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21. April 1986

Thema: Kraft und Gegenkraft II

# Martin Wagenschein
* Seminarteilnehmer
- weitere Seminarteilnehmer in derselben Runde
() redaktionelle Kommentare

# Ich war über die erste Sitzung erstaunt, ich habe noch nie erlebt, dass die erste Sitzung so einfach anfing, Heiterkeit, Einfälle, ich brauchte gar nichts mehr zu sagen.
Sie sitzen sehr schweigend da heute. Kann jemand mal sagen, was wir gemacht haben? Für die paar Neuen. Ich bin auf das Thema übrigens ganz zufällig gekommen. Ich wollte es nur streifen, dann erschien es mir aber ganz passend.

* Am Anfang von der letzten Stunde haben wir uns bemüht zu sagen, was hier im Seminar gewöhnlicherweise behandelt wird, wie es behandelt wird. Es sind noch ein paar Leute dabei, die schon ein paar Semester hier sind, und die waren angesprochen, etwas dazu zu sagen. Das war erst so abstrakt, dass die neu Hinzugekommenen nicht direkt etwas damit anfangen konnten. Das führte dann dazu, dass wir sehr schnell in ein Beispiel einstiegen. Und zwar, dass die Eskimos einen riesig großen Fisch vor der Küste an Land ziehen wollen und dazu ein Seil verwenden. Entweder zieht man den Fisch direkt an Land, dann hat man ziemlich schwer zu ziehen, und die andere Möglichkeit war, dass dann irgendwann die Eskimos auf die Idee gekommen sind, dass da ein Pflock stand und dass das Seil an dem Pflock festgemacht wurde; vom Pflock durch den Fisch durch und dann am Ufer gezogen wurde. Und dass das dann viel leichter geht, und darüber haben wir uns Gedanken gemacht. Warum das jetzt soviel leichter geht.

() Zeichnung dazu von einem Teilnehmer an der Tafel:

# Wieso ist das merkwürdig? Wir sind jetzt bei den Eigenschaften eines Themas, welche Eigenschaften ein Thema haben muss, um überhaupt ein Gespräch in Gang zu bringen. Dazu muss es unbedingt so sein, dass jeder sich wundert über die Geschichte.
Das ist ein Eskimo, das ist das Wasser, und das ist das Land. Er will diesen Fisch heranholen. Jetzt kann er natürlich einfach an dem Fisch ziehen. Er tut das aber nicht, sondern er steckt einen Pflock in den Boden und führt das Seil, statt es zu sich zu führen, erst auf einem Umweg hier herum und zieht dann hier, und behauptet, das ginge jetzt viel besser. Ja und?
Mir scheint, der große Raum ist ungünstig.
Sie sehen, es hat keinen Zweck, über eine Sache zu sprechen, die noch gar nicht gesehen wird. Man müsste, wenn das in der Schule behandelt wird, sehen, dass das auch gemacht wird.

* Wir hatten das das letzte Mal auch gemacht, wir hatten ein kleines Köfferchen, das auf dem Tisch lag, mit dem Gürtel herangezogen, einmal direkt und einmal an der Tischplatte festgemacht wie an einem Pflock und dann daran gezogen. Und auch die Leute, die es gemacht haben, sagten, es sei eindeutig leichter gewesen.
Eine gewisse Schwierigkeit besteht darin, dass wir das das letzte Mal schon so ausgiebig diskutiert haben und auch ausdiskutiert haben, was da passiert. Da jetzt wieder anzufangen... sollen wir das jetzt alles wiederholen für die Leute, die nicht da waren oder was sollen wir machen?

# Denen, die nicht da waren, kurz sagen, um was es geht.

* Ja, wir sind auf die Idee gekommen, dass es vielleicht in Abhängigkeit von dem Pflock sein könnte, dass man vielleicht einen dünneren Pflock nehmen könnte statt des dicken und dass dieser Pflock sich biegen würde.

# Entschuldigung, wir müssten erst einmal sagen, was an dieser ganzen Sache merkwürdig ist. Sie sind schon bei der Deutung.

* Ja, das Merkwürdige war ja, dass wir die ganze Zeit darüber diskutiert haben, darüber gesprochen haben, aber zum Schluss zu keinem kritischen Ergebnis gekommen sind. Dass also keinem so richtig klar war, warum es eigentlich jetzt leichter wird, obwohl wir uns zwei Stunden damit beschäftigt haben.

# Und was war das Problem?

* Das Problem war, dass es angeblich leichter war zu ziehen, obwohl der Pflock kein lebendes Wesen war, dass der auch gar nicht mithelfen konnte zu ziehen.

# Sonst noch Eindrücke? Hat jemand einen Gürtel? Schal?

() Ein Schal wird gespendet, der Versuch wird mit einer Aktentasche auf dem Tisch wiederholt. Erst sollte der Schal zwischen zwei Tische eingeklemmt werden, das war ein schlechter Pfahl. Deswegen wurde der Schal erst einmal an die Tasche gebunden und gezogen.

* Das war die eine Möglichkeit, den Fisch an Land zu ziehen, und zwar die einfachste.

() Dann setzt sich einer auf das Ende des Schals drauf, er ist dann der Pfahl.

* Es ist wirklich leichter, wenn ich so ziehe.

# Sie wissen es ja, Sie haben ja schon lange davon gesprochen, was Sie machen. Die Hauptsache ist, dass Sie sagen, was das Merkwürdige ist. Wenn man ein Thema hat, das einen von selbst in Gang setzt, dann kann es nicht schief gehen. Sonst fängt der Lehrer an, einen Vortrag zu halten oder ein Experiment vorzuführen. Das hier ist kein Experiment, das ist rauhe Wirklichkeit, nur eben erzählt, wir sind nicht hingefahren.

* Ja, merkwürdig war, dass es eine ziehende Person in dieser Situation gab und sonst nur tote Materie oder Totes, der Fisch soll ja auch nicht leben, und dass es trotzdem leichter geht, das ist das Merkwürdige.

# Warum, warum geht es leichter? Weil nur eine Person da ist?

* Ja, es ist nur eine Person und ich habe einen Kniff angewendet, will ich einmal sagen.

# Wenn nun zwei da wären, wäre es ja gut, die zögen zusammen. Aber nun wird die eine Person durch einen Pfahl ersetzt.

* Die beiden Begriffe Ziehen und Halten haben ein Problem bereitet, der Pfahl kann ja offensichtlich nicht ziehen, er kann höchstens etwas halten oder so. Es scheinen Unterschiede zu bestehen zwischen Ziehen und Halten, dass man den Pfahl nicht durch Menschen ersetzen kann. Wir müssen erst einmal die Begriffe klären, dass man dem Problem besser zu Leibe rücken kann.

# Natürlich haben wir es nicht geklärt, war auch nicht Zweck der Sache. Es war so eine Art Aufarbeitung des Themas, des Problems. Man müsste jetzt einmal die dunklen Punkte herausheben, einmal, wie kann ein Pfahl einen Menschen ersetzen? Wie kann ein Pfahl ziehen oder halten, festhalten? Darüber haben Sie mancherlei gesagt, schien mir aber noch nicht alles.

* Ja, mir fällt auch jetzt noch etwas Neues dazu ein, was wir das letzte Mal, glaube ich, noch gar nicht besprochen hatten: Ob das Seil am Fisch festgebunden ist oder ob es durch den Fisch so durchgezogen ist, dass das Seil da so durchzieht.

- Durchgezogen.

- Das war dann durchgezogen.

# Schon wesentlich. Ich muss es noch einmal hinmalen.
Hier (3) ist der Gegenstand, der ran soll, und hier (5) steht der Mann und zieht, entweder am Gegenstand angeknotet, das tut er nicht, sondern er führt das Seil durch ein Loch, das er in den Fisch hineinschlägt. Oben rein, unten raus, neben sich hat er einen Pfahl (4) eingeschlagen und um den Pfahl herum macht er das Seil fest. Hilfreicher Seiltrick. Die Frage ist warum, warum es leichter geht, warum der Pfahl hält oder gar zieht.

* Wir hatten dann ja auch gesagt, dass das Seil doppelt so lang wäre gegenüber dem, wenn man direkt zieht, und dass man sich das so denken könnte, dass man dafür, dass man jetzt weniger Kraft aufwenden muss, aber viel länger ziehen muss. Also bis das Seil wirklich herangeholt ist, muss man vielleicht, was weiß ich, doppelt so lang ziehen, aber nur mit halber Kraft. Das war schon ein Erklärungsansatz.

# Sie wissen schon, wohin der Hase läuft, soweit Sie Physiker sind. Es kommt darauf an, dass man jetzt etwas minimal führt. Die Parole war ja: "Die Wiederentdeckung einer Wissenschaft - unter Führung." Bis jetzt habe ich gar nicht geführt. Also wenn ich jetzt Physiker wäre, würde ich hier wittern, wohin sie will. Das hat sie gelernt. Und dann erkenne ich jetzt den Unterschied zwischen halten und führen, bewegen. Was passiert jetzt eigentlich, wird der Fisch bloß gehalten oder wird er auch fortbewegt?

* Man will ihn ja fortbewegen, man will ihn ja heranziehen.

# Gibt es auch den Fall, dass man ihn halten will? Gibt es das in der Praxis?

* Kann ja sein, dass man ihn gefangen hat aber noch nicht irgendetwas hat um ihn abzutransportieren. Dass man ihn erst nochmal im Wasser frischhalten will sozusagen.

# Ich dachte an Sturm, also an Wind, der ihn abtreibt, oder Wellen, die ihn abtreiben nach außen. Und es gelingt mir nur, gerade ihn zu halten. Der eine Fall ist das Halten, das Festhalten. Der andere Fall kann bei schönem Wetter stattfinden, dass ich ihn an Land ziehe. Dann muss man sich also entscheiden, welchen Fall man meint, welcher komplizierter ist. Dann sehe ich also als gelernter Physiker, dass das, was Sie vorgeschlagen haben, schwierig wird. Ich werde also sagen: Halten, nur halten. Dann spüre ich nur einen schwachen Widerstand und brauche nur eine kleine Kraft aufzuwenden, um ihn zu halten, wenn ich es so mache wie der Mann. Wenn ich ohne den Seiltrick arbeite, dann macht es mir mehr Mühe. Das ist also gefragt. Mit dem Halten kommt man eher noch durch. Wenn der Pfahl ein Mensch wäre, wäre alles klar, weil dann halt zwei Menschen ziehen, zwei Eskimos, und natürlich würde es dann besser gehen für den einzelnen. Aber wenn Sie nun einen Menschen, den zweiten Mann, durch einen Pfahl ersetzen, dann entsteht die eigentliche Frage. Und ich reduziere jetzt als Lehrer auf die Frage des Haltens, das heißt, ich nehme an, ein Sturm treibt den Fisch weg und ich bin schon zufrieden, wenn ich ihn nur halte. Dann halte ich ihn und der Pfahl hilft. Frage: Wie kann ein Pfahl, ein totes Ding, der Fisch ist auch tot, aber tritt hier ja gar nicht als Täter auf, der Fisch. Aber der Pfahl, er hilft ja doch. Wie kann ein totes Ding einen Menschen, der da steht und mithilft, ersetzen? Er steht einfach da, fest eingegraben, tut nichts.
Wir haben darüber gesprochen, wir haben nur das Problem herausgewühlt, ich habe es noch einmal fixiert, wie kann ein Pfahl halten, Kräfte ausüben, wie man sagt?

* Ja, wir ziehen ja mit dem Seil an dem Pfahl, nur mit dem Umweg über den Fisch. Also im Prinzip könnte man auch den Fisch weglassen und direkt mit dem Seil an dem Pfahl ziehen.

- Warum ist dies das Gleiche?

- Was der Pfahl macht, ist das Gleiche, wie wenn ich direkt daran ziehe, als über den Umweg über den Fisch.

# Ja, ohne Fisch?

* Ohne Fisch, da passiert mit dem Seil das Gleiche wie wenn ich das Seil erst einmal durch den Fisch durchschleife und dann an dem Seil ziehe.

# Bestimmt nicht.

* Ja, wo willst du dich hinstellen, ans Wasser?

# Haben Sie verstanden, was er gesagt hat?

* Ja, ich kann es mir aber nicht vorstellen, deshalb wollte ich ja nachfragen, weil ich nicht weiß, wo du stehst.

- Also wenn der Pfahl da steht, könnte ich da (am Wasser) stehen und ziehe Richtung Wasser, dann habe ich genau das Gleiche gemacht, wie wenn ich an dem Seil ziehe, das durch den Fisch geschleift ist.

# Sie meinen also, der Pfahl zieht, auch dann, wenn er nichts mit einem Fisch zu tun hat.

* Ja, ich ziehe an dem Pfahl und er verbiegt sich dabei.

# Sie reduzieren die Frage, Sie nehmen ein Stück weg, das, was bisher das Hauptstück war. Das war der Fisch.

* Ja, damit will ich klar machen, was der Pfahl für eine Funktion hat.

# Machen wir ein Bild, hier ist der Pfahl, der Mann steht jetzt hier, und der zieht jetzt, ohne Umweg. Das tut er aus Spass oder vielmehr aus Wissenschaftsdurst. Ist das Seil festgebunden oder nicht?

* Angebunden, es soll ja vergleichbar sein.

# Ja. Ja und, was ist dann los? Das ist jetzt ein Experiment, eine Variation, man ändert etwas.

* Es scheint so zu sein, ich ziehe an dem Baum und man kann den Baum offensichtlich nicht fortbewegen. Also ich ziehe an dem Pfahl über das Seil und der Pfahl wehrt sich dagegen, das heißt, ich ziehe mit einer gewissen Kraft und der Pfahl scheint mit der gleichen Kraft zu ziehen.

# Der tut dasselbe, was er vorher tat, der Fisch auch.

* Er zieht zumindest auch.

- Das war das Problem mit den beiden Begriffen ziehen und halten.

- Man müsste jetzt vielleicht einmal hergehen, man stellt eine Trennwand zwischen den Eskimo und den Pfahl. Und jetzt stelle ich wahlweise einen zweiten Eskimo an die Stelle des Pfahles oder binde das Seil an einen Pfahl. Kann jetzt der Eskimo auf der anderen Seite der Wand entscheiden, ob sich ein Pfahl hinter der Mauer befindet oder ein Eskimo, der sich mit der gleichen Kraft wehrt?

# Was meinen Sie, kann man das unterscheiden?

* Wenn man überraschend zieht, schon. Das ist ja das Problem des Tauziehens.

- Zwischen Mannschaften zum Beispiel.

# Ja, ist damit etwas gewonnen? Wissen wir jetzt, wieso er das fertigbringt, einen Menschen zu ersetzen?

* Wieso der Pfahl zieht, wissen wir nicht, nur dass er zieht.

# Aber das ist die Frage, wieso der Pfahl zieht, wie ein Mensch zieht.

* Jetzt kommt aber auch das Beispiel, das wir das letzte Mal hatten, einen dünnen Pfahl und einen dicken Pfahl und sehen an den beiden Pfählen, dass es am Pfahl eine Veränderung gibt, an dem dünnen Pfahl im Vergleich zu dem dicken Pfahl.

# Darf ich einmal fragen, man sieht dem Pfahl doch etwas an, wenn man ihn dünn macht?

* Ja, dann gibt er nach, er biegt sich. Und wenn er viel zu dünn ist, dann bricht er auch.

# Was hat das Biegen damit zu tun? Dass, wenn er nicht dünn ist, dass er dann Widerstand leistet?

* Seine Festigkeit macht das aus.

# Was kann ein dünner Pfahl sagen über den Fall, wo der Pfahl nicht dünn ist, über ein dickes, aus Stahl, in den Boden betoniertes Ding?

* Wenn wir jetzt schon einen Betonpfahl nehmen oder einen Eisenpfahl, den die Eskimos nicht kennen, dann können wir auch ein Messinstrument einführen, das die Verbiegung des Stahls anzeigt.

- Gehen wir nochmal zurück, wenn zwei an dem Seil ziehen. In dem Fall, wo keiner den anderen wegziehen kann, müssen wir halt feststellen, na, wie stark ziehen die beiden, ist da ein Unterschied? Kann man da feststellen, wer stärker zieht oder dass einer nicht so stark zieht?

- Ja, wenn einer weniger stark zieht als der andere, gibt es nach. Also wenn das im Gleichgewicht ist, sich die beiden nicht bewegen, dann ziehen sie gleich stark auf beiden Seiten.

- Wenn ich das also an dem Baum festbinde und ich ziehe da, muss der Baum genau so stark ziehen wie ich, sonst würde er sich ja bewegen.

# Sie hat doch eben vorgeschlagen, sich zu denken, dass der Pfahl nicht

stabil ist sondern dünn. Dann sähe man etwas, dann wird etwas verbogen. Das stimmt, dann steht der Pfahl so ein bisschen krumm. Warum zieht er dann?

* Er will wieder zurück, er will wieder gerade stehen, er wehrt sich gegen diese Verbiegung.

# Was sagen Sie denn dazu?

* Ja, wenn wir loslassen, sehen wir ja sofort, er richtet sich wieder auf.

# Ja, das tut er.

* Der Pfahl hat eine eigene Festigkeit, einen Widerstand auch, dem Zug gegenüber.

# Was heißt denn Festigkeit?

* Er will in seinem Zustand beharren.

# Zustand ist etwas sehr Allgemeines.

* In diesem Aufrechtstehen.

# Was will er denn eigentlich?

* Gerade stehen, also nicht gebogen werden. Wenn die Kraft wieder loslässt, dann richtet er sich wieder auf.

# Ich könnte diesen Pfahl auch in eine Mauer betonieren, dass er waagerecht liegt, also nicht stehen will, sondern liegen will.

* Ja, dann will er liegen.

- Bleiben wo er ist.

- Möchte Ruhe haben.

# Ja, man sieht doch, was er will. Wenn ich ziehe, biegt er sich, wenn ich loslasse, springt er zurück an seinen alten Ort. Frage ist, was er eigentlich tut, was er will. Man könnte ja mit ihm reden, könnte ihn fragen: "Was wollen Sie eigentlich?"

* Er möchte bequem stehen, entspannt.

# Man fragt sich dann nur weiter, was heißt bequem stehen? Warum fällt es uns denn so schwer, krumm zu stehen?

* Das ist eine Anstrengung.

# Wo sitzt denn die Anstrengung bei dem Pfahl? Kann man ihm das nachfühlen?

* Die Erde lässt ihn nicht los. Dann müsste man ja die Erde und alles, wo er festgewachsen ist, auch noch mitbewegen.

# Da unten?

* Ja, er ist ja direkt verbunden mit dem Untergrund, wo er drin sitzt. Wenn man ihn bewegen wollte, müsste an das alles mitbewegen, wir bewegen das ja alles miteinander.

# Ja, und was ist denn dann? Dann ersetzt er einen Menschen ganz vorzüglich, ohne krumm zu werden. Denken Sie bitte einmal weiter.

* Wie sagten Sie gerade: "Ohne krumm zu werden?" Wenn er gut verankert ist? Ich meine trotzdem, dass er sich verbiegt, auch wenn er gut verankert ist.

# Es kommt hier doch nicht auf Meinungen an,

* Ich meine, wenn er nicht gut verankert ist, fällt er um. Wenn er verankert ist, biegt er sich halt. Anders kann er sich gegen dieses Daranziehen nicht wehren.

# Ja, verteidigen Sie Ihren Standpunkt, vorausgesetzt, dass es überhaupt klar ist.

Also biegsame Pfähle verbiegen sich, wenn sie beansprucht werden, und ganz feste, eingemauerte, halten besonders gut.

* Die können ja ganz biegsam sein und trotzdem fest eingemauert. Ich verstehe den Unterschied nicht ganz, was zwischen biegsam und fest eingemauert besteht.

# Ich meine, der Stab ist nicht nur dick, sondern auch eingemauert. Was meinen Sie?

* Wir hatten eben darüber geredet, ob das noch alles Wiederholung ist oder ob das schon etwas Neues ist.

# Nein, das ist keine Wiederholung.

* Ich habe auch gemeint, das ist keine Wiederholung mehr, das geht jetzt weiter.

- Das hatten wir letzte Woche zum Teil auch schon angesprochen.

- Ja, dieses Biegen hatten wir letzte Woche auch schon angesprochen. Das hatten wir das letzte Mal auch schon, ob man das Biegen sieht oder nicht. Dann hast du darauf hingewiesen, dass trotzdem eine Verbiegung stattfindet, auch wenn man sie nicht sieht.

# Das ist eine Vermutung. Ich weiß nicht, ob Sie verstehen, was eben gesagt worden ist. Sagen Sie es deswegen bitte nochmal.

* Bei einem dünnen Pfahl sieht man die Verbiegung und bei einem dicken sieht man sie unter Umständen nicht. Man könnte eine Versuchsreihe machen, immer in verschiedenen Dicken die Stäbe verwenden, dann halt mal schauen, wie unterschiedlich stark es sie verbiegt und ab wann man es zum Beispiel nicht mehr sehen kann. Also dass ein dünner Stab sich stärker biegt als ein dickerer. Und ein ganz dicker, da sieht man es nicht mehr, würde aber die Vermutung nahelegen, dass der sich auch verbiegt, nur wir sehen es nicht mehr.

# Versteht man das? Noch nicht? Also was soll ich zeichnen?
Also ich zeichne:
Sie haben hier (1) einen dünnen Pfahl, hier (2) einen dicken Pfahl. Nun hat er von einer Reihe gesprochen, die hier zwischen zu denken ist. Das heißt was?

* Je dicker der Pfahl ist, desto weniger biegt er sich durch.

# Nein, was für Bilder müssen Sie hier (in die Lücke) zeichnen? Um das, was Sie gesagt haben, zu illustrieren?

* Ja, Pfähle die immer dicker werden und sich immer weniger biegen.

# Ja, also zwischen den beiden Extremen, weniger gebogen als (1) aber mehr als (2). In jedem Fall sehen Sie, dass der Pfahl zieht. Er zieht, weil er sich biegt und weil er das nicht will. Das heißt physikalisch gesprochen, wie sagt man da, er will nicht, er wehrt sich... Was sagt der Physiker?

* Er bringt eine Gegenkraft auf.

# Eine rein physikalische Kraft. Kurz gesagt, weshalb hält er überhaupt, verhält er sich wie ein Mensch? Wenn er sich nicht böge, könnte er nicht halten. Es hat noch niemand einen Pfahl gesehen, der sich nicht biegt, denn alle Pfähle halten. Und das ist einfach das Zeichen dafür, dass sie sich verbiegen. Sonst hätten wir ja überhaupt keine Ahnung davon, wie das kommt. Ausgenommen natürlich ein Material, doch, es gibt ein Material, das das nicht kann.

* Glas.

# Glas? Biegt sich auch.

* Aber nicht so arg.

# Nein, ich dachte an so etwas wie Schlagsahne, gefrorene Schlagsahne. Was bricht, weil es sich nicht biegen kann und nicht halten.

* Warum gehört das Biegen dazu?

# Weil die dicken Pfähle sich viel weniger biegen, weil man es an ihnen nicht sieht. Und weil man doch weiß, dass dünnere Pfähle sich verbiegen und infolgedessen ziehen, halten, sind wir genötigt zu schließen, dass auch dicke Pfähle sich verbiegen. Stimmen Sie mir zu?

* Ja.

# Man könnte auch ein Experiment machen, was der alte Pohl gemacht hat, der darauf hinweist, dass eine Tischplatte nur hält, weil sie sich verbiegt indem sie eine Delle macht, wenn ich ein Stück Kreide darauf lege. Das glaubt kein Mensch. Er sagt, das ist sehr wenig. Er nimmt einen Spiegel, senkrecht zum Tisch, und ein Lichtstrahl, wie auf dem Wasser, der geht zehn Meter weit weg. Und wenn der Spiegel eine Bewegung macht, dann springt da hinten der Lichtfleck. Wenn ich neben diesen Spiegel ein Kilogrammgewicht auf den Tisch stelle oder mich selber daraufsetze, und das gibt gar kein Loch, kein sichtbares Loch, dann sieht man es doch an dem Ding da hinten, dass er sich doch durchgebogen hat, es biegt sich alles durch.

* Es geht besser mit zwei Spiegeln, indem man den Strahl reflektieren lässt.

# Ich habe das ja erst ziemlich spät bemerkt, in meinem Studium kam das alles gar nicht vor, den Pohlschen Versuch habe ich nicht gesehen, und ich habe auch gedacht, das hält, weil es hart ist. Und wenn ich meinen Koffer trage und er ist mir zu schwer und ich hänge ihn an ein eisernes Geländer, dann trägt dieses Geländer ihn, indem es sich durchbiegt und weil es sich durchbiegt. Um Kinder dahin zu führen, habe ich später dünnere Sachen genommen und zuletzt einen Gummischlauch. Der biegt sich ja schön so und wenn man das Ding abhängt, dann schnurrt es zurück. Beweis, dass er es immer gewollt hat, das war seine versteckte Absicht. Es ist eine eigensinnige Sache mit der Materie, die möchte gerne, ja was denn nun? Was macht sie denn nun, wogegen wehrt sie sich? Wir sprechen nur von der Biegung, das ist doch speziell.

* Sie wehrt sich gegen die Verformung.

# Verformung ist auch schon ein Lehrbuchwort. Macht nichts. Das Wort ist nicht populär, aber es stimmt, wenn die Form geändert wird. Deshalb spielt bei dem Pfahl oder Baum, der hält, noch etwas mit. Das Seil, das um den Bauch des Baumes geht, das kneift natürlich, das gibt eine Delle, die halb rundum läuft, das will er auch nicht, und deswegen presst er sich dagegen. Das dauert eine Weile, bis das wieder rückgängig ist. Wenn Sie das Seil dann abschneiden, dann wird diese Druckzone wieder, wie sie war. Die Verformung schaut eigentlich allgemein hier raus. Damit scheint es zunächst so, als ob die Sache geklärt wäre mit dem Fisch.

* Jetzt ist erst einmal die Sache mit dem Baum geklärt.

# Der Pfahl hilft, weil er, wie der Baum selbst, sich seiner Natur nach dagegen wehrt. Er liefert die Kraft. Ist das glaubhaft? Also das Bild da unten, wo der Fisch gar nicht mehr da ist und der Mann an dem Pfahl zieht, da kommt seine Kraft daher, dass er also gezwungen wird, seine Form zu ändern. Das will er nicht, und deswegen wehrt er sich. Können Sie diese Eigenschaft nennen, von einer Materie, sich zu wehren gegen Verformung?

* Elastizität? Ich bin Nichtphysiker.

# Elastizität, stimmt das?

* Ich bin auch Nichtphysiker, ich würde das auch sagen.

# Haben Sie Physik studiert?

* Nein.

# Es gibt auch ein deutsches Wort. Heißt das nicht `Rückstellkraft'? Eine grässliche Verdeutschung, aber es sagt es genau. Naürlich nichts gewonnen, wenn man sagt, das ist halt die Elastizität, die das macht. Es fragt sich nur, ob das die Elastizität ist, die man im täglichen Leben so nennt. Wir nennen einen Menschen elastisch, wenn er anpasserisch ist. Gummi ist elastisch... ein Glasstab und ein Vollgummistab, welcher von beiden hat mehr Elastizität im Leibe? Was meinen Sie? Volksbefragung.

Was meint der Mann auf der Straße?

* Der Gummi ist elastischer.

- Ich kann mir vorstellen, dass Glas elastischer ist. Weil, wenn ich versuche, Glas zu biegen, bricht es sofort und es braucht dann im Grunde ganz viel Kraft um wieder zusammenzukommen. Und soviel Kraft kann es niemals aufbringen, um wieder ein ganz normaler Stab zu werden. Denn es kann nicht mehr selbständig zusammenkommen. Deswegen müsste eigentlich Glas hochelastisch sein.

# Ja, sehr elastisch. Haben Sie schon bemerkt, dass da die ganze Akustik dranhängt? Von dem kleinen Pascal wird erzählt, dass er, während die Eltern tafelten, es waren sehr reiche Leute mit allem Zeremoniell, dass er die Weingläser zum Klingen brachte. Warum klingt ein Weinglas? Oder auch ein Bierglas? Oder auch sonst noch etwas? Ich meine, sieht man den Zusammenhang? Mit der Elastizität, also mit dem Wunsch der Materie, die Form zu behalten?

* Also man merkt es in einem Raum, wo die Wände kahl sind, wo also nur Steinmaterial oder Beton an den Wänden ist, oder wo die Wände tapeziert sind. Diese Tapete ist wesentlich weniger elastisch, und deswegen wird der Schall geschluckt werden.

# Ich meine nur, wenn Sie an das Glas schlagen, dann verbiegen Sie also die beiden Wände. Und wenn das Glas nun elastisch ist, ist doch zu erwarten, dass es einfach wieder zurückgeht. In seine alte Stelle. Das tut es aber nicht, sondern es klingt. Wie macht es das? Klingt ganz lang.

* Es schwingt.

# Die Frage ist, warum schwingt es?

* Es will mit solcher Energie wieder zurück, dass es in die entgegengesetzte Richtung ausschlägt. Und dann immer hin und her.

# Warum tut es denn das? Einerseits hat es doch den Wunsch, seine Form wieder anzunehmen, andererseits, wenn es die hat, dann überrennt es sie.

* Es tut es mit solcher Kraft, dass es quasi über das Ziel hinausschlägt.

# Ja, ja, was ist denn das für eine Kraft, wie heißt denn die? Hat auch einen Namen, wird auch auswendig gelernt. Die über das Ziel hinausschießen will.

* Trägheit.

# Haben Sie etwas gesagt? Sie wissen es bestimmt, er ist Physiker, ich sehe es ihm an. Habe ich mich geirrt?

* Nein, das nicht...

# Er will nicht. Kennt man das sonst noch, bei ganz anderen Gelegenheiten? Dass er übers Ziel hinausschießt und wieder zurück und dann wieder hin und zurück, schließlich kommt es dann in die gewünschte Stellung?

* Wenn ich eine Kugel vom Berg aus ins Tal rollen lasse und auf der anderen Seite wieder hinauf.

- Oder ein Pendel.

# Muss das ein betoniertes Tal sein mit einer Kugel? Das gibt es auch sonst.

* Das wurde gerade schon gesagt, ein Pendel an einem Seil.

# Das sind Schulantworten. Das was Sie anführen, das konnte man nach dem Krieg sehen. Da hatte man die großen Betonbecken um bei Fliegerangriffen Wasser bereitzuhalten. Die wurden dann von den Kindern für wunderbare Rollschuh-Experimente benutzt. Stellten sich da hin und fuhren runter, rauf und runter. Das was wir suchen, kommt in allen Schulen vor, hat man gehabt, hat man gehabt zu haben.

* Ja, so etwas wie Auslenkkraft.

# Ja, ich frage wieder, warum rollt denn die Kugel drüben wieder hoch?

* Weil sie Schwung hat.

# Überschüssigen Schwung? Einfach Schwung. Ja, das ist ein populärer Ausdruck, das wird auch jedes Kind sagen, "es hat Schwung". Aber der Fachausdruck?

* Das hatte ich vorhin schon gesagt, 'Trägheit'.

# Trägheit, wie sich das schon anhört! Besserer Ausdruck: Beharrung. Trägheit wirkt nicht auf Kinder, weil sie bei Trägheit denken, das ist einer der da ist und schläft. Aber der gerade nicht schläft. Bei Lichtenberg habe ich einen Satz gefunden, dass die Elastizität die Kraft ist, die uns miteinander verständigt. Er meint, dass wenn es sie nicht gäbe, würden wir nichts hören. Wir würden auch miteinander nichts sprechen können.
Ist sie jetzt klar, die Geschichte? Der Pflock zieht, weil er provoziert wird. Er wird dazu aufgerufen, seine Form zu ändern. Das tut er nicht.

* Er zieht beharrlich.

# Er zieht beharrlich? Es ist fraglich, ob das Wort beharrlich hier stimmt. Er zieht dauernd? Er zieht doch nur so lange wie der Eskimo gezogen hat.

* Mir leuchtet das noch nicht ein. Der Pflock zieht doch nur, weil an ihm gezogen wird. Warum erleichtert er dann dem Ziehenden seine Tätigkeit? Das wird da nicht klar, wenn der ihn erst zu seiner anderen Tätigkeit veranlasst.

# Ja, ich schließe mich Ihnen an.

* Das ist das letzte Mal auch angesprochen worden. Dass man eine Kraft braucht, um den Fisch herauszuholen und um den Pflock zu verbiegen.

- In dem Bild, in dem er direkt an dem Pfahl zieht, da hilft der Pflock nicht.

# Um an etwas zu ziehen, würde das ausreichen, da braucht man keinen Fisch dazu. Es reicht die Ursituation, er zieht an dem Pfahl und der Pfahl bewegt sich dann und zieht infolgedessen an ihm. Oder? Wie hatten Sie es gesagt?

* Ich hatte gesagt, dass der Pfahl sich nur darum verbiegt oder nur darum zieht, weil an ihm gezogen wird. Und dass nicht einzusehen ist, dass der ziehende Mensch, der an dem Pfahl zieht, nun dadurch eine Erleichterung erfährt, dass er den Pfahl selbst zum Ziehen überhaupt erst veranlasst.

# Erleichterung doch nur in so einer Situation.

* Ja, aber die Biegung erklärt meines Erachtens nicht, dass er jetzt den Fisch mit weniger Kraft ans Land bekommt.

- Ja, aber da ist ein Trick, dass beide in die gleiche Richtung ziehen.

# Ja, aber der Baum äußert seine Kraft nur dadurch, dass jemand an ihm zieht. Ja, und kann er dann seine Kraft auf den übertragen oder wie?

* Aber wir haben doch schon festgestellt, dass der Pfahl eigentlich einen zweiten Eskimo ersetzen kann, der da steht. Man kann sich doch vorstellen, dass wenn ein Eskimo zieht, dann muss der bestimmt doppelt so viel Kraft aufwenden als wenn zwei da stehen.

# Nicht ganz verstanden.

* Ja, zu zweit brauchen sie, jedenfalls wenn zwei ziehen müssen, bestimmt nur halb so viel Kraft.

# Dann ist der Fisch dabei?

* Ja, das ist der Fisch.

# Nein, wir meinen nur diese Situation (ohne den Fisch).

# Der (Pflock) hat die Kraft, der hat sie von dem (Eskimo) gekriegt. Und wenn er sie von dem gekriegt hat, kann man sich wundern, dass er in solchen Situationen auch noch hilft. Und dabei hat der nur die halbe Kraft aufgewandt.

* Das stimmt eigentlich nicht so, dass er die Kraft nur durch ihn bekommen hat. Das macht ja für ihn keinen Unterschied, ob er an einem Pfahl zieht oder an einem Eskimo, der dagegen hält.

# Der Eskimo, der tut ja dann etwas dazu. Es ist doch ein Unterschied, ob der andere ein Eskimo oder ein Pfahl ist. Der andere Eskimo kriegt seine Kraft doch nicht vom ersten Eskimo.

* Der Pfahl aber auch nicht. Er wird zwar veranlasst, diese Kraft auszuüben, aber er kriegt sie nicht von dem.

# Ist das dieselbe Kraft wie die, die...

* Die sind zwar gleich groß, aber es ist nicht dieselbe. Das eine ist eine Kraft, die dem Eskimo angehört und die andere dem Pfahl, oder...

# Wir reden immer mehr. Zwiegespräche sind ja nicht erlaubt, die führen dann ab, die Mehrheit weiß nicht, wovon man redet. Also wir reden davon, dass der Pfahl eine Kraft äußert, an der er nicht schuld ist.

* Ist nicht an der Kraft, die den Pfahl verbiegt, auch der Fisch dran schuld? Oder die Strömung, die den Fisch abtreiben will?

# Wir haben keinen Fisch jetzt, wir sprechen jetzt von einem Teil. Die Ursituation ist, dass der Eskimo an einem Pfahl zieht und der Pfahl zieht an ihm. Zwei Kräfte, erst die verursachende Kraft, die dann noch eine Zweitkraft induziert, und die kann der ersten dann noch helfen. Ja, ich frage die Physiker. So kann man beliebig Kräfte erzeugen, erst hat man eine Kraft und dann hat man zwei. Sind Kräfte etwas so Inkonstantes, das so variabel ist, dass man aus einer Kräfte mehrere machen kann? Sonst gäbe es ja keinen Hebel. Ich kann nicht sagen, dass es mir so ganz klar ist.

* Ja, was mir nicht so ganz klar ist: Für mich zieht der Pfahl ja nicht, er leistet nur Widerstand.

# Doch, er zieht.

* Ja, das verstehe ich nicht so.

# Er würde ja nicht ziehen, wenn ich nicht ziehen müsste, um ihn zu biegen. Was ich spüre, ist ja sein Ziehen, wenn ich schon mal so weit bin.

* Ja, aber Ziehen ist für mich etwas Aktives, und er leistet nur Widerstand.

# Ja, das stimmt insofern als die Sache bei mir anfängt. Aber wenn die Sache mal steht, so gesagt, dann weiß ich nicht so recht...

* Man könnte ja mal jemand anders bitten, festzuhalten an Stelle des Baumes, das Seil genau so zu halten wie der Baum es vorher hatte. Ein Mensch, und der kann dann bestätigen, dass auch etwas von der Seite zieht.

- Ja, der muss ziehen, damit das wieder klappt.

# Ich will Ihnen mal meine Antwort vorlegen, ich habe nämlich gestern zum ersten Mal darüber nachgedacht. Man darf nicht denken, dass das zwei Kräfte sind. Eine Kraft ist nicht ein Ding, das durch einen Pfeil markiert wird, der an einem Gegenstand angreift. Kraft ist immer, nicht bloß hier, Kraft ist immer zwischen zwei Gegenständen. Kraft vermittelt allemal zwischen zwei Körpern das Geschehen, das die da machen. Es gibt keine Kraft, die an einem Körper zieht, sozusagen ins Leere hinaus. Das ist, wie wenn man so macht (Handbewegung) und keinen Widerstand findet. Das gibt es nicht. Es gibt nur eine zweiköpfige Kraft, die immer zwei Körper verbindet. Oder finden Sie Ausnahmen? Was der Mann herstellt, der da zieht, ist ein Kraftpaar. Eigentlich sitzt die Kraft in dem Seil, doppelköpfig nach beiden Seiten. Man kann nicht eine erzeugen und noch eine, sondern man erzeugt die Kraft als Verbindende zwischen zwei Körpern und damit etwas tun. Können Sie zustimmen oder ist das falsch? Um über diese Schwierigkeit hinwegzukommen, muss man sich, glaube ich, dessen bewusst werden. Das sind immer diese falschen Bilder, die man in der Schule an die Wandtafel malt: "Denkt euch hier einen Körper und auf diesen Körper wirkt nun hier eine Kraft. In Richtung von der malen wir einen Pfeil hin." Das ist aber nichts, das gibt es gar nicht so. Oder kennen Sie eine Kraft, die keine Gegenkraft hat, die nicht zweiköpfig ist? Und wenn Sie die Kreide fallen lassen, ist das nicht ein Gegenstand, dann wirkt doch nur auf den die Kraft, auf was denn sonst? Da haben wir schon die Ausnahme.

* Das ist keine Ausnahme. Wenn das so wäre, dann würde der Körper ohne Zeitverlust sofort am Fußboden landen, dieses Stück Kreide.

# Ja, das tut es doch!

* Das dauert doch eine gewisse Zeit, man kann es doch beobachten.

# Ohne Zeitverlust? Was hat die Zeit damit zu tun? Das ist doch eine statische Situation, wenn ich ihn halte.

* Aber wenn ich jetzt loslasse, braucht er eine gewisse Zeit um herunterzufallen.

# Ich verstehe gar nicht, warum Sie von Zeit sprechen.

* Weil das der entscheidende Punkt ist, weil er sich wehrt dagegen, herunterzufallen und dieses Sträuben äußert sich darin, dass er sozusagen eine gewisse Zeit herausschindet, in der er sich in der Luft hält. So ungefähr.

# Das ist doch gar nicht die Frage. Die Frage ist doch hier, wo die beiden Körper sind, wenn es doch immer zwei sind.

* Die beiden Kräfte meinen Sie?

# Nein, die Kraft ist immer zwischen zwei Körpern, es gibt keine Kraft, die an einem ist, sondern nur eine die zwischen zweien vermittelt. Und hier vermittelt doch niemand etwas, fällt doch einfach los. Wo ist der zweite Körper?

* Die Erde.

# Das sagen die Schulkinder dann. Warum fällt er dahin? Die Antwort lautet: `Weil er von der Erde angezogen wird'. Nichts davon zu sehen, aber das glauben sie dann auch. Wenn man genauer mit ihnen redet, dann denken sie, das habe ich oft gehört, in der Erdmitte, da sitzt ein Kobold, oder ein Männchen, ein Geist, der Erdgeist. Den nennen sie nicht so, aber irgend so etwas, das etwas will. Und das zieht alles zur Erde hin. Die Vorstellung wird erzeugt, ist aber falsch. Wir wissen es ja besser, die ganze Erdkugel ist der andere Körper, woraus folgt, dass auch der Erdkörper etwas herunterfällt, ein kleines Stückchen, entgegenspringt, so eine Art Ball. Wie kommt man denn zu so etwas? Dass die Erde schuld sein soll? Warum soll nicht der Himmel drücken, wenn ein Gegenstand fällt? Der ganze Himmel, die Sterne und alle drücken. Das ist genauso aus der Luft gegriffen wie das andere aus dem Boden geholt.

* Wenn ich die Bewegung der Himmelskörper unabhängig kritisch beobachte, dann stellt man fest, dass die sich alle gegenseitig ziehen.

# Wie wollen Sie das feststellen für einen kleinen Buben? Es scheint am Prinzip zu liegen, zu behaupten, dass eigentlich die Erde etwas auch ihm entgegenkommt. Interessant, dass wir keinen Beweis dafür haben. Wie kommt man denn auf so etwas, dass die Erde ihn anzieht, nicht der Himmel ihn herunterdrückt?

* Ich hätte einmal einen Vorschlag dazu. Man kann ja feststellen, dass zu jeder Tages- und Nachtzeit das Stückchen Kreide mit gleicher Kraft heruntergedrückt wird. Wenn der Himmel schuld wäre, dann könnte man zum Beispiel auf die Idee kommen, dass die wechselnden Sternbilder, die über einem stehen, die Veranlassung wären. Dann müsste aber auch die Kraft, mit der diese Kreide nach unten gedrückt wird, sich verändern, je nach der Konstellation über uns.

# Den Versuch hat man aber nicht gemacht.

* Ja, mir kommt das gerade so in den Kopf.

# Ja, ja.

* Woher weiß man denn überhaupt, dass alles auf die Erde herunterdrücken soll und nicht seitlich weggedrückt wird?

- Weil die Erde Mittelpunkt der Welt ist.

# Das führt dann eben auf diese merkwürdige Situation in der Schule zurück, dieses eingeredet zu bekommen. Die Frage, woher man das weiß, wird nicht beantwortet.

* Ich würde sagen, das folgt aus dem Experiment, dass zwei Metallkugeln sich gegenseitig anziehen, Gravitationswaage.

# Es scheint, dass man solche Verbindungen nicht leicht aus dem Schulwissen herauskriegt. Und niemand fragt, woher man es weiß.
Ich muss aufhören. Das nächste Mal sind wir wieder hier.

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