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26. Mai 1986

Thema: Der Sechs-Stern III

# Martin Wagenschein
* Seminarteilnehmer
- weitere Seminarteilnehmer in derselben Runde
() redaktionelle Kommentare

# Wir sind jetzt so weit, dass wir die Sache mit dem Sechseck selbst angehen können. Können Sie einmal erklären, worum es sich dreht?

* Wenn man einen Kreis zeichnet und den Radius am Umfang abgetragen hat, und dann haben wir festgestellt, dass das etwa sechsmal geht. Und die Frage stellt sich dann: "Geht das genau sechsmal?" Woran sieht man, dass das genau sechsmal geht, kann man das überhaupt wissen? Hilft es, wenn man das Ganze immer feiner, immer genauer hinmalt?

# Nochmal anders formuliert, jemand anders. Ja, ich meine es so, dass man sich wundern muss. Denn sonst hat es ja keinen Sinn. Nicht, dass man das wissen müsste, es gehört nicht zur Allgemeinbildung, keine Spur. Oder anders gesagt: Empfinden Sie es als merkwürdig, wunderbar, komisch, erstaunlich, unerwartet, sonderbar?
Sie können ruhig etwas sagen, auch Gäste dürfen etwas sagen.
Sie finden es nicht unerwartet, es ist selbstverständlich. Zufall?

* In der Näherung finde ich das eigentlich fast selbstverständlich. Weil ich ein Sechseck zeichnen kann. Ich habe ja sechsmal den Radius, ich habe sechs Dreiecke.

# Ja und? Sechs ist gleich sechs. Sechs Dreiecke. Warum gerade sechs? Sind Sie Mathematiker oder Physiker?

* Physiker.

# Da ist ein Unterschied.

* Das Erstaunliche ist für mich eigentlich, mit welcher großen Selbstverständlichkeit ich eigentlich davon ausgehe, von einer Idealfigur, die sich gar nicht so exakt darstellen lässt. In der Vorstellung von einem so idealen Sechseck, wie es sich tatsächlich nicht herstellen lässt.

# Ich gehe nur von dem aus was ich mache. Wir haben sehr wenig gemacht. Was einen erwartet, der gar nichts weiß, das ist ja die Kunst, die wir lernen. Wenn er dann einfach einsticht, einmal, zweimal, drei, vier, fünf... sechs, sieben, achtmal, das hört ja nicht auf. Und er macht immer weiter, in der Erwartung. Und dann gibt es lauter Einstiche, und dass der ganze Kreis mit lauter Einstichen besetzt ist, mehr können wir nicht erwarten. Dass es aufgeht, sofort aufgeht, nachdem man sechsmal herumgegangen ist, das müsste eine naive Seele wundern.

* Ja, das Problem eignet sich sehr, auch wenn man keine Mathematik gehabt hat, darüber nachzudenken.

# Ist natürlich schwierig, bei einem erwachsenen Menschen, nicht in der Schule gewesen zu sein.
Entschuldigung, passt hierher: Haben Sie gelesen, dass ein Sonderschullehrer namens Altmann, Bayern, den Staat verklagt hat, weil er die Schulpflicht eingeführt hat? Er hat dafür eine ganz große Denkschrift losgelassen. Er kommt dazu, es handle sich hier um eine geistige Zwangsernährung, also er vergleicht das mit dem Einfüllen von Nährstoffen, die man bei Gefangenen anwendet. Ich finde das Beispiel gar nicht schlecht. Man kriegt nicht das, was man essen möchte, sondern das, was auf dem Löffel ist. Ich glaube kaum, dass der Mann außer Sensation etwas erreicht.
Ich meine, dass wir hier das Kunststück etwas klären, ...ich kann dazu keine Anleitung geben. Es sind ideale Figuren und wir wissen jetzt, was Platon meint und sagt, wenn er sagt: "Wir malen die Figuren in den Sand, aber wir meinen, wir reden nicht von denen, sondern von den idealen Figuren, die denen nur ähnlich sind." Was man sieht, ist nicht immer. Also wenn man jetzt solche Figuren macht, was macht man, um zu zeigen, dass es doch sechsmal geht?

* Das kann ich machen. Ich gehe mal nach vorne, ich habe das etwa in Erinnerung.
Ich habe hier diesen Kreis und das Sechseck.

# Auf diese Weise ist die Figur nicht entstanden, sondern...

* Es ist eine Schaufigur im besten Sinne des Wortes.

- So, als wir das letzte Mal bei dieser Sache gewesen sind, hatte ich bereits behauptet, dass es genügen würde, wenn man sich dieses Trapez ansieht und nachweist, dass diese Dreiecke dieses Trapez wirklich lückenlos ausfüllen. Es genügt zu zeigen, dass diese drei Dreiecke dieses Trapez lückenlos ausfüllen, da die gleiche Figur hier unten noch einmal erscheint. Das wäre mein Vorschlag, hier weiterzudenken...

# Verzeihung, sind Sie alle einverstanden, dass man das auch kann, was er eben macht?

* Schon, aber ich weiß nicht, welchen Sinn das hat.

- Man kann das schon so machen, aber ich finde es nicht sinnvoll, ...das heißt, das ist ja eigentlich erst das Endergebnis, dass das nämlich genau durchgeht durch den Mittelpunkt und eine gerade Linie ist.

- Man kann das ja auch umdrehen und sagen, dass man zeigen muss: "So habe ich das das letzte Mal auch gemacht, dass das hier eine gerade Linie ist, die den Kreis teilt."

# Ist das nun sicher?

* Sicher ist das nicht, aber das ist auch dadurch bewiesen, dass ich nachher zeige, dass diese drei Dreiecke lückenlos hier in dieses Trapez hineinpassen, das ist meines Erachtens ja die entsprechende Formulierung des gleichen Sachverhalts.

- Da muss man zeigen, dass Dreiecke reinpassen, dass Linien durch die Mitte gehen, da ist man am gleichen Punkt wie vorher auch...

- Wenn ich zeige, dass das hier gerade durchgeht, also durch die Mitte, bin ich, glaube ich, fertig.

- Ja, das muss man dann für jede Linie beweisen.

- Nein, nur für eine.

- Wenn eine durchgeht, ist es doch egal, kannst eine beliebig rausnehmen.

- Ich weiß ja nicht, ob es wirklich ein Sechseck gibt.

- Das will ich doch beweisen.

- Aber ich halte den Beweis nicht für sinnvoll, wir zäumen das Pferd von hinten auf.

- Dann sag 's mal anders.

# Ist das alles?

* Das war zunächst mal alles, ja. Es gibt ja Widerspruch, und ich warte jetzt darauf, dass der sich exakt artikuliert.

# Nein, nein, nur überzeugen.

* Sie hatte ja widersprochen. Sie meint, dass dies kein Beweis sei.

- Beweis schon, nur nicht so herum viel zu kompliziert?

- Also ich habe den Beweis noch nicht geführt, ich habe erst gesagt: Wenn wir zeigen, dass das so seine Richtigkeit hat, dass drei Dreiecke da lückenlos zusammenpassen und -das kann ich noch hinzufügen- dass unten diese Linie, diese beiden Grundlinien des linken und rechten Dreiecks, so zusammenschließen, dass es eine Gerade wird, dass dann der Beweis durchgeführt ist, das habe ich behauptet. Wie der Beweis zu führen ist, das habe ich noch nicht gezeigt, nur das Problem habe ich beschrieben, wie man es machen könnte. Wie man es jetzt praktisch macht, das ist eine andere Sache.

- Ich glaube, da liegt das Problem, ich glaube, so kann man allerhand beweisen, nur, was einleuchtend zu beweisen ist oder zu beweisen geht, darauf kommt es ja an.

# Nicht nur.

* Ja, uns kommt es ja darauf an, zu beweisen, dass es sich so verhält.

# Sie meinen, dass, wenn das eine Gerade gibt an den beiden Dreiecken da unten, Sie haben es angedeutet, wenn das eine Gerade gibt, dann -meinen Sie- brauchen wir nichts mehr zu beweisen.

* Ja.

# Das fehlt aber noch, denn jetzt müsste ja die Sache mit der Sechs herauskommen. Wenn Sie beweisen können, dass das Dreieck da oben so dran ist und unten die Linien...

* Die sind gleich, aus Symmetriegründen, wie man so schön sagt. Das ist also eine Selbstverständlichkeit, von der wir das letzte Mal gesprochen hatten.

# Sie meinen, wenn oben das in Ordnung ist, dann...

* stimmt das unten auch.

# Nur, ist die Frage, ist das das zulässig?

Also falten, Kniff in der Mitte, dass man das kann. Damit sind wir fertig. Wir brauchten also nur noch zu beweisen, dass das da oben drei Dreiecke sind, dass sie gut sitzen. Was heißt das? Gut sitzen, ich habe das eben so gesagt, weiß selbst nicht so genau, was ich damit meine. Wie wäre es denn, wenn sie schlecht sitzen?

* Dann hätte die Gerade durch den Mittelpunkt einen Knick. Aber um den Beweis zu führen, da muss man auch ja mal irgendwann die Winkel einführen. Ist es dann sinnvoller, vom einzelnen Dreieck auszugehen und zu sagen: "Winkelsumme im Dreieck 180 Grad, also bleibt in jedem Winkel 60 Grad und dann 6 mal 60, dann ist es o.k."? Denn irgendwo muss das in dem Beweis ja auch drin vorkommen, oder kann man es ganz ohne machen? ... Weil Winkelsumme im Dreieck ist schon ungeklärt und es bleibt bei mir dann, man müsste erst den Beweis für die Winkelsumme im Dreieck bringen, dann haben wir es.

# Das kann man noch deutlicher sagen. Wir haben gelernt, unsere Beweise so zu führen, dass wir uns auf etwas stützen, das wir gelernt haben, aber nicht verstehen, nicht mehr verstehen, bestenfalls. Dass dies durchsichtig sei. "Was ist gegen solche Beweise überhaupt einzuwenden?" haben Sie damals gesagt. Dass Sie Dinge verwenden, die überflüssig sind, Kenntnisse, auf die es nicht ankommt. Und das ist ja ein Missbrauch, dass man etwas anführt, was mit dieser Sache nichts, überhaupt gar nichts zu tun hat. Und dann weiter... Wir haben das damals (früher in der Schule) nicht in dieser Figur so gemeint, sondern ausgefüllt mit sechs Dreiecken und gesagt: "Die Dreiecke sind offenbar gleichseitig, also auch gleichwinklig, die Summe der Winkel ist zusammen 180 Grad, jeder Winkel hat also 60, also rundherum geht es sechsmal, denn 6 x 60 = 360, und zwar genau." Eine richtig teuflische Verführung. Welches Schulkind merkt den Schwindel? Das ist vollkommen überflüssige Gelehrsamkeit, man setzt Dinge voraus, die...

Nun sagen Sie doch was. Haben Sie alle gefehlt?

* Diese Winkelangaben, die sind überflüssig.

# Also dass man nichts davon weiß, dass der Kreis 360 Grad hat, denn die hat er ja gar nicht, in dem Sinn nicht, dass er sie mitbringt. Er kommt doch nicht damit auf die Welt, wir reden doch nicht davon. Und dann ist noch etwas. Es muss nur benutzt werden, was sie tun. Man zeichnet den Kreis, Schluss. 360 Grad, reine Willkür, man kann auch 400 nehmen, man tut es auch manchmal. Ich fürchte, dass in den Schulen die Einteilung des Kreises so sitzt, so gut sitzt, nun ja, die Antwort: "Wir sind ja froh, dass etwas sitzt!" Also das kann man ihnen ausreden, man kann sagen: "bei anderer Gelegenheit, aber zu dieser hier überflüssig". Was macht man nun, um die Teilung durch Sechs vorzunehmen? Die Gerade biegt man mehrmals herum um das Gewölbe, und warum geht das auf? Angenommen, das gehe auf, dann müsste...

* Ich möchte noch einen Vorschlag machen, wie man vielleicht rangehen könnte.

# Nein, noch nicht, ich möchte gern bei dem bleiben, das Sie gesagt haben. Wenn man zeigen könnte, dass diese Figur stimmt, mit dem Durchmesser, einer Geraden, wenn es stimmt, dass da oben drei reinpassen, und zwar genau drei, wie könnte es denn anders sein? dass es also vier sein könnten, das sieht man, dass es nicht der Fall ist. Es könnte doch so sein, dass es bei den dreien so aussieht, als ob es nur drei wären, in Wirklichkeit klaffen da Sprünge, da wo die beiden aneinanderstoßen, da könnte ein Sprung sein, Zwischenraum. Oder es kann sich überdecken, das Gegenteil. So wird behauptet, dass dies nicht der Fall ist, dann klappen und dann ist man fertig. Aber nun muss man erst mal beweisen, was man zu tun hat.

* Ja, eben nachzuweisen, dass das da unten eine Gerade ergibt, beispielsweise.

# Wenn das eine Gerade ist, dass es dann oben passt. Ja, denken Sie mal nach, leicht ist es nicht. Man kann sich etwas dazu und etwas wegdenken erst einmal.

* Ich kann von den Begrenzungslinien ausgehen, von denen ich ja weiß, welche Länge sie haben müssen. Zum Beispiel von der oberen Begrenzungslinie, also vom oberen Schenkel des Dreiecks. Dann würde ich meine Überlegung auf den unteren Radius, der quer liegt, anwenden. Den kann man ja auch noch verschieben.

# Sie dürfen natürlich nicht benutzen, was Sie schon gelesen haben.

* Ist es nicht sinnvoller, davon auszugehen: Ich nehme jetzt an, dass es
(1) e (2)
* *
2
d c
1 3
* *
(5) a (4) b (3)
eine Gerade ist, und diese Gerade muss zweimal der Radius sein. Dann habe ich erst einmal die beiden äußeren Dreiecke, die zeichne ich dazu. Also das hier (a) ist der Radius und das hier (b) das ist eigentlich klar, das kann man voraussetzen. Oder?

- Ja, sicher.

- Und das (d) muss der Radius sein, weil wir es so konstruiert haben, und hier dieses Dreieck (3) genau so hinzeichnen, dann müsste sich eigentlich logischerweise ergeben, dass der Abstand (e) zwischen diesen beiden Punkten wieder der Radius sein muss, weil, ja, da passt nur der Radius.

- Das hast du so konstruiert.

- Nein, ich konstruiere jetzt von unten her. Ich nehme jetzt an, dass das (a+b) gerade ist.

- Dann musst du noch nachweisen, dass das der Radius ist.

# Hat es jeder verstanden?

* Ja.

- Ja, ich glaube, sie muss dann aber noch nachweisen, dass oben das Stück (e) wirklich der Radius ist.

- Kann man auch.

# Sagten Sie damit mehr, als Sie sagten: "Das ist einfach das mittlere Dreieck"? Ohne das geht es nicht. Wenn einer sagt: "Natürlich, das ist das mittlere Dreieck"... Warum nehmen Sie gerade diese Linie so wichtig?

* Nein, so wie Sie den Beweis führen wollen... es ist eigentlich gar nicht, irgend eine Linie muss ja dann genau reinpassen. Wenn wir versuchen wollen zu beweisen, dass die drei Dreiecke reinpassen, müssen wir eigentlich zeigen, dass es null Überlappungen oder Auseinanderklaffungen gibt.

# Ich kann auch fragen: "Warum denken Sie, dass das mittlere das letzte ist?" * Ja, weil ich davon ausgegangen bin, dass das unten eine Gerade sein soll.

- Ja, sie geht davon aus, dass dieser Durchmesser eine Gerade ist, dass gar kein Knick mehr besteht. Das ist ihre Voraussetzung, und jetzt zeichnet sie einfach das linke Dreieck mit zwei Radien, das rechte auch, und schließt jetzt, dass die Verbindungslinie dieser beiden Spitzen da oben...

# Hofft zu schließen. Also Sie bauen da oben in einer bestimmten Reihenfolge auf, erst die beiden äußeren, dann muss das mittlere passen. Ja, dann kommt es darauf an, dass das da oben...

* der Radius ist.

# Die beiden anderen sind es ja schon. Beweisen Sie es...

Zwei sind da, das dritte soll passen. Dann muss man zeigen, dass es passen muss. Dann hätten Sie es. Schwer.

* Wenn ich dieses Dreieck (1), das ich hier habe, herüberklappe und von dem Punkt (5) zu dem Punkt (2) komme, und das Dreieck (3) klappe ich auch herüber und komme zu dem Punkt (1). Dann muss diese Gerade (e) auf dem Kreis liegen, die Punkte sind ja schon gegeben.

# Würden Sie es mal wiederholen?

* Das Dreieck (1) kann ich ja herüberklappen.

# Um welche Achse?

* Um den Radius (e) schräg nach oben.

# Sie können es auch falten, nicht? Die Mathematiker sagen "spiegeln", spielt ja kene Rolle.

Ich meine, wieso kommt dann der Punkt dahin wo er soll? Also das linke Dreieck (1) klappen Sie rum um die schräge Seite (c) und dann kommt die Spitze von links unten (Punkt 5) in dem geklappten Dreieck (2) nach oben und soll nun da oben (Punkt 2) hinpassen. Aber warum? Ich finde, das wäre eine behauptete...

* Es muss sein, weil der Punkt (2) von dem Punkt (4) gleich weit entfernt sein muss wie der Punkt (5) von dem Punkt (4). Wenn ich also hier (Punkt 4) mit dem Zirkel einsteche, den Punkt (5) abtrage und hier (Punkt 1) einsteche und den Punkt (5) auch abtrage, dann muss der Punkt (2) genau so weit entfernt sein von dem Punkt (4) wie von dem Punkt (1). Also muss diese Strecke (e) genau so lang sein wie der Radius.

# Wer versteht es? Ja, würden Sie es wiederholen? Hat es noch niemand verstanden?

* Doch, doch, aber das stimmt noch nicht. Es stimmt nur, wenn man davon ausgeht, dass hier oben (e), dass das wirklich der Radius ist. Wenn das stimmt, dann ist das richtig. Dann wird das hier tatsächlich gespiegelt. Wenn das aber ein bisschen länger als der Radius ist, dann kriege ich hier eine Verbindung, die nicht rechtwinklig hier (4) draufsteht, oder wenn es ein bisschen kürzer ist, dann kriege ich hier auch eine Verbindungslinie, die nicht rechtwinklig hier draufsteht. Dann wird der Punkt entweder hier- oder dahin geknallt. Wenn ich davon ausgehe, dass das der Radius ist, dann hast du recht.

- Nein, er klappt und sagt, das ist der Radius nach der Konstruktion. Er geht im Grunde davon aus, dass es reinpasst.

- Das wäre doch dumm, wenn man das jetzt... dann würde das jetzt bedeuten, dass wir uns, sagen wir mal, die Konstruktion von hier nach da und da nach da und von hier nach hier, bis hier müssen wir uns kümmern und sagen: "da stimmt es (Dreiecke 1 und 2), was aber hier (Dreieck 3) passiert, das lassen wir dann aus der Betrachtung, hier braucht es nicht mehr zu stimmen." Wir aber beweisen, dass dies (e) wirklich in jedem Fall der Radius ist, das heißt, ich muss davon ausgehen, dass das hier das Endstück meiner Konstruktion ist, wo es nicht mehr stimmen muss. Das muss ich ja nun auch mit in den Blick nehmen.

(Großes Volksgemurmel)

# Erkennen Sie den Widerspruch an?

* Ja, ja.

# Es hängt alles da oben, oben an dieser Seite (e). Übrigens haben alle diese Aufgaben einen Höhepunkt, wo einem etwas einfallen muss. Ich finde auch, wenn eine Klasse einsieht, dass etwas fehlt, und nicht drauf kommt, schon einen Gewinn. Das schon zu sehen, dass einem irgendwo etwas einfallen muss, dann hat man schon etwas verstanden. Aber nicht, solange man statt einem Einfall unnötige Kenntnisse verwendet.

* Ich will etwas wissen von der Länge vom letzten Stück.
*============*
*-----------*===========*
Ich würde vorschlagen, dass man mal von diesem Stück, das man ja kennt, ausgeht. Und gleichzeitig von etwas, das man auch kennt, nämlich dieses Stück kennt man, von dem weiß man, dass es gerade ist, und von dem weiß man auch, dass es gerade ist. Und dann würde ich sagen, transportiert man dieses Stück in irgendeiner Weise hier oben hin. Das würde ja in dem Moment nicht mehr funktionieren, wenn das kürzer wäre (Parallelverschiebung nach oben).

- Ja, hat er das mit dem Klappen nicht gemacht?

- Also ich arbeite jetzt gezielt auf die letzte Strebe hin und versuche diese Länge zu bekommen. Aber um die zu bekommen, muss ich benutzen, dass ich diese Länge und diese Länge hier weiß und dann... dass ich diese hier zu den beiden parallel verschiebe. Und wenn mir das nicht gelingt, dann müsste ich hier schon irgendwann unterschiedliche Längen haben. Das war ja klar.

(Protest)

- Du beweist, dass die zwei parallel sind, dann müssen die...

- Ja, doch, wenn die beiden links und rechts parallel sind... ja, hast du eigentlich...

- Ja, wenn du von der Geraden unten ausgehst und das konstruierst, müssen die beiden parallel sein, verstehst du?

- Wenn du hier die Gerade hast, also den Durchmesser, und dann beides Mal ein Dreieck draufmalst mit dem Radius...

- Wenn dann oben eine Lücke wäre...

- Nein, ich habe ja gesagt, die beiden Dreiecke sind ja zuerst gemacht, die beiden Dreiecke sind ja identisch konstruiert worden, beide sind genau identisch konstruiert worden, dass es eine Gerade gegeben hat, den Durchmesser. Und darauf hat man die beiden Dreiecke gemalt, aber ob oben das kleine Stück parallel zur Grundlinie ist, das musst du dann ja noch... (Volksgemurmel).

- Kann es auch parallel sein, wenn es kürzer ist als der Radius?

- Dann kann es zwar parallel sein...

- Ich glaube, es ist einsichtiger, wenn du erst einmal folgendes überlegst: Diese drei Dreiecke müssen alle gleich groß sein, das ist, glaube ich, einsichtig auf Grund - jedenfalls das (1) muss gleich groß
* *
1 3
* * *
A C B
sein wie dieses (3). Und jetzt könnte man sich ja überlegen, was passiert, wenn man dieses Dreieck hier herüberschiebt auf dieses. Wenn ich das (1) hier rüber schiebe auf dieses (3).

- Welchen Weg legt sie zurück?

- Welchen Weg legt sie zurück, und zwar, wenn ich so schiebe, dass es hier (A-B) eine Gerade gibt?

# War das überzeugend? Nein?

* Doch.

- Wollen Sie es nochmal hören?

- Ich glaube, das haben die verstanden.

# Sagen Sie es doch nochmal.

Jeder sagt es eben anders, das ist gut. In der Schule ist es gut, wenn man immer dasselbe sagt : "Wiederhole mal!".

* Also dieses Dreieck (1) wird nach da (3) geschoben, damit wird der Punkt A nach C und der Punkt (C von Dreieck 3) hierhin (B). Und dieses Stück, um das wir diese beiden Punkte verschieben, ist der Radius. Und wenn wir diesen Punkt (irgendeinen im Dreieck) um den Radius verschieben, legt der Punkt in der Spitze den gleichen Weg zurück. Und wenn der Punkt hier unten als Länge den Radius zurücklegt, muss der hier oben auch den Radius zurücklegen. So habe ich Sie verstanden.

- Ja.

- Das gilt aber nur für die Annahme, dass ich eine gerade Linie...

- dass ich darauf verschiebe, ja.

- Ja, aber jetzt die Schlussfolgerung, wenn ich auf einer Geraden verschiebe, ist das dann da oben lückenlos? In dem Sinn, in dem wir das gefordert haben, nämlich hier den Radius und hier den Radius und alle drei Radien sind vom Mittelpunkt gleich weit entfernt. Wenn das der Fall ist, dann habe ich das ja trotzdem gezeigt.

- Ja, ich habe doch das Dreieck um den Radius verschoben.

- Nein, er hat jetzt den Einwand gemacht: Meine stillschweigende Voraussetzung ist, dass ich hier geradlinig weiterschiebe, ich hätte aber auch hier um die Ecke schieben können, das wäre der allgemeinere Fall. Ich meine, der Beweis ist trotzdem einer, weil bei dem geradlinigen Verschieben gezeigt wird, dass hier drei gleichseitige Dreiecke entstehen, deren Stützen sämtlich auf dem Halbkreisbogen liegen, und zwar lückenlos. Und das ist sozusagen im Nachhinein die Berechtigung dafür, dass ich nicht um die Ecke geschoben habe sondern geradlinig.

# Fertig oder nicht? Die Frage, ob Sie mit lauter erlaubten Handlungen arbeiten. Das ist selbstverständlich, ob man also so eine Verschiebung machen darf.

* Ich setze voraus, dass die Form einer geometrischen Figur bei einer Verschiebung erhalten bleibt, die Form und auch die Abmessung.

# Ja, es geht nichts verloren. Nun streut sich da hinein: "ist es erlaubt?" Salopp gesprochen, dem Ding passiert nix, wenn wir es verschieben. Stimmt das? Wenn mir ein Laden ein Möbel verkauft, jetzt räumlich gesprochen, und Sie befördern das auf dem Auto nach Hause, dann darf ihm ja nichts passieren, vorausgesetzt, dass dem Auto nichts passiert. Form bleibt erhalten. Hier kommt es darauf an, das ist eine Selbstverständlichkeit. Auf dieser Selbstverständlichkeit haben wir hergeleitet, dass es sechsmal geht. Und dass es sechsmal geht, wenn man sich das näher einmal anguckt, das ist keine Selbstverständlichkeit sondern merkwürdig. Das nennt man einen Beweis, das nennt man eine Einsicht, eine Erklärung, eine Durchsicht. Pathetisch gesprochen, von einem Psychologen, ja, der kann das aussagen: Begegnung mit der Wahrheit. So etwas soll eigentlich jeder einmal durchgemacht haben, so wie man eine Krankheit durchmacht. Die macht er nicht durch, wenn er den Satz stützt auf den Winkelsummensatz und der ist ungestützt, also nicht verstanden von früher. Natürlich kann man das auch machen, man macht zwei Stufen, aber das Schlimme ist dann, dass in der Schule soviel Vorratslernen stattfinden wird nach unten, ansammelt, ein Haufen Zeug, das man bloß gelernt hat und nicht eingesehen hat. Und wenn man darauf sich stützt, dann geht der ganze Einsichtsprozess verloren. Das ist, wie wenn Sie eine stützende Säule machen die oben intakt ist und unten rutscht sie weg, dann ist sie natürlich als Ganzes unbrauchbar. War das deutlich, was ich gesagt habe?

* Ja, ich finde, das ist eine Erfahrung, die man macht, das ist eine Erfahrung, die ich hier mache an der Universität, dass eigentlich ich mich auf Sachen stütze, die ich nicht begriffen habe.

# Wir machen genau das Gegenteil von dem, was die Schule macht, oder ist das übertrieben?

* Nein.

# Der Unterschied ist alt, der sitzt schon bei Euklid, der die ganze Mathematik so aufbaut, dass sie so eine Selbstverständlichkeit bietet, und dann alles deduziert, im Gegensatz zu Sokrates, der sagt: "Ihr wisst ja gar nichts, ich stelle eine konkrete Frage, die merkwürdig ist und erkläre es dann, so weit es geht." Ganz umgekehrt. Das Wesentliche ist, dass man zum Schluss nur herausholt, was selbstverständlich ist. Das heißt hier: "Man darf verschieben". Verschieben ist erlaubt, da passiert nichts. Dem entspricht in der Mathematik das Wort Axiom. Von einem solchen Grundsatz muss man doch auch mehr noch erwarten können, anstatt einen einzelnen Beweis erklären zu lassen. Als ob das dazu da wäre, dass man das Sechseck erklärt. Der muss ja doch ein größeres Maß haben, man müsste mit dem Verschieben, mit der Translation, müsste man doch auch andere Merkwürdigkeiten genau so auflösen können. Und das ist auch so. Das verwirrendste Beispiel ist der Pythagoras, den können Sie mit einer einfachen Verschiebung klar machen. Weiß das jemand? Ja, das ist nicht populär. Die Schule beweist ihn am Ende eines langen Kapitels, wozu immer etwas bewiesen wird, das ist klar, und da kommt er dann zum Schluss heraus, als die Krone der Schöpfung. Wobei dann auch die Schüler, wenn sie alt sind, Bierabend haben, immer noch sich freuen, dass sie Pythagoras wissen. Das ist ja auch sehr schön, nur steht er ganz isoliert. Kann ihn jemand mal hinmalen, den fertigen?

* Dieses Dreieck, so... das passt nicht auf die Tafel, das ist meistens so. ...So, das soll es sein.

# Gar nicht so einfach. Ich merke, dass ich ihn von da ausgehend nicht kann. Also andersherum.

* Nein, ich kann es auch nicht.

- Ich könnte aus dem Stegreif jetzt zwei Beweise anführen für den Pythagoras.

# Einer, bei dem nur geschoben wird, nur verschoben. Es ist klar, man kann nicht hier die Quadrate verschieben...

Können Sie nochmal zeichnen? In die Ecke ein großes Quadrat, mit viel Platz drum herum.

(Papendieck zeichnet, geht wieder nicht drauf, fröhlich alberne Stimmung)

* So, da ist jetzt ein kleineres da.

# Das soll das spätere größte Quadrat werden...
Setzen Sie bitte mal das rechtwinklige Dreieck auf die untere Seite da rein, rechtwinklig... ja... das kann man ja machen, ja. An allen vier Seiten könnte man das tun. Einfacher geht es, wenn Sie die rechte Seite ebenfalls etwas anlehnen, ja, da dran...

(An der Tafel wird gezeichnet, bis diese Figur entsteht:)

# Natürlich muss man sich fragen, ob das so geht. Es soll dasselbe Dreieck sein, das unten liegt und rechts eingeklemmt ist. Das kann doch auch einfach Zufall sein.

* Die Grundseite ist gleich und der rechte Winkel ist auch gleich, und dadurch müsste es eigentlich...

# Aber unten, wo sie zusammenstoßen? In der unteren rechten Ecke von dem großen Quadrat, da stoßen die Winkel zusammen von dem liegenden Dreieck und dem hängenden. Die müssen zusammen einen rechten Winkel ergeben, sonst gehts nicht.

* Ja, das heißt, dass diese Winkel dann gleich sein müssen. Das ist Neunzig minus Alpha und das ist Alpha.

- Die zwei Winkel im rechtwinkligen Dreieck, die nicht rechtwinklig sind, die zwei übriggebliebenen, ergeben zusammen doch auch 90 Grad.

- Dann sind wir wieder bei der Winkelsumme im Dreieck.

- Man kann auch sagen: Ein Viertelkreiswinkel und im Quadrat ist ein Innenwinkel auch 90 Grad...

- Das schon, aber dann gehen wir doch wieder von der Winkelsumme im Dreieck aus...

- Ja, das stimmt.

- Aber wir können sagen, die beiden Seiten vom Quadrat stehen senkrecht aufeinander und die beiden Katheten stehen auch senkrecht aufeinander, das würde bedeuten, dass die Winkel gleich sind...

- Hm?...

# Ist das klar? Nein?

* Doch...

(Teilnehmerin geht an die Tafel und skizziert:)
* 1 stehen senkrecht aufeinander, 2 stehen senkrecht aufeinander, damit ist dieser Winkel gleich dem Winkel.

- Stufenwinkel?

- Man kann sich das ganz einfach als ein Lattengerüst vorstellen, das fest vernagelt ist. Ich richte das jetzt auf, dann steht es parallel zu der Seite... Damit kann ich es am leichtesten klar machen.

# Also der Winkelsummensatz wird hier vorausgesetzt?

* Nein, das ist eine reine Anschauung, was ich hier habe.

- Doch, ich meine, das sei selbstverständlich.

# Also wenn wir vom rechten Winkel absehen, dann haben wir noch zwei, einen kleinen und einen großen. Bei dem linken Dreieck ist der große rechts und der kleine links, dann kommt von oben reingestochen das Dreieck nochmal, das sticht in den kleinen Winkel herein. Und der große Winkel und der kleine zusammen geben 90 Grad. Da der größte Winkel auch 90 Grad hat, nach dem Winkelsummensatz. Also stimmt es so, passen so rein. Man kann es aus Holz ausschneiden und sehen, dass es geht, immer. Also das muss man voraussetzen. Sie sagen, wir machen dasselbe wie bei dem anderen Beispiel, wir setzen etwas voraus. Darauf kann ich entgegnen, dass wir den Winkelsummensatz auch beweisen können mit Verschiebung, ganz besonders einfach. Aber jetzt, jetzt kommts, was wir sehen wollen. Wenn Sie das rechte Dreieck nehmen und schieben es durch die Figur durch nach links, bis Sie an die linke Seite kommen und dann die untere Figur nehmen und nach oben hochschieben, bis sie oben aufsitzt, dann haben Sie den Pythagoras.

* Hm.

- Nochmal!

(Zeichnung an der Tafel entsteht.)

* Siehst du es nicht?

- Ganz einfach.

- Wir haben die Dreiecke gerade nach außen versetzt, aus dem Quadrat raus. Das ist die Seite a, also ist das a-Quadrat... und wenn das hier richtig schön gezeichnet wäre, könnte man das hier als c-Quadrat bezeichnen.

- Nein, nein, oben hin!

- Das hier ist c-Quadrat, weil hier nochmal c ist. Das eine Quadrat ist ja jetzt nur an das andere hingeschoben, das braucht man ja nicht.

- Aber es ist die gleiche Fläche, die gleiche Fläche muss es sein.

- Da hast du sowieso nur die Dreiecke nach oben verschoben, da musst du die gleiche Fläche haben wie beim ersten Quadrat, das ist ja wohl klar. - Ja, du hast doch nur zwei Dreiecke?

- Ja.

- Ja, warum willst du das alles nochmal beweisen?

- Ich mache es nochmal im Heft...

# Ja, vielen Dank. Also wenn das Schule wäre, kann man das auch so machen. Man könnte die Aufgabe stellen, nachdem man die Verschiebung hat, dadurch beweisen, auf diese Art, mit Verschiebung. Es geht auch sehr schön, und auch die Winkelsumme im Dreieck ist sehr einfach, man verschiebt nur die Grundseite, fertig.
Ja, ist es deutlich, dass dies eine andere Richtung des Denkens ist? Als dass man bloß anwendet?
Ich habe hier etwas mitgebracht. Man fragt sich manchmal: "Ein berühmter Satz, kann ein Fremder einen Autor besser verstehen als er sich selbst versteht? Kann man einen Schriftsteller, Philosoph oder Mathematiker, den man liest, besser verstehen als er sich selbst versteht? Ist das zu denken?"
Ich habe hier Horst Rumpf, Schulpädagoge. Rumpf kennt mich besser als alle Leute, weil er häufig bei mir hospitiert hat, aber nicht bloß dabei gehockt, sondern mitgemacht hat und er hat alle Voraussetzungen dafür, nämlich in der Schule Mathematik/Physik 2, aber nichts verstanden. Und hat im zweiten Teil seiner Tätigkeit einfach die Fragen gestellt, die den Studenten verwirrend waren, auf die man nicht mehr kam, weil man zuviel wusste. Er hat also genau verstanden.
Es gibt einen Satz von Lichtenberg, ausnahmsweise ein unklarer Satz, vielleicht verstehen Sie diesen Satz, ich verstehe ihn nicht. Es ist eine Kuriosität, dass Lichtenberg auch unklar sein kann. Lichtenberg schreibt: "Es ist ganz gut, viel zu lesen, wenn nur nicht unser Gefühl darüber stumpf würde und über der großen Begierde, immer ohne eigene Untersuchung mehr zu wissen, endlich in uns der Prüfungsgeist erstürbe." Haben Sie verstanden?
Man könnte sagen: "Es ist ganz gut, zu belehren, sich belehren zu lassen, wenn darüber nur nicht die Fähigkeit erstürbe, auf eigene Verantwortung einen Gedanken zu fassen, Durststrecken und Umwege durchzustehen, Geduld mit dem eigenen dumpfen, leeren Kopf zu haben, auf den Blick, und den Blick auf den großen, wissenden Lehrer zu verzichten."
Dann sagt Rumpf weiter: "Wenn ich recht sehe, stirbt diese Fähigkeit in allen Einrichtungen, die auf zügige Belehrung setzen, recht schnell ab."
Der bleibende Einwand: "Die Zeit haben wir nicht. In Schulen geht das sowieso nicht, weil wir im Pensum vorankommen müssen."
Dagegen sagt Rumpf: Es geht aber nicht um Totalumwälzungen, es geht um Spurenelemente. Die können schon das Schulleben verändern, dass es nicht nur Hürdenlauf und Stufenlernen, sondern dass es wirkliche Nachdenklichkeit ermöglicht, etwa dadurch, dass die Umgangssprache nicht sofort durch die Fachsprache verdrängt wird, dadurch, dass persönliche Phantasien einen Inhalt mit privaten Darstellungen ausfüllen.
Also Redewendungen von den persönlichen Dingen, dass die nicht als unwissenschaftlich, unkorrekt vorgehalten werden, dass jeder sagen darf, was er wirklich denkt, ohne Furcht vor Blamage oder vor Hetzgesten des ungeduldigen Lehrers.
Dass das hier und jetzt anscheinend Nachdenkenswerte ernst genommen wird.
Dass also niemand dazu getrieben wird, in seinem Gedächtnis zu suchen, um längst bereitliegende Instrumente zum Knacken der Nuss heranzuholen, dass die Gegenwart nicht der Anwendung von Speicherwissen der Vergangenheit aufgegeben wird. Das macht sie nämlich so langweilig.
Dass das Interesse des Lehrers sich viel mehr auf die Lebendigkeit und Eigenart des Nachdenkens der Beteiligten richtet als darauf, was richtig und was falsch ist.
Der Lehrer schubst nicht in die richtige Richtung, er hört nur zu und ist nur daran interessiert, dass verstanden wird, was gesagt wird und dass mit Gründen diskutiert wird.
Man braucht das nur auszusprechen, um wahrzunehmen, wie stark wir technomorphe (also technikartige) Lernvorstellungen im Kopf haben.
Galilei's Dialoge haben durchweg den Atem, der Durststrecken ausstehen lässt. Uns ist die Idee der technischen Erleichterung und Beschleunigung des Vorankommens eingefleischt, dass wir uns über dem zügigen, plausiblen, das Kapieren ermöglichenden Vorankommen zu vergessen neigen, was wir über der didaktischen Erleichterung und Beschleunigung vielleicht verlieren. Könnte das nicht vorkommen, viele Jahre ein Fach gelehrt zu bekommen und kein einziges Mal in wirkliches Nachdenken versunken zu sein?
Kommt das vor? Behaupte, es kommt vor.

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