
- Ich denk schon, in dem Boot ist ja auch Luft drin. Wenn das ausgefüllt ist mit Wasser, dass keine Luft drin ist, gehts ja unter. Wenn ich das leerschöpfe, dass nur Luft im Boot ist, bleibts ja oben. Also hats doch was mit der Luft zu tun. (Banholzer-Thiel-Wagenschein :"Kinder auf dem Wege zur Physik" wird vorgelesen. Gespräch darüber im Seminar, z.B. darüber, dass der Vorwurf erhoben wurde, die Kinder der Versuchsschule könnten kein Deutsch.)

* Die denken ja noch, während sie sprechen. Plötzlich merken sie, wenn sie einen Satz halb fertig haben: "da hab ich ja einen Fehler gemacht" und korrigieren sich mitten im Satz. In der Schule muss man erst so lange denken, bis man einen klaren Satz rauskriegen kann mit dem, was man gedacht hat.
- Vor allem richtig muss er sein.
- Ja, grammatikalisch.
- nee, auch inhaltlich, deswegen überlegt man ja vorher so lange. Eine falsche Aussage ist nicht erwünscht an den Schulen. Es muss vorher durchdacht sein, man kann nicht denken, während man redet.
- Erwachsene korrigieren bei Kindern eher die Grammatik als dass sie auf den Inhalt achten.

# Glauben Sie doch nur nicht, dass Genies in ganzen Sätzen denken. Wenn ein Kind einen Lehrer hat, der immer in ganzen Sätzen, im Fachjargon redet, dann kann es nur staunen "denken kann der nicht. Wer so redet, der denkt ja nicht." Das ist ganz richtig. Der weiß ja alles schon.

(Den Abschluss der Sitzung bildeten Berichte über die Odenwaldschule und ihre Nachfolgerin, die Ecole d'Humanité.)

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