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16. Juni 1986

Themen: Exemplarisches Lehren, Luftdruck I

# Martin Wagenschein
* Seminarteilnehmer
- weitere Seminarteilnehmer in derselben Runde
() redaktionelle Kommentare

Anwesend ist Herr Dr. Claus mit drei Studenten.

# Haben Sie darüber gesprochen, was ich mache?

* Ich habe einiges erzählt, aber mehr erzählt, nicht systematisch.

# Ja, ja, das hier ist auch nicht systematisch, es sind nur ein paar Gesichtspunkte, die sozusagen schützen vor Missverständnissen, bevor ich dann an das Beispiel komme. Die Hauptsache ist das Beispiel, das ich mache. Also, Sie werden bald merken, dass das, was mich interessiert, ich lese das jetzt gerade ab, naturwissenschaftliche Allgemeinbildung ist, in Übereinstimmung mit Wittenberg. Kennen Sie Wittenberg? Wittenberg, "Bildung und Mathematik"? Ein dickes Buch. Wittenberg war ein richtiger Mathematiker, wir haben zusammen gearbeitet, und er ist leider sehr jung, mit neununddreißig, gestorben. Also Allgemeinbildung, das heißt: Ich interessiere mich nicht für die verfrühte Einreihung in eine Fachausbildung, die wir haben. Ich meine eine Fachausbildung für alle.
Sie können mich jederzeit unterbrechen.
(Zu Dr. Claus:) Vielleicht sagen Sie, worauf man noch eingehen müsste.
Ist das klar?
Ich habe also nichts gegen Übung, ich habe auch nichts gegen Information, es sei denn, man glaubt, eine Information bedeute auch Verständnis. Im Gegenteil, würde ich sagen. Eine Information muss auch sein und man kann auf Verständnis verzichten, falls das Verständnis in anderen Zusammenhängen betont ist. Und auf dieses kommt es mir an. Ich habe da ein Zitat von Max Planck, der sagt: "Ein einziger mathematischer Satz, der verstanden ist, bedeutet mehr als zehn mathematische Sätze, die sowohl gekonnt als auch richtig angewandt werden können." Denn mit dem einzigen mathematischen Satz kann man das lernen, was mit dem Können und Anwendenkönnen allein nicht erreicht ist, nämlich Verständnis. Also er weiß, was jeder ehrliche Lehrer also insgeheim weiß, dass das, was wir vorwiegend machen müssen aus dem Druck der Lehrpläne, die also kaum alleine von Lehrern gemacht werden, auch gar nicht von Pädagogen. Er behauptet also damit: Eine Sache zu wissen, prüfbar zu wissen, und auch vorschriftsmäßig, wie er sagt, anwenden zu können, genügt nicht, denn damit ist Verständnis nicht garantiert. Finden Sie das auch? Meinen Sie, das ist schon einmal vorgekommen? Was verlangt die Schule? Vorwiegend?

* Das Anwenden irgendwelcher Rechenmethoden.

# Ja, bedeutet kein Verständnis, ist ja Automatismus. Mathematik hat doch mit Denkautomaten viel zu tun, sind ja auch äußerst nützlich. Aber wenn es nur das ist, dann ist es nicht Mathematik. Der Fall liegt ja auch so, wenn Sie ein Auto benutzen, ohne es zu verstehen. Das geht durchaus. Oder einen Fernseher. Ich bin auch gar nicht gegen so etwas, das muss es ja geben. Aber wenn man von Wissenschaft spricht, von Wissenschaftlichkeit im Unterricht, dann ist das ja zu wenig, wenn es auch zuviel ist, quantitativ zu viel, qualitativ zu wenig. Darauf kommt es mir an, ich meine nämlich ein totales Verständnis, durch jeden Einzelnen, nicht durch eine Klasse als Ganzes, wo man nur mit zehn Prozent sich verständigen kann. Und das ist nur im Gespräch möglich. Das völlige Verstehen, man muss ja fordern, dass jeder es versteht. Es ist kein Zufall, dass Galilei seine Bücher nicht in einem Dozierstil geschrieben hat sondern im Gespräch von drei Leuten. Denn er hat ja gemerkt, dass er auf einen enormen Widerstand stoßen wird. Und nur im Gespräch sich einige Anhänger gefunden haben, keineswegs die Öffentlichkeit. Das ist einfach eine Erfahrung. Dazu lässt die Tradition der Schule und uns Lehrern keine Zeit. Und zwar handelt es sich darum, um ein bestimmtes Thema, was nach Freudenthal so definiert wird: Nicht Anwendung eines Vorrats von Kenntnissen und damit irgendwelche vom Lehrer gesetzten, vielleicht ganz interessanten Rätsel zu lösen, sondern gar nichts zu wissen, gar nichts vorauszusetzen, weil das meistens gar nicht verstanden ist, was man so hat. Sondern er sagt: Es handelt sich um die Wiederentdeckung einer Wissenschaft, einer ganzen Wissenschaft überhaupt, was da passiert. Wiederentdeckung einer Wissenschaft, und fügt vorsichtig hinzu: unter Führung. Die Gruppe, die er sich vorstellt, entdeckt diese Wissenschaft. Dazu kann, was Freudenthal meint, hier in völliger Übereinstimmung mit Wittenberg, dazu kann ein einzelnes Problem genügen. Also nicht genügen, aber schon einen Verständnisblock liefern. Das kann man nicht verstehen, was ich eben gesagt habe, das ist Gerede, das weiß ich, wenn man nicht an Beispielen merkt, was gemeint ist. Das läuft völlig gegen den Strich der staatlichen Schulen, die ja immer so arbeiten müssen, dass sie einen Vorrat von Kenntnissen unten in den ersten Jahren liefern, die dann später angewandt werden müssen. Und es zeigt sich dann, nach meiner mehrere Jahrzehnte dauernden Schulerfahrung, dass später, wenn diese Sätze, sagen wir mal die Winkelsumme im Dreieck, gebraucht werden, dass er sie dann, wie man so sagt, er hat sie gehabt, er kann sie auch sagen, er kann sie auch anwenden, aber nicht verstanden hat. Das heißt, wenn man ihn fragt: "Wieso denn?" dann weiß er es nicht. Dieser unangenehme Zustand kommt daher, dass wir, wenn ich mich nicht irre, ich rede aber aus Erfahrung, dass wir in die Oberstufe des Gymnasiums immer das Allerneueste, das, was inzwischen passiert ist, hineinstopfen. Und dass dadurch eine Pressung nach den unteren Jahrgängen kommt, und dass die Vorräte, die man da oben braucht, und zwar nur, wenn man Abitur macht, dass die Vorräte flüchtig gelernt werden. Flüchtig heißt unverstanden. Ich habe in meiner Erfahrung immer, es war immer so, nehmen wir mal an, ich habe eine Prima und da kommt der Strahlensatz vor, und dann fragen Sie: "Sie wissen doch, Sie wissen doch...?" - "Nö, ham wir mal gehabt..." Was bleibt einem anders übrig als den Strahlensatz ganz, so schnell wie möglich, und sehr stark vereinfacht, was auch gar nicht schwer ist, zu bringen, nachher.
Nachzuliefern. Also daher kommt das, durch diese Sucht, das Neueste nicht nur in der Wissenschaft zu lehren, sondern auch schon in den Schulen, eine Art Aufrüstung aller Fächer.
Ganz ähnlich wie die Aufrüstungsschwierigkeiten der Großmächte. Man muss Lehrplanbesprechungen miterlebt haben, wo alle versichern, sie wollten natürlich abrüsten, aber wenn sie dann das Abgerüstete erzählen, dann treffen sie erst in der Summe der ganzen Fächer viel zu viel und auch finden sie den Widerstand ihrer Fachgenossen. Von der Seite der Hochschullehrer gibt es da nicht die genügende Unterstützung, die Hochschullehrer haben ja keine Beziehung zur Pädagogik, denn sie haben ein Fach. Ein Fach hat Wände, und man ist froh, wenn man die Wände überstiegen hat und meint, man müsste nun nochmal höher steigen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, als ich mit meinem Studium fertig war, da war die Spitze die Relativitätstheorie und die Quantentheorie von Planck. Und das Bohrsche Atommodell. Das hat uns außerordentlich interessiert. Und wenn wir nun in die Schule kamen, sagten wir: "Um Gottes Willen, das ist doch das, was wir in der Schule machen müssen." Weil wir zufällig glaubten, verstanden zu haben. Nur, es war eine Täuschung, eine gewaltige Täuschung, Selbsttäuschung. Aber wenn man so als Lehrer ausgebildet wird, dass man alles dies sozusagen lernt, dann hat man völlig vergessen, was die Hauptforderung an den Lehrer ist, nämlich zu wissen, wie es in einem aussieht, der das alles noch nicht weiß, die ganze Geschichte nicht weiß, sich in den Unwissenden zu versetzen.
Deswegen mache ich folgendes: Ich suche ein Problem -es gibt genug- ein Problem, das nichts voraussetzt, und wenn man den Teilnehmern sagt: "Sie wissen das schon, aber Sie können das ruhig vergessen", dann fällt das denen meistens gar nicht so schwer. Nun ist ja nicht gemeint, dass man es total vernichten soll im Gedächtnis, sondern es ist gemeint, dass man es total beiseite schiebt, das kann man ja, absieht davon. Solche Probleme haben, wenn man sie so nennt, machen sie den Eindruck, sie sind immer leicht. Sie sind viel schwerer als das vorschriftsmäßige Anwenden eines gelernten Satzes. Die verlangen nämlich, dass man nachempfindet, und nicht nur nachempfindet, sondern unter einem Minimum von Führung Gedanken vollzieht, die in der Vergangenheit die besten Köpfe Europas interessiert haben, als Probleme. Was wir bisher gemacht haben, eigentlich nur das eine, das ist nun kein klassisches Problem, das ist nicht so, dass das so ausgesprochen den Anfang der Mathematik bedeutet hat. Aber die ganze Mathematik könnte da so entstanden sein. Mit anderen Worten übrigens: Das heißt nicht unbedingt historisch vorgehen, sondern so vorgehen, wie es entstanden sein könnte, nach dem, was man historisch schreibt. Wenn ich Ihnen das kurz erzählen darf, den Neuen, den Gästen... Das Problem war das: Wenn man einen Kreis zeichnet und dann den Radius in den Zirkel nimmt und ihn da so herum stelzen lässt, Sie wissen wahrscheinlich auch, was dann passiert?

* Kriegt man ein Sechseck.

# Ja, es sieht so aus, nicht? Sind Sie sicher? Genau sechs? Wenn es nur 5,9 wäre? Wir haben uns sehr ausführlich darüber unterhalten, auch am Anfang schon bemerkt, wenn man gar nichts weiß, auch nicht das, was wir schon wussten, dann erwartet man doch, dass der Zirkel hier anfängt und hier einen Punkt setzt und dann einmal den Radius als Sehne und dann zweimal, Punkt, dreimal, Punkt, Punkt, Punkt, Punkt. Und dann ist doch zu erwarten, dass der ganze Kreis in sagen wir einmal hundert Umläufen vollkommen gespickt ist von Einstichen.
Falls das aber mal bei sechs, ausgerechnet, aufhören soll, ist das allerdings merkwürdig. Das ist die erste Bedingung, dass man etwas auffällig findet, nicht ganz versteht und fragt: "Ist das denn Zufall? Oder ist das immer, merkwürdigerweise? Muss das so sein?" Müssen, an dieser Stelle, ist sehr merkwürdig. Damit meint man, es hätte einen Grund. Und zwar einen festen Grund. Und wenn man das auf diesen Grund zurückführt, als Basis, als Fundament, dass es da drauf steht, dann ist es ja, wie man sagt, bewiesen. Dann ist es sicher. Ich will das nicht wiederholen, wir haben ein paar Stunden dazu gebraucht. Jedenfalls erhebt sich die Frage, erstens -sie erhebt sich bei allen diesen Beispielen- : "Worin liegt das Erstaunliche?"
Wissenschaft entsteht immer, Physik sicher, Mathematik wohl auch, entsteht immer dadurch, dass etwas ist, das man nicht versteht, aber verstehen möchte. Also durch Verwunderung, Staunen, Beunruhigung, wie man ist, es kommt darauf an. Und das Beunruhigende hier ist, dass es gerade sechsmal gehen soll, angeblich. Man verhält sich also kritisch. Und wenn man nicht diese Kritik mitempfindet, hat man zu früh diesen Kurs gewählt, in dem das vorkommt.
Man kann zwar ganz jung sein, man braucht kein Abitur zu haben, oder braucht irgend etwas über Mathematik zu wissen, diese Verwunderung kann schon da sein und kann auf jeder Altersstufe befriedigt werden.
Zweite Frage: "Hat die Frage überhaupt einen Sinn?" Denn wie soll man das denn feststellen?
Selbst wenn der Zirkel eine ganz spitze Spitze hat, ist sie ja doch nicht punktförmig. Die Kinder sagen dann: "Bei mir stimmt's, ich hab meinen Bleistift so gut gespitzt," und dann gibt man ihm eine Lupe, und dann merkt er etwas. Gelehrt gesprochen: Empirisch kann dieses Problem natürlich nicht und nie gelöst werden. Und wenn man das nicht weiß, hat die ganze Mathematik keinen Sinn. Und das kann man an diesem Beispiel verstehen. Platon, ich zitiere ihn dem Sinne nach, einen Satz, einen wunderbaren Satz, ich habe ihn ziemlich spät gefunden, ich glaube, er steht bei Wittenberg: "Die Figuren, die wir in den Sand malen und an denen wir herumdenken, das sind nicht die, die wir meinen. Wir meinen ideale Figuren, die diesen materiellen Figuren nur ähnlich aussehen." Daher kommt dann der sonst noch niemals aufgetretene Gedanke, dass wir von Geraden sprechen, die keine Breite haben, von Linien sprechen ohne Breite und von einem Schnittpunkt solcher Linien, das heißt von Punkten, die überhaupt keine Ausdehnung haben, also absolut paradoxe Behauptungen. Wenn man das nicht weiß, und das kann man an diesem Beispiel schon merken, dann haben solche Lehrsätze gar keinen Sinn, dass sie genau wären. Wieso denn sechsmal? Niemals 6 mal, niemals kann man nachweisen, dass es nicht 5,999 mal geht und das genau.
Also damit entsteht schon eine wesentliche mathematische Einsicht, dass man an diese idealen mathematischen Figuren denken muss.
Ich bin erstaunt gewesen, wie schnell vielleicht Dreizehn- Vierzehnjährige, ohne dass man so redet, wie ich jetzt geredet habe, das begreifen, was man da so denkt. Man findet auch Kritiker, in den höheren Klassen, die sagen: "Was ist das für ein Schwindel, dass er gar nicht von wirklichen Figuren redet, sondern von ausgedachten!" Dem kann man nur so entgegnen, dass man sagt. "Aber sicher, Sie haben recht, es sind ausgedachte Figuren." Und wie man so reagiert, ist sehr interessant, und sagt: "Die ganze Mathematik ist Schwindel. Nur merkwürdig, dass sie so ausgedehnt ist, so viele Liebhaber hat, so viele leidenschaftlich Forschende, so viele Anwendungen. Anwendungen, denken Sie auch Sachen, die materiell sind, ohne dass die Wissenschaft selbst, die Mathematik, materiell ist." Das sind Hauptfragen der Mathematik, auf die es ankommt.
Dazu brauchen wir den ganzen Kram nicht, den wir in der höheren Schule schnell durchnehmen, sondern Beispiele, in denen das aktuell wird. Das wäre so eins.
Und dann ist eben die Frage: "Kann man das verstehen? Wenn man weiß, dass es ideale Figuren sind?" Nun können Sie sich sicher vorstellen, ohne dass ich ein Bild mache, man zeichnet natürlich einen Kreis rum, das verstehen wir, der ist nicht genau, gar nicht nötig, Figuren im Sand. Und zeichne diese Figur, die dann irgendwo herum kreuzt und die dann irgendwie, bei sechs ungefähr, ankommt. Jeder, der in der Schule war, wird sofort die Radien zeichnen, sechs Stück, und wird fragen: "Was wollen Sie denn, das ist doch sehr leicht zu beweisen, dass das sechsmal geht! In der Zeichnung ist es zwar ungenau, aber man weiß doch, dass die Summe der Winkel im Dreieck 180 Grad ist. Das sind doch offenbar, können Sie sich vorstellen, das sind doch offenbar gleichseitige Dreiecke, oben die Sehne und dann die beiden Radien. Und gleichseitige Dreiecke sind solche, die gleiche Winkel haben, und wenn die Summe der Winkel, wie Sie wissen, wie Sie eben selbst zitiert haben, 180 Grad geben, dann sind die eben 60 Grad und rundum gibt das 6 mal 60. Ist das dann nicht genau?" wird der sagen. Nicht?
Durch einen Satz, den man nicht verstanden hat, in diesem Fall dem Satz von der Winkelsumme. Wenn man den nicht verstanden hat, sondern bloß weiß, dann kann man da auch nicht hoffen, sich auf ihn stützen zu können. Außerdem ist der ganze Beweis nichts wert, was hat denn das mit 60 Grad, überhaupt mit Grad und 360 Grad zu tun? Das braucht man doch gar nicht zu wissen. Es ist ja keine Eigenschaft des Kreises, es ist eine historisch passierte Einteilung. Und dann ist die Aufgabe, kann man das wirklich so beweisen, dass man sich nur stützt auf das, was man gemacht hat? Das will ich Ihnen nicht erzählen, das ist der eigentliche Inhalt dieses Kurses, dieses Thema. Man braucht sich nur zu stützen darauf, dass, man kann sich, wenn man bis zum Grunde verstehen will, bis untenhin, also bis auf ein wirkliches Fundament, dass man überzeugt ist, dass man eine Figur in der Ebene verschieben kann, ohne dass ihr etwas passiert. Dass ihre Form nicht verändert wird. Das ist für einen normalen Menschen zunächst selbstverständlich, das heißt, gelehrt gesprochen, das kann man als ein Axiom bezeichnen. Dann geht es, man kann nachweisen, das kann ich Ihnen nicht erzählen, das dauert zu lang, dass dies zugrunde liegt, und dann ist es wirklich selbstverständlich geworden.
Das heißt, allgemein gesprochen, einen Satz verstehen heißt ihn herauszubekommen, ich sage nicht wissen, ihn herausbekommen und dann wissen, dass er nichts anderes ist als ein selbstverständlicher Satz. Dazwischen liegt ein gewisser Weg. Man kann auch so sagen: wenn ich die Parallelverschiebung als selbstverständlich ansehe, kann ich dieses 6x60 absolut anerkennen, denn was rätselhaft ist und sich stützt auf etwas, das selbstverständlich ist, logisch stützt, dann ist es auch selbstverständlich. Dann ist es bewiesen. Wenn ich es aber stütze, wie es in der Schule meistens passiert, auf einen Satz, den man gelernt hat, aber nicht mehr versteht, dann stützen Sie eine Stahlkonstruktion auf eine Holzwollmatratze. Das ist kein Verstehen. Dahinter steckt nur, wenn man mal früher sozusagen verifiziert hat, dass man das mal verstanden hatte. Dann spielt das für das spätere, wirkliche Verstehen keine Rolle mehr.
Es muss in einem Zug verstanden werden können, bis unten hin und zurück. Sonst haben Sie einen Turm, der ein Stockwerk hat und eine Basis, die nicht trägt. In einem Gleichnis gesprochen: Das Ganze klingt dann nicht, wenn Sie dranklopfen. Da ist eine faule Stelle drin.
Auch das, glaube ich, ist nicht ganz verständlich ohne Beispiel. Leute wie Wittenberg oder der Psychologe Wertheimer sagen, dass nur dann, wenn man das Ganze so hat, selbst kapiert hat -nicht kapiert, das Wort ist schlecht- selbst verstanden hat, dass es einem einen gewissen Ruck gibt, nur dann hat er das erlebt, was die beiden bezeichnen als "die Begegnung mit der Wahrheit". Dass ein Satz wirklich wahr ist, das muss jeder einmal erlebt haben. Das gilt nicht nur für Mathematik, das gilt auch für andere Fächer.
Dazu gehört ein Lehrer, der sein Wissen zurückhält, das heißt, der zwar führt, aber dadurch führt, dass er möglichst wenig führt, wirklich minimal. Dann kommt es auch vor, dass ein solcher Entdeckungsweg eine Stelle hat, das kommt eigentlich meistens vor, wo die Gruppe, die da arbeitet, nicht darüber weg kommt. Da liegt offenbar dann eine Inspiration vor, ein Einfall, den einer gehabt hat, als diese Sache Wahrheit wurde. Der Lehrer muss einer sein - nach einem Satz von einem Literaten, dessen Namen ich vergessen habe, ich habe ihn von Rumpf bekommen, diesen Satz, der sagt für einen Deutschlehrer das Entsprechende- wenn ein Lehrer mit einer Klasse, sagen wir, ein Drama von Shakespeare behandelt, dann ist die Voraussetzung dafür, dass er es sieht oder hört oder liest wie beim ersten Mal. Und das ist überhaupt die fundamentale Tugend eines Lehrers, ungeachtet seiner Kenntnisse, die er haben muss. Die muss er, trotz seiner Kenntnisse, er muss die Kenntnisse löschen können und muss es fertigbringen, bei so einem Problem, wie zum Beispiel die Sache mit dem Sechseck da, so zu sehen, als wüsste er nichts.

* Aber ist das denn gut? Ist das nicht ein Bild von einem unwissenden Lehrer?

# Nein, ich sagte ja, das, was er weiß, muss er nur zur Seite stellen, nicht unwissend sein.
Obwohl, die Mathematikerin, die Tanja Afanassjewa, die Frau des Physikers Ehrenfeld, die ich gut gekannt habe, die hat mir mal in einem Brief geschrieben: "Ich bin überzeugt, das beste Thema einer Schulstunde ist das, worüber der Lehrer noch niemals nachgedacht hat".
Ich habe in einem Buch einmal geschrieben, oder die kühne Behauptung aufgestellt, dass es am besten ist, dass man nicht vorbereitet ist. Dies hat ein Zürcher Freund, der Stettler, der hat jetzt in der Zeitschrift 'Gymnasium helveticum' einen Aufsatz erscheinen lassen, der ist noch nicht da, er kommt mit der kühnen Überschrift: "Voraussetzung ist - man ist nicht vorbereitet."
Diese Voraussetzung muss man schaffen, obwohl man weiß. Das ist ziemlich schwierig, aber manche können es. Also Leute wie Einstein konnten das, alle Leute, die mit Grundlagen zu tun haben, mit der Grundlagenarbeit. So, nun betrachten Sie das alles als Gerede.

* Ich glaub, ich weiß jetzt, was du meinst (zu dem vorigen Einwurf). Der Lehrer kann in schlechten Geruch kommen, wenn er ein Dummkopf ist. Aber wenn ich mein Wissen auf die Seite schiebe und wirklich auf das eingehen kann, was mir ein Schüler jetzt sagt, und ich dem ganz ehrlich entgegnen kann: "Du, darüber habe ich nie nachgedacht", was ja stimmt, wenn ich auf seine private Idee eingehe, dann steige ich irgendwie in der Achtung von den Schülern, weil ich auch nicht nur denke, sondern womöglich ehrlich sage: "Du, das versteh ich jetzt wirklich nicht".

# Das wäre aber ein günstiger Fall.

* Ja, ich steh dann aber nicht als der Blöde da, denn sie wissen ja, wenn ich will, kann ich ein Buch holen, und ich versteh das Buch, wo es drin steht.

# Meinten Sie das?

* Ja, ich meinte das. Aber Sie sagten ja auch, der Lehrer soll auch informieren.

# Ja, natürlich.

* Aber ob diese Informationen, die es irgendwann einmal gibt, nicht als falsch vielleicht betrachtet werden, weil er ja auch da, in dem anderen Punkte, das Wissen nicht hatte?

# Was ich vorschlage ist: Scharf zu trennen, das Verstehen im Unterricht und das Informieren im Unterricht. Also wenn er informiert, dann informiert er und gesteht das auch zu. Dann kann ich den Schülern sagen: "Was ich jetzt mache, ist Pfusch. Ihr wisst ja aus unseren anderen Lehrgängen, bei denen nur verstanden wird,, was das Verstehen ist. Hier begnüge ich mich damit, euch Wege und Ergebnisse zu erzählen." Dann ist das ganz sauber. Sprechen Sie von dem Ansehen des Lehrers?

* Ja.

# Ich kann das nicht bestätigen. Die Schüler sind durchaus fähig zu unterscheiden, ob einer ein Gebiet hat oder Gelegenheiten hat, wo er zeigt, dass er etwas kann. Ja, eigentlich auch eine Anekdote: Ich habe einen früheren Schüler gesprochen, schon lange her. Und da redet man doch so, und da denkt man, der erzählt auch ein bisschen, welchen Eindruck man hinterlassen hat. Man darf das natürlich nicht fragen, man guckt ihn nur so an, und dann sagt er: "ach ja, eins haben wir nie vergessen..." - "Na," sage ich, war ja auch gespannt, erwartungsvoll, da sagt er: "... wir haben Sie mal gefragt, es war eine astronomische Frage, und da haben Sie gesagt, `das weiß ich nicht, da müssen Sie zum Kollegen Soundso gehen, der weiß da sehr viel.'" - Ich sagte: "na und?" - "Ja, das ist uns in der ganzen Schulpraxis niemals vorgekommen, dass einer das gesagt hat." Ist das nicht toll? Stimmt das, ist das immer noch so? Kühlschränke sind wir, Kühlschränke für Wissensanhäufung. Die Eltern glauben ja auch, dass der Lehrer einer ist, der alles weiß, weiter nix. Und das zählt dann auch. - Nein, das kann ich nicht bestätigen. Natürlich, wenn einer ein Ignorant ist und sein eigenes Fach nicht versteht, das kann er auch nicht verbergen. Hat auch keinen Zweck.

* Aber ich darf doch auch als Lehrer sagen, dass ich die Ergebnisse zwar weiß, dass ich aber den Weg, wie man hinkommt, auch nicht weiß.

# Genau.

* Und dann, dann nehmen sie mich schon mit auf und ich darf in ihren Gedanken mitgehen.

# Ja. Und zur Ergänzung mache ich dann einen Kurs, bei dem man sieht, wie man zu einem Ergebnis kommt, mit allen Schwierigkeiten. Das können dann ganz einfache Fragen sein wie die da, und dann merken sie es schon. Würden Sie zustimmen?

* Ja.

# Haben Sie noch mehr Fragen, ehe ich zum Beispiel komme? Das Beispiel ist viel wichtiger.

* Sie sprachen vorhin vom Anwenden. Damit ist wohl gemeint, dass man ein Kapitelchen durchnimmt und das dann unmittelbar anwendet. Aber das Wort Anwendung hat ja heute auch in dem Mathematikunterricht noch eine andere Bedeutung. Ich nehme ein Beispiel: Wachstumsprozesse, Bevölkerung, dass man das mathematisiert, auch ein Anliegen von Freudenthal, und ich glaube, das ist eine andere Art von Anwendungen als dieses plumpe Durchnehmen von Pensen und dann anwenden. Neues Pensum und genau das wird angewendet.

# Herr Papendieck, was hat er gesagt? Ich hab einiges kapiert, aber nicht viel. (Das ist ein wunderbares Amt, auch für Schüler.)

* Ja, der Begriff der Anwendung hat in der Mathematik zwei Seiten, einmal die Anwendung eines Sachverhalts, den man gerade neu gelernt hat, der wird sozusagen per Anwendung geübt und eingeschliffen. Das Andere, dass man anwendungsorientiert Mathematik treibt, indem man beispielsweise Naturprozesse, wie Wachstumsprozesse, versucht mathematisch zu beschreiben.

- Ist das so?

- Genau, ja.

# Ach so, das ist ja zweierlei. Ich spreche nur von dem ersten. Haben Sie noch...? Ich hoffe, Sie haben noch... Wenn man so arbeitet, hofft man nämlich nicht darauf, dass die Schüler mit dem Kopf nicken, sondern dass sie widersprechen. Und das ist natürlich ehrlich gemeint. Man darf sogar den Widerspruch herausfordern, man darf sogar nach Sokrates in die Irre führen, wie Sokrates sagt: Man darf seine Schüler in die Irre führen, ob sie es merken? Das ist nicht höhnisch gemeint, das wissen sie sogar. Ja, wenn Sie nicht weiter fragen...

* Doch, wenn wir beim Allgemeinen sind, da hab ich hier einen Satz, da wollte ich Sie mal fragen, ob Sie dazu etwas sagen können:
"Das exemplarische Lehren ist also notwendig wissenschaftstheoretisch, psychologisch und genetisch, ja anthropologisch gestimmt." (Naturphänomene sehen und verstehen, Seite 216, 3. Absatz) Ob Sie da etwas dazu sagen können.

# Und, was sagen Sie?

* Das ist eigentlich die einzige Erklärung, die ich in dem ganzen Buch gefunden habe für das exemplarische Lehren.

# Ja.

* Und danach kommen dann einige Beispiele, aber diesen Satz selbst finde ich schwer verständlich.

# Ja, das stimmt. Gebe ich zu. Das kommt auch hinten nach, nach dem Beispiel. Es ist anzunehmen, dass man solche Beispiele kennt und dann diesen Satz. Es kommen ja auch Fremdworte drin vor, nicht wahr, Wissenschaftstheorie, was das ist, was Anthropologie ist, so würde ich niemals anfangen mit einem solchen Satz da. Das ist klar. Haben Sie das gelesen?

* Ja, teilweise.

# Ja, Beispiel. Ich darf Sie bitten, da hinten in die Ecke sich zu konzentrieren, wir brauchen die Wasserleitung. - Nein, Sie müssen persönlich kommen.
(Ins Becken wird Wasser reinlaufen gelassen, zwei Becher sind vorhanden.)
Im besten Fall wird das nicht vom Lehrer demonstriert, lassen Sie die selber drauf kommen.
Ich habe das in der Schweiz mit Lehrern getan. Ich habe sie gebeten, mal zu spülen, so zu tun als ob sie spülen. Mit einiger Verlegenheit haben sie sich drum herumgerungen. Dann habe ich sie gefragt, ob irgend etwas aufgefallen ist. Da sagt einer: "Ja, das macht immer so blupp, blupp!" Auch merkwürdig, dass das wirklich ist. Und andere fielen dann ein. Also wenn ich das Glas untertauche und rausziehe (umgekehrt), was fällt Ihnen auf? ...

* ... das Wasser bleibt drin. Das hebt man mit hoch...

# Ja, wieso ist das mehr? Sie sollen's sagen, und jeder in der Klasse muss das machen.

* Ja, man spürt, dass eine Kraft nach unten wirkt.

# Ja. Das ist schon physikalisch gesprochen.

* Das Wasser ist schwerer als Luft.

# Also eine Voraussetzung: Physikalisch reden ist vorläufig verboten. Das muss sich von selbst als notwendig erweisen. * Nee, vorher war Luft in dem Glas und jetzt ist Wasser drin. Wasser ist schwerer. Wenn ich's anders rum drehen würde, wäre es vielleicht genau so schwer.

# Ja, wir haben ja gesagt, dass Wasser drin bleibt. Oder haben Sie mehr gesagt? Also es bleibt drin. Ist das alles?

* Ich hab das früher in der Badewanne immer gemacht.

- Nur früher?

- Jetzt habe ich keine Badewanne mehr.
(Lange Pause)

# Ja, reden müssen Sie natürlich. Bedingung: Jeder sagt, was er denkt. Es gibt dafür keine Noten. Jeder wird respektiert, als Person, nicht als Nummer.

* Ich fand es immer faszinierend, dass man das Wasser über die Wasseroberfläche hinaus heben kann, ohne dass unten ein Boden drauf ist. Dass man das Wasser so rauszieht aus der Wasseroberfläche.
# Es ist doch nicht bloß, dass das Wasser drin bleibt. Sondern noch was. Es ist auch schon angedeutet worden.
* Ja, dass es schwerer ist.
# Was ist schwerer?
* Der Becher.
# Als? Schwerer als?
* Wenn Luft drin ist.
# Ja, ja.

* Er ist auch leichter, als wenn ich ihn hier habe.

# Wie?

* Wenn ich den Becher oberhalb der Wasseroberfläche habe, dann ist der Becher schwerer als wenn ich ihn hier unten habe (unter der Wasseroberfläche) und beide Male ist das Gleiche drin.

# Was sagen die anderen?
Es dauert eine Weile, bis man eine Klasse soweit hat, miteinander zu reden. Mit Unbekannten kann man das nicht machen. Sie sprechen also nicht mit mir, Sie sprechen miteinander, ich guck nur zu. Jeder sagt, was er denkt, man kann sich nicht blamieren. Geduld muss man dann haben. Auch nicht üblich in der Schule. Wenn die Pause etwas zu lang wird, fangen die Kinder an, unruhig zu werden. Das sind sie nicht gewöhnt. Aber man kann sie gewöhnen, aber nur, wenn man im ersten Schuljahr anfängt. Was meinen Sie, was Neunjährige dazu sagen würden? Die würden gar nicht aufhören zu reden.
Zweitens? Sie haben es ja schon gesagt, aber noch nicht so ganz deutlich. Ich würde eigentlich zwei Sachen sehen. Ich habe natürlich gar nicht das Recht, von Ihnen eine bestimmte Auskunft zu verlangen. Ich würde sagen: Erstens: Das Merkwürdige ist, dass das Wasser drin bleibt, und das zweite Merkwürdige ist, dass ich es offenbar tragen muss, dass ich einen Widerstand spüre. Und warum ist das merkwürdig, dass das Wasser drinbleibt? Es erscheint als Widerspruch. Was hatten Sie erwartet? Auch wenn Sie nicht schon zehn Jahre Barkeeper gewesen sind, dann ist Ihnen das alles vollkommen klar.

* Gewöhnung.

- Ja, dass das Wasser nach unten rausfließt.

# Warum tut's das nicht? Könnte es doch. Wieso das kommt. Also mich wundert das immer wieder.
Und dann muss man es zweitens, wie es scheint, mitheben. Und wenn Sie Schulkenntnisse benutzen, können Sie noch etwas fragen. Hydrostatik...

* Wenn das Wasser unten rausginge, müsste ja oben etwas anderes rein. Es kann ja nichts anderes reingehen, weil da überall Wasser ist.

# Warum muss denn da oben etwas rein?

* Ja, sonst wäre ja da ein Vakuum.

# Haben Sie etwas gegen das Vakuum? (Gelächter.) Warum lachen Sie denn?

* Kinder kennen kein Vakuum.

# Ja, diesen Namen.

* Für die ist das einfach nichts. "Wenn vorher nichts drin ist, ist halt, wenn das Wasser rausfließt, auch wieder nichts drin, ganz einfach", werden die sagen.

# Ja, die könnten doch sagen: "Das könnte rauslaufen und dann wäre oben nichts mehr drin."

* Warum sollte es denn rauslaufen? Sie hat gesagt, wenn es herausläuft, dann kann höchstens Wasser herein, denn Luft kann nicht herein. Dann gibt es die Möglichkeit, dass das herausläuft und nichts hereinkommt. Aber warum soll es herauslaufen?

- Der Platz wird gebraucht.

# Ja, weil es schwer ist.

* Ja, aber wenn man es jetzt zum Beispiel in der Luft hält und der Boden wäre ab, dann würde alles unten rauslaufen.

# Was folgt denn daraus, dass es raus will? Es könnte doch auch als Erinnerung da drin bleiben. Wie könnte man es machen? Wie könnten Sie die Antwort erhoffen? Und zwar von Abiturienten, weniger von solchen, die kein Abitur haben...
Wie kommen Sie auf das Wort Vakuum? Sie denken gar nicht schlecht. Warum soll es denn nicht so sein, dass das Vakuum nicht entstehen darf? Ich frag Sie: "Warum denn nicht?" Sie können sich viel darauf einbilden, dass man diesen Satz -Vakuum ist unmöglich- dass man den über Jahrhunderte lang geglaubt hat. Pascal hat ein Buch geschrieben über das Vakuum.
Die einen meinen, es kann ja nicht sein, irgendwie philosophisch begründet, ich weiß nicht wie. Und hier gelten ja nur Tatsachen, es handelt sich ja um Physik. Also muss man es auch physikalisch erklären können.
Sie haben also mit Recht keine Erinnerung. Wir geben zu, dass das Rätsel, also wenn man wissenschaftlich denkt, dass man dann Interesse hat, es herauszukriegen. Was tut man? Also wenn Sie in der Schule, da haben Sie ein... Hydrostatik, das wird da systematisch gemacht, sehr bald mit dem Begriff des Druckes kleingekriegt; es ist ein schwieriger Begriff, das kann man durch eine Schein-Pädagogik, durch eine Schein-Didaktik, indem man die Schwierigkeiten übergeht und gleich die Lösung liefert. Lehrmittel werden sofort zur Verfügung gestellt. In diesem Fall, um den Druck zu erwischen, kriegen Sie eine kleine Schachtel, eine Keksschachtel. Auf der einen Seite ist eine Membran, die er eindrückt, und das Innere dieser Keksschachtel, die ist also leer, hat ein Manometer. Und wenn Sie diese Schachtel, diese Gummimembran, ins Wasser tauchen, dann drückt das Wasser dagegen, die Luft da drin wird zusammengepresst, das Manometer steigt, ist alles klar, kann man alles machen... und so was und so was. Das ist... Zwangsernährung. Der Ausdruck ist nicht von mir, sondern von einem Lehrer. Es gibt einen Sonderschullehrer in Bayern, der einen Prozess gegen den Staat führt. Der heißt Balzmann. Der wünscht, dass sein Sohn nicht in die öffentliche Schule kommt. Er sagt, das ist eine wissenschaftliche Zwangsernährung, also so, wie man mit Gefangenen und Kranken verkehrt, dass man ihnen löffelweise etwas einflößt. Gar nicht so schlecht. Er hat ein dickes Manuskript abgeliefert beim pädagogischen Kongress. Ganz klar, dass er abgewiesen wird.
Also diese Manometerwand ist Zwangsernährung. Aber dem Lehrer ist kein Vorwurf zu machen, denn er wird hier gezwungen, mit einem unglaublichen Stoff fertig zu werden. Ja, was macht man also, man hat das vor sich? Man fängt an zu denken. Nun sagen Sie: "Denken Sie mal!" Sagt man doch, es wird gesagt. Wenn Sie einen Neunjährigen hätten und würden das zeigen, der würde um das Ding herumgehen, würde sich wundern, rauf und runter, gluck-gluck machen und so... Und dann würde er sagen: "Man müsste mal... " Und dann kommt's. Was macht man, wenn man vor einem Problem steht und offenkundig alles was man braucht, hat. So etwas kommt in der Schule kaum vor, es sei, wenn ein Haufen eingemachte Kenntnisse, so Eingemachtes, nicht, auf einem Brett stehen, an der Wand. Dass man dann nachdenkt, wenn man diese Kenntnisse durchläuft: "Hast du das schon mal gehabt, was hier angewandt werden kann?" So entsteht keine Wissenschaft, so entsteht Schule.
Wenn man die Lösung kennt, weiß man natürlich, was man tut. Aber es kommt nur drauf an, was die Teilnehmer selbst draus machen.

* Ja, ich würde vielleicht versuchen, das Experiment leicht abzuändern. Zum Beispiel, indem man hier ein Loch reinbohrt (in den Boden).

- Wie kommst du auf die Idee?

- Es gibt viele Ideen, man könnte auch den Wasserspiegel absenken.

# Das Wichtigste an dem, was Sie gesagt haben, ist: Man muss etwas ändern. Nur dann, wenn man etwas ändert, etwas variiert, kann man wieder vorne anfangen. Wenn ich einen Wasserfleck an der Decke habe in der Schule, dann werde ich das doch nicht anstarren. Dann werde ich doch alle Bedingungen in Betracht ziehen und raufgehen. Und wenn da oben kein Wasser ist, werden Sie vielleicht etwas anderes tun, aber auf jeden Fall etwas machen.
Also das ist ein Vorschlag, das mit dem Loch hier oben, das kann man machen. Sie müssen nichts sagen, aber es kann sein, dass Sie wissen, wie Sie auf das gekommen sind, wenn Sie aber durch Schulkenntnisse draufgekommen sind, dann wollen Sie das bitte auf die Seite schieben.

* Schwer zu sagen, ob das an den Schulkenntnissen liegt.

# Es ist auch schwer zu sagen. Aber mir sind lieber, Sie sagen Kenntnisse, auf die Sie gekommen sind, auf den Verdacht (Gelächter). Ich glaube, Sie haben gesagt, man kann vielerlei Ideen haben, bringen Sie noch einen Vorschlag, einfacher, noch naheliegender die Frage stellen. Sie gehen ein bisschen weit weg. Was ist denn schuld, was kann den schuld sein? Wer ist denn schuld? Beim Unfall, beim Straßenunfall? Das Denken ist Physik, kausal, was wir machen, wir fragen: "was ist die Ursache?" Ja, da muss doch etwas sein? Was kann da beteiligt sein? Das Wasser? Das Glas? Und da ist das Wasser im Glas. Und sonst ist nichts beteiligt. Wo könnte die Ursache sein? Anders gefragt: "Wer oder was trägt denn das Wasser?" Wenn ich nun den Becher halte, dann halte ich auch seltsamerweise das Wasser mit. Ist sehr komisch. Kinder sagen auch: "Das Wasser pappt da oben an der Decke." Jetzt kommt's drauf an, dass man das... ist doch nur ein Gedanke: Wasser pappt hier oben. Oder sie sagen einfach: "Das saugt." Nun ja. Was heißt saugen? Kann man sagen: "Nun saug mal, wie wird das gemacht?" Ich hab mal einen auf einen Stuhl gesetzt und ihm einen Stab gegeben, so ein Rohr, dann haben wir gesagt: "Wie machst du denn das?" - Sagt der: "Ich weiß nicht, ich sauge einfach." Dann kann man die anderen fragen, zieht man alle zusammen: "Was macht der, wenn er selbst nichts weiß?" Da kam also die Antwort: "Der zieht die Backen ein." - Ja, wie macht man das? Wir haben ihn auch halb ausgezogen, bis hierhin (zum Gürtel), was man sonst noch sieht. Und da zeigte sich, dass hier diese Gegend auseinander geht. Na, muss man den Biologielehrer hören, was der weiß. Der sagt: "Da ist das Zwerchfell, und das wird beim Atmen nach unten geschoben." Mehr weiß er auch nicht zu sagen. Schön, davon weiß man noch nichts. Wenn's auch nicht mehr weiter geht mit dem Saugen, dann kann man ja fragen: "Kennt ihr schon so etwas Ähnliches?" Und dann werden sie sagen: "Ich kann das Wasser auch da rein kriegen, ohne es schon von Anfang drin zu haben. Ich setze das Glas hier drauf, bohre ein Loch hier oben rein und sauge hier oben." Wie gesagt, das Wasser klettert hoch. Das ist natürlich etwas, ein und dasselbe, aber das Tolle ist, dass man nicht weiß, was Saugen ist. Was macht man da?

* Ja, man bohrt das Loch da rein und drückt den Becher ins Wasser. Dann beschäftigt man sich mal damit, was oben an diesem Loch passiert. (Papendieck)

# Auch wieder ein Hintergedanke. Wir hatten vorhin gemeint, dass man seine Kenntnisse beiseite stellen muss, das mit man merkt, dass da eine .... Sache gelernt wird. Das ist ja nicht falsch. Aber es handelt sich ja nicht darum, dass man sagt, was man gelernt hat, sondern es handelt sich darum... überhaupt nicht handelt es sich darum, dass man weiß, was man gelernt hat. Die Schule tut so, die fragt ab.

* Ich seh das nicht ganz so. Er hatte vorhin vorgeschlagen, da oben ein Loch reinzubohren, egal, warum. Ja gut, man muss etwas verändern. Machen wir das mal so, beziehungsweise jeder weiß, wenn das Glas hier oben gehalten wird, dass, wenn hier ein Loch drin ist, dann läuft das Wasser raus. Jetzt ist die Frage: "Was passiert, wenn man da oben ein Loch reinmacht, wenn man das Glas wieder öffnet?" Das wäre eine Idee, die man ausführen könnte, und dann kann man schon mal untersuchen und wird feststellen, dass das Wasser dann rausläuft, wenn da oben ein Loch drin ist. Wenn das Glas hier... dann wird man es gar nicht hochziehen können, vermute ich. Das funktioniert jedenfalls nicht, wenn das Glas oben offen ist. Und die Frage ist, warum? (Papendieck)

- Wenn's oben offen ist, sagt aber nix darüber aus, wie's unten ist...

- Ja, das wollen wir ja zeigen.

- Genau...

# Das haben Sie alle nicht gesehen, was tut denn das Wasser nun?

* Bei mir ist es drin geblieben.

# Ist drin geblieben? Hatte das Ganze also keinen Zweck?

* Bei mir hat es keinen Zweck gehabt.

- Wir haben gemeint, das wäre nützlich.

* Naja, wir haben uns nicht auf das Loch eingelassen, das ist das Problem.

# Haben Sie das Loch mit dem Finger zugehalten?

* Nein, ich habe das so gemacht, wie wir das gesagt haben. Es war oben ein Loch, es war aber unten noch zu bei mir.

# Machen Sie's doch nochmal.
Ist ja kein Loch drin. Also keine Ahnung, was das soll.

* Man kann ja zunächst mal den allgemeinen Satz aussprechen, dass ein Glas, das auf einer Seite geschlossen ist, Wasser hält, gleichgültig, in welcher Richtung man es hält, so oder so. Dass das Wasser erst dann ausläuft, wenn das Glas an beiden Seiten offen ist. - Nee, da gibts aber gewisse Unterschiede! Wenn ich das so voll mache (Glas mit Öffnung nach oben), dann kann ich es auseinander (aus dem Wasser heraus) rausheben, und das Wasser ist immer noch drin. Und wenn ich das so mache (Öffnung nach unten), dann brauche ich es nur rauszuheben und es wird wieder leer. Das ist schon ein Unterschied.

# Wollen Sie das ohne Versuch machen? Vielleicht hat man das einmal gemacht. Wenn das oben ein Loch hat, und Sie machen das Experiment nochmal, was kann man dann da sehen? Sie machen das Loch recht groß, machen oben den ganzen Boden ab. Was passiert? Also stellen Sie sich vor, wenn das so alleine ist und oben der Deckel, was passiert, wenn Sie das hochheben? Nämlich? Geht das Wasser mit?

* Nee.

# Nein? Wie gesagt, man muss alles machen, alles machen.

* Ja, jetzt gibts noch ein Gerät, das damit zusammenhängt, das die Chemiker haben, die Pipette.
Das ist also ein Röhrchen und damit kann ich dasselbe machen, und dann aber rausheben.
Und das Glas kann ich mit dem Wasser ja nicht rausheben, aber bei der Pipette, die oben verschlossen ist... bleibt das Wasser ja ganz drin.

# Sie stellen ein neues Rätsel, hier bleibt es ja nicht drin. Blubb, blubb, und da war's nicht mehr drin. Ich würde sagen, erst mal das hier. Verschiedene Sachen müssten in der Schule bereitliegen und die Kinder müssten spielen können mit den Dingen.
Ja, wenn Sie keinen Einfall haben, erzähle ich Ihnen einen, der ist aber nicht von mir. Ich habe das mit Schweizer Lehrern gemacht, und da sagte einer: "Vielleicht liegt das daran, dass das Wasser draußen Kraft hat. Das ist doch viel mehr als das bisschen hier drin. Ja, das hat eben die Übermacht und lässt das bisschen Wasser nicht raus." Gut gesagt. Darauf folgt eine Pause, lang. Dann sagte jemand: "Dann müsste man mal" (wenn das stimmt, so denkt man) "eine Anordnung treffen, bei der das nicht so sein kann, wie er meint." Zum Beispiel?

* Wasser ablassen.

# Ja, weniger nehmen.
(Aus dem Waschbecken wird Wasser ablaufen gelassen)

# Das geht ja nun schnell, was Sie da machen. Da müsste man mal einen Suppenteller nehmen.
(Das Glas mit Wasser wird unter Wasser auf einen Aschenbecher gestellt und diese Anordnung dann auf den Rand des Waschbeckens gestellt)

* Nicht zittern!

- Das Wasser bleibt drin.

# Das kann man nun steigern und man nimmt eine Tüte. Denken Sie mal, eine ganz gewöhnliche Tüte. Dann bleibt das Wasser doch drin. Aber wenn man unterscheidet, das Innenwasser und das Außenwasser, dann kann es das Außenwasser nicht sein. Dann staunt man erst richtig.
Das ist aber doch nicht so mit Hydrostatik so ohne weiteres zu machen.
Wir sagten vorhin doch, man kann variieren. Man kann doch vieles noch variieren.

* Man könnte den Rest vom Wasser dann außen rum noch absaugen.
(In der Zwischenzeit holt Herr Papendieck das Glas Wasser mit einem Karton drunter raus, es geht so gerade).

# Was kann man variieren? Man kann zum Beispiel mal einen größeren Becher nehmen, zum Beispiel mal einen Eimer nehmen, was dann passiert, wenn draußen auch soviel wie im Teller drin ist. Dann wird es erst interessant. Ahnen Sie, was passiert? Es geht auch. Das bisschen Suppenwasser scheint hier das ganze schwere Wasser (in der Schüssel) in dem Eimer... das Wasser bleibt drin, kaum rauszuheben. Und wenn Sie es mit Gewalt tun, gib's einen richtigen Schwall und dann ist's vorbei. Das ist die erste Variation. Was sagt die? Dass es nicht auf die Wassermenge ankommt.

* Ja, man könnte aber mal das Wasser außen rum ganz wegnehmen.

# Dann läuft's aus. Interessanterweise gibt es doch einen Trockenversuch. Der kommt meistens, wenn die Kinder so etwas mit einem Kunststückchen gelernt haben. Sie können das machen, wenn Sie... hat jemand eine Postkarte?

* Ich hab hier etwas (Antrag für einen Personalausweis).

# Das ist sehr bekannt. Auf das kommt man nicht ganz ohne Vorkenntnisse. (Versuch wird nochmals durchgeführt).

* So, jetzt steht's wirklich auf dieser Postkarte. Ich muss es ein bisschen festhalten, es hält wirklich. Zauberei?

# Ja, was sagen Sie dazu?

* Der Karton ist ein bisschen zu wenig steif.

# Kann man sagen, es ist überhaupt kein Außenwasser nötig? Das Papier ist immerhin nass gewesen. Dann ist es abgefallen, schließlich. Aber wenn Sie das ein bisschen üben, werden Sie erreichen, dass es nicht abfällt. Nass ist es schon, da ist eine bestimmte Absicht dahinter.
Aber mit dem Außendruck hat das nichts zu tun.
Aber wenn es das nicht ist, was ist es dann?

* Also Außendruck des Wassers?

- Ja.

# Fällt nicht jemand noch etwas ein, außer dem Wasser? Das Wasser ist erledigt.

* Die Luft, bleibt noch die Luft übrig.

# Luft? Was soll denn die Luft machen?

* Die Luft ist ja außen rum um den Becher, wenn er im Wasser ist.

# Ja und? Dann müsste doch die Luft eigentlich draufdrücken wenn das Wasser drin das Wasser trägt.

* Nee, aber wir können doch davon ausgehen, wenn das Wasser nicht in dem Becher ist, dann ist, ich gehe davon aus, dass ich das weiß, dann ist Luft drin in dem Becher. Und irgendwie muss die Luft ja reinkommen.

# Ach, Sie meinen, Luft will zu Luft?

* Nee, aber die Luft kann ja in den Becher wollen.

- Und sie kann nicht, weil Wasser drin ist, sie drückt aber, sie will.

# Da war ja der beste Weg am Rand und da ist ja ein bisschen Wasser, das stimmt. Das dichtet aber nicht ganz stark ab.
Die Luft ist doch passiv, die tut doch gar nichts. Gucken Sie sich doch mal um, die Luft füllt das Zimmer aus, stehende Luft. Außerdem müsste sie doch dann oben auf Ihr Haupt drücken. Jetzt kommt in Ihren Köpfen das Wort Luftdruck, wenn ich nicht irre. Den haben Sie mal gehabt, aber der ist, wie gesagt, weg, sonst könnten Sie mir ja sagen, was das ist. Sie brauchen sich nicht zu genieren, alle wissen das nicht. Wieso soll die Luft denn überhaupt drücken?

* Ich sag nicht, dass die Luft drückt, auch mit dem Luftdruck hab ich nix am Hut. Ich meine, die Luft ist zwar passiv, aber trotzdem ist die Luft ja überall, überall, wo nicht irgend etwas anderes ist. Und deswegen kann es ja schon sein, dass die... meinen, dass die Luft da in sie rein will.
# Sie meinen, Luft will zu Luft? Das ist nicht gerade physikalisch, aber erscheint mir durchaus einleuchtend. Sie können ein Gesetz einführen, dass die verschiedenen Zustände eine Art Wettkampf miteinander führen. Ja, es ist kompliziert, es geht einfacher. Das heißt, wenn man schon etwas weiß. Da die Schule solche Fragen befürchtet, hat sie vorher eben diese schönen kleinen Messapparätchen, mit denen man jedes Nachdenken von vornherein erstickt. Das ist dann ein Lehrmittel. Die Lehrmittelindustrie hat viel Schuld, das heißt, sie kann nichts dafür, was man bei ihr bestellt. Sie macht Apparaturen, bei denen man sofort das Denken abgenommen bekommt oder schon fertig hat. Wo man die Geschichte schon erzählt bekommen hat und dann damit nachprüft.

* Also zu dieser Wettkampftheorie, das gefällt mir nicht. Und zwar aus dem Grund, wenn das so wäre, dass also die Luft im Widerstreit mit anderen Gegenständen ist, dann müsste die ja auch das Wasser in einem aufrecht stehenden Glas zu verdrängen suchen, hinauszuwerfen.
Warum nur, wenn es auf dem Kopf steht? Und das Verwunderliche ist, dass etwas, das wir normalerweise auf Grund der Alltagserfahrung erwarten, also dass etwas herunter fällt, nicht herunter fällt. Das ist das Erstaunliche an der Sache.

# Ja, davon sprechen wir ja.

* Irgend etwas muss doch dieses Wasser im Glas festhalten.

# Ja, das hatten, wie gesagt, im sechzehnten Jahrhundert Leute wie Descartes und Pascal und auch Galilei beschäftigt. Das war nicht einfach. Aber wie soll man jetzt auf den Gedanken kommen? Dann würde es gar nichts schaden, wenn die Stunde zu Ende ist. Vielleicht denkt man zu Hause nach. Und es gibt auch keinen Plan, den ich in der nächsten Stunde erfülle. Nur die Geschichte, die ich entwickelt habe, eine ganz einfache Geschichte.
Leute wie Pascal und Descartes waren ganz hervorragende Denker. Ich kenne die Auffassung, noch vor fünfzig Jahren fanden manche Gymnasiallehrer: "Das waren halt primitive Leute, die konnten noch nicht, was wir können. Und ein paar so Leute, so alte Kerle wie Aristoteles, was der für dummes Zeug schwätzt!" Also diesen Unsinn auszutreiben, diese Arroganz, das ist sehr wichtig.
Die Geschichte wird auch nicht einfach so erzählt, sondern gebremst erzählt, also mit Widerständen, die damals bestanden haben. Es gibt ja Briefe aus der Zeit. Ich würde dann auch, wenn man mal so weit ist, die Personen, die da auftreten, Pascal etwa, durchaus nicht bloß so erwähnen, sondern ich würde ihnen etwas über Pascal sagen, gründlich, nicht bloß so eine Figur, im Buch, Kleingedrucktes, Huyghens mit einer Perücke. Da wird so ein kleiner Bub nur denken: "Guck an, auch unter Perücken kann man gut denken."
(Zu den Gästen gewandt:) Aber wenn wir das machen wollen, dann müssen Sie das nächste Mal wiederkommen.
(Inzwischen ist es 13.10 Uhr geworden)
Wenn Sie wollen, können Sie auch hierbleiben.
Der nächste Schritt ist, dass man erst mal sieht, wie diese Leute erstmals diese Tatsachen beschrieben haben. Ich würde auch von den Schülern erwarten: "Schreibt das doch mal auf, was da los war." Das können sie zuhause machen, vergleichen miteinander, dann werden sie gute Sachen finden. Dann würde ich ihnen sagen: "Jetzt lese ich euch noch den Pascal vor, von dem ich euch erzählt habe, von dem, was er aufgeschrieben hat."

* Wo findet man das denn, diesen Text?

# Ja, in Pascals Werken hab ich das gefunden, (Werk wird angegeben)
Ja, wenn Französisch noch üblich wäre, dann könnte man es die Kinder übersetzen lassen:
"Wenn man eine Flasche voll von Wasser tränken würde und umgekehrt, die Öffnung nach unten, in eine Flüssigkeit steckt, voll Wasser, dann bleibt das Wasser der Flasche aufgehängt ohne zu fallen."
Und dann habe ich noch einen Vergleich, Sie finden ihn bei Guericke, alles Zufallsfunde. Guericke schreibt: "Wenn ein Glasgefäß unter Wasser taucht"... nein, Verzeihung, das ist nur bei Guericke zitiert, es hat ein unbekannter Pater Zucchius geschrieben, gestorben 1617, später also. Ich weiß nicht, ob der Pascal gekannt hat. "Wenn man ein Glasgefäß unter Wasser taucht, anfüllt, darauf innerhalb des Wassers umdreht, so dass das offene Ende nach unten gerichtet ist, und es nun herauszuziehen versucht, dann wird man sehen, dass das in demselben befindliche Wasser zugleich mit dem Glas in die Höhe gehoben wird." Da werde ich sie fragen: "Welches ist besser?" Was finden Sie, was besser ist? Das kann man natürlich nicht so schnell sagen.

* Das Zweite.

# Ja, das finde ich auch. Obwohl das erste der berühmte Pascal ist und der andere ein Unbekannter.

* Obwohl mir der Begriff "aufgehängt" gut gefällt.

# Aufgehängt, suspendu, suspendiert. Komisch, nicht? Man denkt an Zahlen.

* Ja, ich weiß nicht, das gibt auch zum Nachdenken Anlass. Sie haben vorhin gesagt, dass es zwei Sachen gibt, die verwunderlich sind, einmal, dass das Wasser im Glas bleibt und zweitens, dass ich es selbst mit hoch nehme, so als sei es im Glas angeklebt. Normalerweise ist ja Wasser beweglich und fließt runter. Nun kann ich es aber rausziehen, so, als sei das im Glas fest an den Wänden anhaftend. Und das finde ich schon bemerkenswert, und dieses aufgehängt, das scheint mir...

# Der Zucchius ist auch insofern besser, also Pascal sagt nur: "Es bleibt drin, ohne zu fallen." Zucchius sagt, wenn man anhebt, dass das Wasser zugleich mit dem Glas in die Höhe gehoben wird. Das ist wirklich besser. Das dauert lange, schön lange dauert das. Ja, hier ist dann... nein, es geht nicht so schnell, es geht nicht, Sie müssen schon wiederkommen. Ich suche Publikum, meins bleibt weg. Und Sie können sich denken, es dauert lang, und dass es recht abenteuerlich weitergeht. Und dass man eine Erklärung findet, die gar nicht in dem bisschen Wasser da steckt, sondern, wenn man ein bisschen phantastisch sich ausdrückt, die ganze Welt umspannt, dann ist das schon ein lohnendes Thema, das weiß heute jeder, kommt in der Schule vor. Jeder Physiker weiß es natürlich.
* Ja, wie würde der Versuch ablaufen, wenn man das in einem Vakuum machen würde?
# Ja, ja, instrumental damals noch nicht möglich. Aber wenn ich eins noch sagen darf: Sie haben gesagt, das Vakuum, das erscheint verboten. Wie sehr das verboten erscheint, können Sie durch einen ganz glanzvollen Versuch machen. Sie nehmen einen alten Kanister, aus dem das Öl draußen ist, wo man aber noch eine Schraube zumachen kann. Diesen Kanister setzen Sie auf Feuer, ein bisschen Wasser drin. Dieses Wasser verkocht, Dampf geht raus, nimmt die Luft mit. Schließlich ist das ganze Ding voll von heißem Dampf, nicht? Dann müssen Sie schnell handeln. Dann müssen Sie fast gleichzeitig erst... Haben Sie es mal gesehen? Da ist das Vakuum so mächtig, kann man sagen, dass, die Verhinderung des Vakuums ist ein solches Naturgesetz, der Kanister, aus dickem Blech gemacht, zusammengeknäult wird wie ein Taschentuch unter furchtbarem Klirren und Knirschen, Knurren, Knallen. Und dann ist er ein armes Häufchen Blech, ganz klein. Sie sehen, das Vakuum will verhindern, dass es existiert. Infolgedessen müssen die Wände aneinanderkommen. Das tun sie auch, bis zum Pressen. Wenn Sie es mit Glas machen, wird's auch schön, nur gefährlicher. Implosion also. So können wir also sehr gut das Verbot des Vakuums vertreten, das kann man in der Schule auch so machen. Man kann darauf eingehen, den Vorschlag "verbotenes Vakuum" kann man sogar unterstützen, kann in die Irre führen.
Dann bleibt das auch noch zu erklären: "Wer ist schuld?" Eben das Vakuum. Und schon damals hat man gesagt: "Wie kann ein Ding, das nicht ist, ein Vakuum ist ja da, wo nichts ist, kann doch nichts tun?"
Ja, ich muss aufhören. Danke.
* Wir danken.


30.6.86
() Das Protokoll wird vorgetragen:
* Der Becher und das Wasser. Das Experiment war: Ein Becher wird in ein mit Wasser gefülltes Becken gelegt. Er wird mit Wasser gefüllt und dann langsam, mit der Öffnung nach unten, aus dem Waschbecken gezogen. Die Beobachtung war: Das Wasser bleibt im Becher, solange bis der Becher über die Oberfläche kommt. Die Frage war: Warum? Das Wasser müsste eigentlich aus dem Becher fließen. Aber es bleibt ohne weiteres in dem Gefäß. Dies versetzte die Seminargruppe nicht in Staunen, denn sie ahnte das Ergebnis. Den Versuch hieß es unphysikalisch zu begreifen, indem wir einige Voraussetzungen änderten. Zum Beispiel sollte ein Loch auf den Boden des Bechers gemacht werden. Wir erhofften uns dadurch eine Veränderung. Dieses Experiment spielten wir nur theoretisch durch. In der Schule ist es besser, so etwas auch auszuprobieren und auf die Ideen der Schüler nicht nur theoretisch einzugehen.
Aber warum bleibt dann das Wasser im Gefäß? Ist es vielleicht von der Größe der Öffnung abhängig? Wie wäre es bei einem dünnen Röhrchen? Was hätte das Wasser eigentlich für Gründe, aus dem Becher zu entfliehen? Was könnte denn außer Wasser in dem Becher sein?
Es gibt drei Möglichkeiten: Luft, Wasser oder ein Vakuum. Luft kann es nicht sein, denn die Becheröffnung ist vollkommen vom Wasser umgeben. Warum sollte "nichts" im Glas sein?
Warum sollte das Wasser Platz machen für "nichts"? Ich kann doch nur Platz machen für jemanden, der dahin will, wo ich mich gerade befinde. Deshalb braucht das Wasser auch nicht wegzugehen. Und dies war für mich eine plausible Erklärung, dass das Wasser im Gefäß bleibt, bis dass die Unterseite des Bechers die Oberseite des Wassers überschreitet. Als Abschluß hat Herr Wagenschein noch einen Text von Pascal zu diesem Thema vorgelesen.
Und diesen Text wollten wir dann in der nächsten Stunde weiter bearbeiten.
# Würden Sie bitte mal (Aufforderung an eine andere Seminarteilnehmerin) vorlesen, was ich in Ihrem Protokoll angestrichen habe, es schließt sich unmittelbar an.
* Anfangs ist es uns schwer gefallen, überhaupt ein Erstaunen über diese Phänomene wahrzunehmen. Wie bei unseren vorigen Versuchen ist uns nicht nur der Vorgang vertraut, auch unsere naturwissenschaftlichen Vorkenntnisse, zum Beispiel über das Verbot des Vakuums, erschweren uns, nochmal ganz von vorne, also ohne Vorkennntnisse an dieses Phänomen heranzugehen und uns wirklich zu wundern, Fragen zu stellen, wie denn das erklärt werden könne.
Es ist schon schwer, so ratlos dazustehen und sich richtig dumm vorzukommen. In der Schule war das leichter, da wurden die Fragen gestellt auf die es ganz sichere Antworten gab. Und wenn keiner etwas wusste, der Lehrer wusste es bestimmt. Aber jetzt sollen wir plötzlich erst die Fragen erfinden und dazu auch noch Fragen, auf die wir als angehende Lehrer so plötzlich selbst keine Antwort wissen. Das ist schon eine erstaunliche Erfahrung. # Fanden Sie das auch, dass das schwer ist? Sie haben es gehört? Halten Sie das auch für schwer? Also man könnte doch folgenden Einwand machen: Wenn ich das empfehle, wie ich es ja dauernd und oft mache, das sei alles viel zu leicht, weil das doch alles längst erledigt sei, das seien doch furchtbar einfache Sachen, die bereits im siebzehnten Jahrhundert klar wurden, die brauchen wir doch nicht nochmal zu entdecken. Und gar nichts quantitatives, keine Formeln und so weiter. Und jetzt sagt sie, das sei schwer.
* Also mir ist das schwer gefallen. Ich bin da von mir ausgegangen.
# Natürlich. Meine Frage ist, ob die anderen das auch finden, oder ob sie es zu leicht finden. * Also ich fand es eigentlich auch schwer, ganz einfach nochmal an die Probleme ranzugehen, denn das, also das mit dem Becher, da war ich halt nicht da, aber schon das davor mit dem Keis-Sechseck-Problem, da wusste eigentlich jeder, was dabei rauskommt, und das muss so sein, und sich eigentlich darüber zu wundern, fiel am Anfang schwer. Und dann auch noch Fragen zu stellen, ja, von einer ganz anderen Seite ranzugehen als man sonst gewohnt ist...
# War das nun so, dass es alle schon wussten?
* Ja, ich glaube, es wusste jeder, ja, es geht sechsmal, das wurde gar nicht hinterfragt.
# Bitte nochmal.
* Also bei diesem Kreis und diesem Sechseck habe ich den Eindruck, dass eigentlich jeder wusste: Ja, das geht genau sechsmal. Das hat eigentlich keiner hinterfragt.
# Und hier, bei diesem Beispiel? Also sie spricht jetzt davon, das Sechseck war unser voriges Thema, dass der Zirkel, wenn man ihn, den Radius fassend, außen herum stelzen lässt, dass das dann gerade sechsmal geht. Das sage ich nun für die, die nicht da waren. Und das wussten wir alle natürlich. Und das ist auch so bei dieser Sache. Haben Sie das schon einmal gemacht und haben Sie dann gewusst, was los ist?
* Also mir ging es so, als ich das erzählt bekommen habe, ich hab das schon gemacht, beim Abspülen und so, es passiert halt. Man nimmt das Glas so raus. Aber ich habe dann nicht weiter nachgedacht.
# Ist ja auch nicht nötig, dass man immer nachdenkt. Aber wenn man in nachdenklicher Verfassung ist, dann, wie gesagt, fällt einem etwas auf. Ja, und wissen Sie, warum das so ist?
Ich meine: Steckt das in Ihrem Wissensvorrat drin?
* Ich glaube einfach, oftmals nimmt man sich nicht die Zeit, noch ausführlich drüber nachzudenken. Man sieht das vielleicht, wundert sich und denkt vielleicht noch kurz drüber nach: "warum ist das so?" dann fällt einem nichts ein, also versenken wir es wieder.
- Einfallen tut einem schon etwas, aber man ist halt mit der nächstbesten Erklärung, die einem einfällt, zufrieden. Man hinterfragt diese Erklärung nicht, ob sie richtig oder falsch ist. Wenn ich keine Erklärung finden würde, dann würde es mich weiter beschäftigen.
# Wenn das allgemein so wäre, dann wäre doch Physik nie zustandegekommen.
* Ja, manche nehmen sich wahrscheinlich die Zeit.
# Sie scheint von nachdenklichen Leuten mit viel Zeit, die dann davon nicht loskommen, zu entstehen. Aber Sie haben das doch in der Schule gehabt.
* Ja, aber in der Schule nimmt man sich ja auch nicht unbedingt Zeit.
# Kommt das denn nicht vor?
* Das mit dem Becher? Wo denn?
# Haben wir nicht gehabt! Ja, nun kann ich sagen: "Ist ja auch gar nicht nötig, dass das vorkommt. Man sollte aber doch in der Schule das gelernt haben, auf Grund dessen man das ohne weiteres und in gleichem Maße durchschaut." Ein wunderschönes Beispiel. An sich doch sehr geeignet als Eingang, weil es so einfach ist. Der Film, den einige von Ihnen das vorige Mal gesehen haben, schließt ja mit dem Satz: "Ich zeige Ihnen ein Experiment." Aber das ist eigentlich kein Experiment, das muss man korrigieren. Ein Experiment macht man ja mit Absicht, um etwas vorzuführen. Eigentlich ist das ein Vorkommnis, das kommt vor, von selber. Und nur dann, wenn es von selbst vorkommt, ist es ein gutes Beispiel dafür, wie Physik entsteht. Ich weiß nicht, ob Physik so entstanden ist, könnte aber sicher. Ich weiß auch nicht, wie das entstanden ist, das einem Phänomen sehr verwandt ist, aber nicht ohne weiteres zu erkennen...
Ja, Sie haben nun schon einiges gesagt. Ich weiß nicht, ob diejenigen, die neu hier sind, wissen, wovon die Rede ist. Wollen wir es nochmal machen?
Wollen Sie bitte hierher zum Waschtisch kommen?
() Wasser wird ins Waschbecken gelassen, die Versuche werden nochmals wiederholt.
# Könnte nochmals jemand sagen, was ihm aufgefallen ist, warum muss etwas auffallen und was macht man in einer solchen Situation?
* Ja, das Phänomen habe ich auch schon miterlebt, ich habe mal mit so einem Ding in der Badewanne gespielt. Ich habe es aber dann um eine Variante bereichert, mit einem Röhrchen unten reinblasen.
# Ich meine es jetzt rein psychologisch: Was geht in einem vor, wenn man darüber nachdenkt?
Was macht man denn da? Aus Ihrem Protokoll geht hervor, dass man nicht weiß, was man macht. Komisch steht man da. Das ist ja die Ursituation bei Forschung, da ist mehr Forschung drin als in der Organisation "Schüler forschen", und dabei wenden sie ja nur an. Hier stehen sie vor einer... ich weiß nicht was.
Ja, wie macht man es? Was würden Sie jetzt tun? Das Interessante ist ja, durch bloßes Angucken ist gar nichts gewonnen. Anstarren hat keinen Zweck. Anstarren ist genau das, was die Kinder in der Schule machen, Augen parallel, während man beim Nachdenken die Augen rückwärts wendet, sich selbst etwas fragt, vorher aber anschaut. Nicht anstarren! Was kann man dann machen? Ein Kind, das neun Jahre alt ist, würde das Ding, wenn es erstaunt ist, sozusagen umkreisen, drum herum gehen, von allen Seiten betrachten und ohne Zweifel dann anfangen, etwas zu machen. Was macht es?
* Es macht das Gleiche nochmal, es probiert aus, wie es aussieht, wenn es nicht genau so macht wie es eben gemacht hat.
# Das hatten wir schon gesagt (im Protokoll) "etwas dran ändert". Warum ändert es denn?
* Um vielleicht irgendeine ähnliche Sache herbeizuführen, die man erklären kann.
# Vielleicht ja. Das dann, wenn man schon etwas weiß. Und wenn man gar nichts weiß? Hat auch Sinn.
* Ja, um herauszufinden, welche Voraussetzungen eigentlich nötig sind, ob dieses Glas so aussehen muss oder...
# Ja, worauf es ankommt. Also wir reden davon, worauf es ankommt.
* Also zum Beispiel, wenn man es schräg hält. Wenn ich es gerade halte, dann sehe ich, es geht in dem Moment, wo es draußen ist, das Wasser raus. Und wenn ich es schräg halte, in dem Moment, in dem das Oberste von unten der Öffnung rauskommt.
# Ist dann etwas anders geworden? Ist das Wasser dann nicht dringeblieben?
* Doch, aber ich kann dann sehen, wovon es abhängig ist, wann es rauskommt. Denn es bleibt ja erst drin und an einem bestimmten Punkt fließt es raus.
# Also, um es schärfer zu sagen: man könnte ja auch annehmen, es hinge von der Farbe des Bechers ab oder von der Stimmung des Akteurs. Wenn die Stimmung entscheidend ist, dann ist es nicht Physik. Ja, worauf kommt es nun an, was kann man tun? Womit hängt das zusammen? Muss es Wasser sein? Könnte es auch Bier sein? Der Michael Faraday erzählt aus seiner Jugend, dass er einen Kreisel hatte, keinen Kreisel, es war so eine Umfall-Figur, die sich von selbst aufrichtete, ein Ding, das oben einen Kopf hatte, und zwar einen roten Kopf.
Und wenn der nicht einen roten Kopf hat, dann dachte er, geht es nicht. Also solche magischen Einflüsse kann man ja auch wecken, mindestens in einigen Fällen. Aber mir kommt es jetzt darauf an, etwas zu machen, das weiterführt über die Ursache dessen, worüber man sich wundert. Wer oder was kann schuld sein? Das Ding, das Ganze hat teil. Da ist das äußere Wasser, das innere Wasser, und da ist der Becher. Da muss man also etwas ändern.
Woran ändern?
Ich habe das in der Schweiz gemacht, mit jungen Lehrern. Die haben schnell reagiert, die haben gesagt: "Das Wasser außen ist doch viel mehr als das Wasser innen. Das Wasser außen hat mehr Kraft und drückt also das innere Wasser, das sehr schwach ist, gegen die Übermacht, drückt das dann herein." Das haben die gedacht. Ja, was sagen Sie zu diesem Vorschlag?
* Müsste man ausprobieren.
- Wir hatten das schon ausprobiert, ob das anders auch geht, wenn außen weniger Wasser ist.
- Mit der Postkarte.
# So weit sind wir noch gar nicht. Ich habe diesmal dieses Ding mitgebracht
(Speisequarkbehälter). Geht es in dieser Badewanne auch? Kann man das hier brauchen?
() Versuch wird gemacht, indem unter Wasser ein Joghurtbecher umgekehrt in den Quarkbehälter gestellt wird und dann wird das Ganze hochgehoben.
# Ein Kollege von mir hat das mal nachgemacht und hat die Studenten dadurch erstaunt, dass er das vor Beginn seiner Vorlesung auf den Tisch stellte. Und da kamen sie und fragten die Sekretärin: "Was soll denn das?" Darauf sagte die: "Unser Professor trinkt gerne mal ein Glas Wasser."
* Es könnte ja daran liegen, dass das unten aufsitzt.
- Nicht zu feste ziehen, damit es nicht rausläuft! (Gelächter rundum).
# Übrigens ist hier schon eine Veränderung drin, die unbeabsichtigt ist. Hier oben sitzt eine Luftblase. Das kann man natürlich noch steigern, dann geht es wunderschön, geht auch.
Damit ist die Theorie hinfällig, dass das Wasser oben, wie die Kinder sagen "anbappt". "Das klebt" sagen sie, manche Kinder. Das klebt also gar nicht, da ist Luft drin. Aber es geht auch ohne Luft, und das ist der eigentliche Versuch. Und dann haben Sie gesagt: "Mit der Postkarte". Wie war denn das?
* Ja, wir haben letztes Mal den Becher auf eine Postkarte gestellt und auf der Postkarte war etwas Wasser, ganz wenig Wasser. Und das Wasser im Becher ist auch geblieben.
# Ganz trocken? Ich meine unterhalb. War kein Wasser außerhalb? War das so?
* Probiere es doch einmal aus, dreh doch mal rum.
- Es hat nicht ganz geklappt, die Karte war nicht steif genug gewesen.
- Es war die Frage, ob die Masse des Wassers, ob das wichtig ist für den Versuch.
# Ja auch. Aber ich meine jetzt den Versuch selbst. Also da war Wasser drin und da haben Sie die Postkarte. Und das äußere Wasser?
* Weg, war weg. War nur das.
# Das kennen die Kinder meist, aus einem Buch für Kunststücke. Hat jemand eine Postkarte? Postkarte deshalb, weil es etwas stabil sein muss, nicht zu weich.
() Allgemeine Sucherei beginnt, es wurde schließlich ein Stück Pappe von einem Schreibblock geholt, das wurde in seiner ganzen Länge unter den Becher gehalten. Nur kurz hielt es, der Karton war wohl zu weich, zu schnell mit Wasser vollgesogen. Der Karton wurde wesentlich verkleinert, der Versuch wiederholt und die Pappe hielt am Becher fest.
# Das ändert die Sachlage, entscheidende Sachlage. Das Wasser draußen ist nicht nötig.
* Und der Becher hat einen flachen Rand, das macht wahrscheinlich auch noch ein bisschen aus.
(Versuch mit der Quarkdose wiederholt, die einen breiten Rand hat). Das geht gut.
# Ja, worauf kommt es denn an, wenn das äußere Wasser nicht da ist? Sie müssen Ihre Kenntnisse ganz wegräumen, falls Sie welche haben. Wenn es auf das äußere Wasser nicht ankommt, wie man sieht, worauf kommt es denn dann an?
* Es tönt blöd, aber es kommt darauf an, dass das Wasser alleine bleibt.
# Ja, abgeschlossen, kein Loch zur Flucht.
* Es wäre jetzt interessant, ein Loch oben in den Becher reinzubohren, was dann passiert.
# Das hat schon mal einer vorgeschlagen, können wir hier nicht machen?
* Doch, da sind ja zwei Becher.
- Den durchsichtigen?
- Nein, den anderen.
# Den habe ich ja nur zum Schutz. Man sieht dann nicht das Wasser. Aber man sieht dann vielleicht doch, was passiert. Hat jemand ein Instrument, um ein Loch reinzumachen?
() Zirkel, Taschenmesser, Korkenzieher, Schere... mit gemeinsamen Kräften wird an die Arbeit gegangen.
# Also wir gehen ja schon weit, das ist ein operativer Eingriff.
* Vielleicht sollte man dann erst mal das Loch zuhalten, damit man durch das Stechen nicht etwas hervorruft.
# Klar, also erst mal narkotisieren sozusagen.
* Also mit dem Finger zuhalten.
# Also erst das Loch machen und dann das Loch verschließen.
* Kannst ja mal das Loch bohren, wenn Wasser drin ist.
() Mittlerweile ist ein kleines Loch im Boden des Bechers, ein Teilnehmer taucht den Becher unter Wasser, hat aber den Finger auf dem Loch. Holt es heraus, der Karton klebt dran wie beim Mal zuvor.
* Jetzt... und jetzt?
- Jetzt lass los!
- Jetzt wird's spannend.
() Finger hoch, der Karton fällt ab, das Wasser platscht aus dem Glas.
# Haben Sie das erwartet?
* So halbwegs.
# Ist ja klar. Ein kleines Loch dieser Art, wenn man das groß macht, dann ist es ja nur ein Rohr, ein zylindrisches Rohr, und das weiß dann ja jeder, was dann eintritt.
Ja, was kann man nun daraus schließen? Worauf es nicht ankommt... Ja, wie gesagt, die Abgeschlossenheit ist wichtig.
Ja, nun sagte das letzte Mal schon jemand, wenn -das war beim ersten Versuch- das Wasser absackte, dann würde da nun ein Vakuum entstehen. Ich habe gefragt: "Was haben Sie gegen das Vakuum?" Oder würden Sie nichts gegen das Vakuum haben? Ganz ohne Zweifel, dass ein Vakuum entstehen würde, wenn es anders wäre. Haben Sie da ein Gegengefühl oder ein Argument?
* Wenn ein Vakuum wäre... Da gibt es doch den Schulversuch mit der Blechbüchse. Also ich kenne ihn mit einer Blechbüchse, oben ein Korken, wo die Luft...
# Ja, den habe ich schon erzählt. Aber erzählen Sie mal bitte weiter.
* Das habe ich mal in der Schule gemacht. Also so ein Behälter mit einem Deckel oben und dann wurde die Luft rausgepumpt und dann ist die so richtig -plump- in sich zusammengefallen.
# Habe ich nicht verstanden. Was ist das für ein Einwand?
* Das habe ich gegen das Vakuum. Wenn die Luft aus der Büchse draußen ist...
# Ja, ja, wie haben Sie die denn rausgekriegt?
* Och, das hat der Lehrer damals gemacht.
# Mit Pumpen?
* Ja, ja.
# Ach so.
Das, was ich meine, ist auch eine Pumpe, aber eine andere Art. Das ist also ein Kanister, leer, oben offen. Man gießt ein bisschen Wasser rein und setzt ihn aufs Feuer, bis das Wasser kocht und die Luft raustreibt. Geht dann weg, aber dafür ist dann Wasserdampf. Um dann einen leeren Raum zu erzeugen, benutzt man die Kenntnis, dass Wasserdampf durch Kälte flüssig wird. Also schraubt man das oben zu und gießt ganz schnell einen Eimer Wasser über das Ganze weg, das kalt ist. Und dann passiert es eben. Es passiert -in unserer Phantasie- dass da drin ein Vakuum sich bilden will. Und was passiert? Die Wände des Gefäßes nähern sich aufeinander zu unter dem Zwang des Gebotes: "Ein Vakuum darf es nicht geben!" Also Wände zusammen, ein schrecklicher Knäuel aus Blech, der furchtbar gekrischen hat, geschrieen hat ( haben Sie es mal gesehen? ) und das beweist doch nur, dass die Angst vor dem Vakuum, das Verbot des Vakuums, erlaubt ist, begründet ist. Und dies ist eine ganz gewaltige Vorführung, der abgeneigteste Schüler gegen Physik wird sie wunderbar finden. Also die Sache mit dem Vakuum ist jetzt glaubhaft. Dann hätten wir als Naturgesetz: Ein Vakuum wird unter allen Umständen verhindert. Und das glaubte man lange Zeit, auch mit philosophischen Grundsätzen. Ein Vakuum kann ja gar nicht sein, denn es gibt ja immer einen erfüllten Raum, das hat die Sache sehr erschwert. Im übrigen haben wir noch vergessen, dass man natürlich dem Gefäß beliebige Form geben kann, also eine schöne Vase, auch so, gleiche Höhe.
Ja, mehr kann man eigentlich nicht machen. Da steht man also ratlos da und es bedarf eben eines Genies. Bei `Jugend forscht' bedarf es keines Genies. Demnach scheint bei solchen Dingen mir, die scheinen schwieriger zu sein. Aber erst einmal möchte ich Sie fragen: Wenn eine Schulklasse das gesehen hat, dann wird sie vielleicht doch noch die Neigung spüren, das so richtig zum Exzess zu bringen. Also wenn das geht, dann muss es in großen Dimensionen gehen. So ähnlich, wie wenn ein Lehrer so ist, dann möchte man ihn auch ganz wütend haben.
Dann ärgert man ihn so lange bis er überläuft. Das ist wahrscheinlich ein allgemeiner Exzess, auch in der Entwicklung der Technik. Das muss man ausbeuten. Also im Grund das erste Gefäß breit machen, einen Eimer Wasser, unbedingt machen. Ein Eimer Wasser, ein richtiger Zehn-Liter-Eimer in einer Pfütze stehend, gefüllt bis oben hin, läuft nicht aus. Das ist schon etwas ganz anderes als dieses Spielzeug. Und dann den Eimer so an der Unterseite hochziehen, Kunststück, nicht? Ganz schwer. Man schleppt das mit, das Wasser, obwohl es doch weg könnte. Ich bin überhaupt gegen kleine Versuche. Kleine Versuche machen keinen Eindruck. Entsprechend der andere Exzess, dass man das Rohr länger macht. Ob das auch noch geht, wenn das einen Meter hoch steht oder zwei Meter? Wissen Sie, was dann passiert? Das wäre ja viel verlangt, dass das immer so weiter geht. Sie haben es natürlich nicht gemacht, aber mit einer Schulklasse kann man es ja machen. Ganz groß, ich lese Ihnen vor, ein Bericht von einer Schulklasse (die von Sieglinde Heinemann) einer Frankfurter Schule.
Wie würden Sie das machen, wenn Sie recht hoch kommen wollten, nicht einen Meter sondern zehn, fünf erst mal bloß? Es gibt keine fünf Meter langen Glasrohre so leicht zu finden...
* Schlauch vielleicht?
# Schlauch, ja. Und dann? Ein Schlauch ist kein Gefäß, der Schlauch hat zwei Enden.
* Irgendwie zustopfen oder zuhalten.
# Unten zuhalten und oben reingießen?
* Den Schlauch vielleicht in irgendein Becken legen, richtig vollfüllen und dann oben entweder zuhalten oder einen Korken drauf und dann hochziehen.
# Ganz genau. Haben Sie das schon mal gemacht?
* Nein.
# Waren Sie vielleicht dabei? Sie könnten ja in dieser Schulklasse gewesen sein.
* Nein.
- Man sieht doch nichts in dem Schlauch, das muss ein durchsichtiger Schlauch sein.
# Ja, ja, natürlich. Und dann haben die Kinder es alle beschrieben, jeder für sich eine solche Beschreibung: "Wir füllten ein Fässchen halb mit Wasser und ebenfalls zwei Gummischläuche, die wir vorne und hinten mit Gummipfropfen verschlossen. Dann gingen wir vor den Glockenturm der katholischen Kirche und stellten das Fässchen dort auf. Das untere Ende des sieben Meter langen Schlauches legten wir in das Fässchen mit Wasser und einer ging mit dem anderen Ende hoch in den Glockenturm. (Also nicht an der Fassade, sondern innen hoch). Als er oben angelangt war, machten wir den Stopfen im Fässchen auf und..."
Was kommt jetzt? Sieben Meter... kann man es wissen? Deswegen schreibt er: "...siehe da, das Wasser im Schlauch hielt sich von selbst." Schluss, macht einen großen Eindruck. Ich habe es also mehrmals gemacht, eine furchtbare Wasserplanscherei. Ja, und nun kommt etwas, das man nicht voraussehen konnte...
* Ich habe gerade gesagt, das müsste man bei uns einmal machen, im Hochhaus!
# Im Schultreppenhaus kann man es auch machen.
* Außen an der Fassade machen, Strick runterlassen und dann hochziehen.
- Bei uns kann man es noch besser machen, von Balkon zu Balkon hochziehen.
# Also wenn man leichtfertig ist, schließt man aus so einem Versuch: "das geht also so weiter, man kann beliebig hoch." Solche Schlüsse sind doch sehr naheliegend. Man merkt sich halt: Man kann auf diese Weise das Wasser beliebig hoch schleppen, hoch ziehen. Und dann folgt eben eine Entdeckung und diese Entdeckung sagt: "nein, wenn der Schlauch über zehn Meter lang ist, dann bleibt das Wasser nicht drin, es sackt ab auf zehn Meter Höhe, nicht genau 10 Meter, hat mit dem Metermaß nichts zu tun, aber ungefähr, und bleibt stehen. Und darüber ist nichts." Das ist keine Entdeckung, die man gemacht hat in dem Gang, sondern das ist eine Pumpenerfindung. Die war Galilei bekannt, kann man bei Galilei nachlesen. Wörtlich - da erzählt eine von seinen drei Personen: "Ich kannte einen Brunnenbauer, der zeigte mir das bei einem Brunnen, der also so entsteht, dass man ein zylindrisches Loch bohrt, dann in dem Loch einen Kolben mit einem Seil hochzieht. Dann klettert das Wasser hoch." Das ist eine Variation dieses Versuches, denn Sie können ja auch hier das Wasser hochsaugen mit dem Mund. Das ist genau dasselbe. Was ich hier mache, ist ja auch ein Heben, ich hebe ja das Wasser hoch. Und dann hat dieser Brunnenbauer gesagt: "das ist eine alte Geschichte, das ist eine Handwerkerweisheit, das ist immer so, bei dieser Höhe hört es auf. Das wissen wir. Erst haben wir gedacht, das wäre undicht, aber das ist nicht der Fall." Zehn Meter. Handwerker alleine, die so denken, kommen nicht weiter.
Dazu brauchen sie einen Galilei, der darüber nachdenkt. Der hat es nicht rausgekriegt, er ist zu früh gestorben. Ein paar Jahre später hätte er es gewusst. Rausgekriegt oder geholfen hat Torricelli. Torricelli, sein Schüler. Und das ist jetzt, nachdem dies eine Entdeckung war, die ganze Geschichte hat ja einen dramatischen Ablauf. Nachdem dies eine Entdeckung war, die überraschend ist, hat jetzt einer eine experimentelle Idee, die mit der Sache nichts zu tun hat.
Nämlich Torricelli hatte auch solche Wasserpanscherei und sagte: "Wozu haben wir eigentlich Quecksilber?" Verstehen Sie? Wozu haben wir Quecksilber?
* Um es mit Quecksilber zu probieren, ob es da auch geht.
# Ja, würden Sie es denn machen mit Quecksilber? Ich meine, was will er denn mit dem Quecksilber machen? Warum fällt ihm Quecksilber ein?
* Es ist viel schwerer zu heben, Quecksilber lässt sich viel schwerer heben als Wasser.
# Ja, dann ist es ja ganz ungeeignet, nicht?
* Ja, aber da kann man eben sehen: schafft da die Angst vor dem Vakuum das auch noch?
# Ja, direkt gefragt: Wie würden Sie diesen Versuch variieren mit Quecksilber? Ich sagte vorhin, es ginge auch mit Bier, aber mit Quecksilber, wenn es dann auch ginge, das wäre schon etwas anderes, wirklich anderes. Muss ich viel Quecksilber haben, so ein Becken voll, und dann darin planschen, das kann man tun. Soviel Quecksilber hat man selten, das muss man also technisch etwas anders machen. Sie haben wenig Quecksilber, haben aber ein langes Glasrohr. Ja, da frage ich die Experimentatoren unter Ihnen.
* Da muss man das Rohr sehr, sehr dünn machen, ganz dünn und dann hochziehen.
# Und dann? Wir haben ja hier das Glas gefüllt.
* Werden dann nicht die Versuchsbedingungen zu sehr geändert, wenn man auf einmal ein ganz dünnes Rohr nimmt?
- Bei Wasser dürfen wir ja auch ein dünnes Rohr nehmen.
# Meinen Sie mit Quecksilber? Ja, um Quecksilber zu sparen, damit wenig Quecksilber genügt.
Nun ja, so ein Rohr von einem Zentimeter Durchmesser kann man schon nehmen. Ja, wie wollen Sie es füllen?
* Mit einem Trichter.
- Zum Beispiel, wie man es in der Chemie macht, indem man oben dran saugt.
- Also ziehen am Schlauch oder so?
- Dann hast du alles in der Schnauze.
- Wie eine Pipette und dann hochziehen.
# Man taucht es in ein tiefes Quecksilberbecken... Soviel Quecksilber hat doch niemand!
* Nein, ich meine, dass man oben dran zieht, zum Beispiel beim Schlauch mit dem Mund oder mit dem Blasebalg oder so... (Gelächter)
# Hinterher haben Sie eine Quecksilbervergiftung.
* Ich würde das Ganze sowieso nicht machen.
# ...dann schluckt man.
* Ja, aber vor vierhundert Jahren war Quecksilber noch nicht so giftig wie heute.
- Ach ja!
# Also wenn Sie mal ein physikalisches Praktikum mitgemacht haben, dann haben Sie so etwas schon mal erlebt. Wissen Sie es?
* Es erinnert mich irgendwie ans Barometer. Das Barometer funktioniert ja auch mit Quecksilber und das muss ja auch in das Rohr reinkommen, das Quecksilber. Ob man es mit einer Wanne machen kann?
# Übersetzen Sie mir mal den Schweizer.
* Bei dem Barometer ist ja auch Quecksilber in einer Röhre drin, das muss ja auch irgendwie reinkommen.
# Also muss gehen, ja. Fragt sich nur, wie? Sie meinen so ein altes Quecksilberbarometer. Ja, die gibt es ja kaum noch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihre Phantasie nicht reicht.
* Warum soll man das nicht mit einem Trichter oben reinfüllen? Trichter oben aufs Glasrohr machen, so einen ganz engwandigen und rein damit!
# Dann läufts unten raus.
Unten kann man das Rohr ja erst mal zumachen...
- ...und dann oben zu und unten auf.
- Hm.
# Das ist doch voll, voll wie ein Glas. Es gibt natürlich Schwierigkeiten mit Luftblasen und dem Dreck, der im Quecksilber ist.
* Ich weiß gar nicht, was ihr gegen die Pipette habt. Ich habe in meinem ganzen Chemiepraktikum so gearbeitet. Man lernt eben, die giftigen Substanzen nicht so hoch in den Mund zu ziehen oder man nimmt einen Blasebalg dazu und pumpt und ziehts hoch.
- Ja, ja, das ist für die Nichtkönner.
# Da hat man also eine Flasche, eine meterhohe Flasche und... Durchmesser klein. Also da ist Quecksilber drin. Aber man braucht doch das äußere Quecksilber, das drückt, das äußere.
* Wir brauchen ja nicht viel, das haben wir ja gesehen, dass wir nicht viel brauchen.
# Postkarte? Das ist doch vielleicht ein bisschen sehr schwer, das Quecksilber.
* Es muss ja auch ein kleiner Behälter mit Quecksilber ausreichen.
# Ja, wahrscheinlich. Ich hab das nie gemacht, ich habe kein Urteil. Geht das? Ja, es müsste gehen. Es gibt noch eine andere Möglichkeit: Man hat erst das eine Ende zu und dann das andere Ende. Das Ganze ist voll und drücken Sie hier den Finger drauf und dann drehen Sie es rum, stellen es so in das Quecksilber, nehmen dann hier unten den Finger weg und dann passiert etwas, das dem verwandt ist, das hier die Kinder beschreiben. Die beschreiben, dass bei zehn Meter Höhe das Wasser nicht mehr steigt, nicht mehr drin bleibt, absackt bis auf zehn Meter, wenn das Rohr länger ist als zehn Meter. Und hat der Torricelli sich sicherlich etwas gedacht oder vorausgewusst, was dann bei Quecksilber passieren wird.
* Das wird wahrscheinlich dann auch rausfließen, das Quecksilber, weil es schwerer ist als Wasser.
# Ganz rausfließen? Das Wasser fließt doch bis zu zehn Metern raus. Und nun das Quecksilber?
* Das wird wahrscheinlich auch auf einem bestimmten Stand stehenbleiben, aber der wird niedriger sein als bei Wasser. # Wie hoch erwarten Sie ungefähr?
* Ich weiß ja nicht, von was für einer Länge gehen wir denn jetzt aus?
# Schätzen Sie doch mal.
* Wie lang soll denn jetzt der Schlauch sein?
- Wasser bleibt bei zehn Meter stehen. Wo bleibt Quecksilber stehen?
- Viel weiter unten halt.
- Bei fünf Metern?
- Noch weiter unten, ich weiß es nicht, nur weit weiter unten als Wasser, ich kann mir vorstellen, viel weiter unten.
# Na ja, schätzen Sie doch mal!
* Sag, zehn Meter oder drei?
- Ach, sagen wir mal ein Meter.
# Ein Meter? Quecksilber ist dreizehn mal schwerer als Wasser.
* Könnte weniger sein.
# Kann man nicht wissen, er hat es auch nicht gewusst. Aber er fand, dass es tatsächlich dreizehnmal... rund dreiviertel Meter. Da bleibts stehen.
* Gar nicht so schlecht.
# Darüber ist nichts. Das ist ein rein experimenteller Einfall, der aber ganz wichtig ist, ohne den wäre die Geschichte nicht weiter gegangen.
* Und warum bleibt das beides stehen?
- Was hast du gefragt?
- Warum das beides stehen bleibt, überhaupt.
- Der Versuch läuft sogar noch etwas merkwürdiger ab. Also ich habe ein ein Meter langes Glasrohr, auf der einen Seite ist es zugeschmolzen und es ist schätzungsweise drei Millimeter im Innendurchmesser. Dass ist also gerade so dick, dass eine Luftblase im Quecksilber nicht hochsteigen kann, die bleibt darin klemmen. Wenn ich jetzt dieses Rohr fülle, ich fülle es von oben und stelle es aufrecht hin, dass das geschlossene Ende unten ist, fülle es von oben mit einem kleinen Trichter bis oben hin. Dann nehme ich das Rohr und halte es frei so umgekehrt hin, natürlich nicht über dem Fußboden. Jetzt nehme ich den Daumen weg, und jetzt, ich habe es bisher zugehalten, jetzt nehme ich den Finger unten weg. Und jetzt läuft das Quecksilber da raus, da unten, aber nicht ganz, nur eben ungefähr ein viertel Meter läuft raus.
Und wenn das fertig ist, dann schießt das ganze Quecksilber in dem Rohr nach oben und haut oben an. So läuft also der Versuch ab, wenn man ihn einfach mit einem unten offenen Gefäß macht, das lang genug ist, dass das Quecksilber rausläuft. Mit dem Wasser müsste man das vielleicht mit einem zwanzig Meter langen Schlauch hochziehen, und der Schlauch wäre auch einigermaßen eng, dass also nicht das ganze Wasser da rausplätschert einfach nachher, sondern auch im Schlauch klemmen bleibt. Dann müsste das also auch so ausgehen. Die Hälfte vom Wasser läuft raus, scht, und wenn es sich genug entladen hat, möchte ich fast sagen, dann wird das ganze Wasser wieder an das obere Ende von dem Schlauch hochgejagt. Erst mal muss ich unten zuhalten, aber dann muss ich nicht mehr zuhalten. Oben muss er zu sein, natürlich.
# Ja, verstehen Sie das?
* Nee.
# Verstehen Sie das selber?
* Da ist irgendetwas, das das Quecksilber gegen sein Gewicht nach oben drückt, in den Schlauch hinein, oder in das Rohr hinein.
- Durch das Vakuum vielleicht, dann zieht das Vakuum das ganze Quecksilber nach oben.
- Ei, des werd doch net so lang warte. Vom logischen Menschenverstand her würd ich sagen, das wartet doch net, bis es aufhört, auszufließen und dann ist oben so lang Vakuum und es krabbelt dann hoch. Warum genau der Viertelmeter?
- Ei, das Vakuum muss groß genug sein, vorher schaffts nicht.
- Schon ein kleines Vakuum...
- Das Vakuum muss groß genug sein und der Sog, den das Wasser nach unten hat, zum Ausfließen, der muss klein genug sein. Wenn viel Wasser drin ist, dann ziehts ja nach unten und will raus. Und wenn es wenig genug ist, dann zieht das Vakuum oben wieder mehr. So stell ich mir das vor.
# Mir kommt das abnorm vor. Ihnen auch?
* Also als es mir das erste Mal passiert ist, da habe ich also gestaunt, dass das so ablief, dass es eben rauslief...
# Und das zweite Mal?
* Ja, da wusste ich ja, warum, ja, aber...
- Wenn ich mir das überlege, ich kann mir das nicht vorstellen.
# Aber hier wurde ja zunächst etwas ganz Einfaches gefragt. Sie haben gefragt: "Wie war das?"
* Warum sinken die beiden Flüssigkeiten bis zu einer bestimmten Grenze?
Warum stoppen die da?
# Das hätten Sie doch beim Wasser schon fragen müssen.
* Ja, ja, hab ich ja (halt jetzt)...
# Die Frage ist, warum. Warum hört das plötzlich auf bei zehn Meter, beziehungsweise das Quecksilber bei dreiviertel Meter? Und hier muss das Genie einsetzen. Es haben alle diese Gedankengänge einen Kulminationspunkt, wo man nicht erwarten kann, dass die heutige Gesellschaft von Studenten einfach weiter kann, wenn es sie nicht gelernt hat. Das ist ein sehr schönes Beispiel. Es gab da zwei Genies, die beteiligt waren. Das eine war Descartes, und das andere war Pascal. Wer von beiden den Gedanken zuerst gehabt hat, ist nicht sicher.
Pascal stammt aus Clermont, südliches Frankreich. Bei Clermont gibt es einen hohen Berg, der Puy de Dome, über tausend Meter hoch, den kannte also Pascal und in Clermont wohnte sein Schwager, der hieß Périer. Er schrieb in einem Brief an den Herrn Périer, er möchte doch folgendes mal versuchen, denn er könnte so etwas machen. Ahnen Sie schon, was er macht? Er hatte nämlich einen Einfall. Er ahnte, was dahinter steckt, hinter dieser Grenze.
Wenn die Physiker eine Konstante finden, dann ist doch allemal was los. Dann muss doch etwas dahinterstecken, das begrenzt ist, und nicht etwas unendlich Mächtiges. Ja, ich weiß nicht, ob die beiden die einzigen waren, die so etwas geahnt haben. Ahnen Sie es? Das Komische ist, das ist sehr lustig, es gibt Briefe. Briefe sind immer gut, wenn sie aufgehoben werden, da kann man allerhand draus schließen. Dass es zwei Briefe gibt. Am 12. Dezember 1647 schreibt Descartes an einen Geistlichen, Physiker, einen Kirchenvater: "Mein ehrwürdiger Vater, und so weiter... ich habe Herrn Pascal benachrichtigt, den Versuch anzustellen, ob das Quecksilber oben ebenso hoch stiege, wenn man sich auf einem Berg befindet, als wenn man ganz unten steht..." - "Ich habe", sagt er, am 12. Dezember 1647. Und einen Monat vorher schrieb Pascal einen Brief an seinen Schwager Périer, der am Fuße eines Berges wohnt. Dieser Brief ist total vorhanden. Ahnen Sie, woher dieser Vorschlag kommt? Das Quecksilber war eben tragbar, das konnte man schleppen, diese zehn Meter Wasser konnte man nicht auf den Berg tragen. Dadurch war durch dieses Ergebnis von Torricelli erreicht, dass man den Versuch überall hinschleppen konnte. Also warum soll man das um Gottes Willen auf einen Berg tragen?
* Aber zu schleppen hat man doch im Grunde gleichviel, nur kann man es besser verpacken, das Quecksilber.
- Und er hat den Versuch im Dezember gemacht, das Wasser wäre ihm gefroren.
# Wieso ist etwas zu erwarten? Das ist eben die entscheidende Variation, die man macht. Die macht man immer nur, wenn man eine Ahnung hat. Ein Experiment ist nicht das, womit die Forschung anfängt, sondern eine Ahnung, und dann kommt das Experiment.
* Ich würde sagen: durch den Vergleich des Experimentes mit dem Quecksilber und dem Wasser stellt man fest, dass es mit dem Gewicht etwas zu tun haben muss, dem Gewicht des Stoffes, der da drin ist.
# Die Dichte?
* Ja, die Dichte und mit dem Gewicht der Säule, dieser Flüssigkeitssäule.
- Warum geht man denn jetzt auf den Berg?
- Man hat vorher gesehen, dass es von anderen Dingen offenbar nicht abhing, also nicht davon, wieviel Flüssigkeit unten in dem Gefäß drin ist. Davon hängt es offenbar nicht ab. Da man aber feststellt, bei verschiedenen Substanzen bekommt man etwas, was offenbar gar nicht von der Substanz abhängt, als Ergebnis, kann man nur überlegen, was kann man an den äußeren Umständen noch verändern?
# Man hätte es auch aus Frankreich über die deutsche Grenze schleppen können.
* Hätte man auch können.
# Ahnen Sie? Das kann man nicht ahnen.
* Da ist die Luft dünner.
- Der Luftdruck ist dünner.
# Wenig Luft? Ja, ja, das ist immer besser. Schön, ganz klar, Sie würden es rauskriegen. Ich lese mal vor. Für die Schule halte ich es für nötig, dass man so etwas ganz genau liest, diesen Brief, schon die Höflichkeiten dieses Jahrhunderts: "Ich würde die unausgesetzte Tätigkeit, die Ihre Geschäfte mit sich bringen, nicht unterbrechen, um Sie mit physikalischen Problemen unterhalten, wenn ich nicht wüsste, dass sie Ihnen in Ihren Mußestunde Erholung gewähren.
Was ich Ihnen jetzt mitteile, ist nur eine Fortsetzung der Gespräche, die wir miteinander in Bezug auf das Vakuum geführt haben. Wie Sie wissen, haben alle Philosophen an dem Grundsatz festgehalten, die Natur verabscheue es. Ich habe in meiner Abhandlung über das Vakuum diese Meinung zu zerstören gesucht und glaube, dass die Erfahrungstatsachen, die ich bezüglich dieser Frage herangezogen habe, klar erkennen lassen, dass die Natur einen beliebig großen, von anderen Materien leeren Raum zulassen kann und in Wirklichkeit auch zulässt. Ich bin jetzt damit beschäftigt, Tatsachen aufzusuchen, die entscheiden lassen, ob die Wirkungen, die dem horror vacui zugeschrieben werden, auf ihn zurückgeführt werden können oder durch die Schwere und den Druck der Luft veranlasst werden." Da haben Sie es: durch die Schwere der Luft. Torricelli hat das Ergebnis dieses Versuches später so ausgedrückt: "Wir leben auf dem Grunde eines Luftmeeres von bestimmter Höhe." Und wenn die Luft Gewicht hat -was sie hat, tausendmal leichter als Wasser, aber das ist doch auch etwas- wenn die Luft Gewicht hat, dann muss ein ganz gehöriger Druck auf uns lasten. Wenn ich auf einen Berg klettere, dann kommen wir der Grenze näher und dann haben wir nicht mehr so viel über uns und dann müssen wir erfassen, dass das Wasser nicht zehn Meter hoch steigt sondern vielleicht nur acht. Und das ist zu kompliziert, da nehmen wir Quecksilber, weil es sich gut verpacken lässt und es ist dann zu erwarten, dass das Quecksilber nicht bei dreiviertel Meter stehen bleibt sondern schon bei sechzig Zentimeter etwa. Ist das klar, der Gedanke?
"Ich habe nun einen Versuch ausgedacht", schreibt er, acht Tage später schreibt Descartes an Mersenne: "ich habe Herrn Pascal vorgeschlagen, er soll mal diesen Versuch machen."
Hübsch schreibt er, er hat sich ausgedacht, "der genau durchgeführt werden muss. Der Versuch wird darin bestehen, das Vakuum... " das brauche ich nicht vorzulesen, Sie können sich das denken. Jedenfalls ist ein Jahr später der Antwortbrief des Schwagers Périer auch da. Die sind also mit großem Gepäck, mehrere Gefäße voll Quecksilber kiloweise im Rucksack, sind sie auf diesen Puy de Dome raufgeklettert und haben dort oben die Sachen mit Quecksilber gefüllt und haben das auch gemacht und haben dann entdeckt, dass es stimmt. Da oben stand eine Schutzhütte, es schneite und sie haben gefunden, dass das Schneien keinen Einfluss hatte. Unter der Schutzhütte, unter dem Dach, von wegen dem Luftdruck wahrscheinlich, und außerhalb des Daches, alles dasselbe.
* Zum Glück hatten sie wirklich kein Wasser gehabt.
# Und dann sind sie wieder runter und haben es auf halber Höhe nochmal versucht, wieder anders. Dann hat der Périer sich hingesetzt und hat einen ausführlichen Bericht geschrieben: "Endlich habe ich den Versuch angestellt, den Sie vorschlagen... der letzte Samstag war sehr unbeständig (und so fort)... dann goss ich in ein Gefäß zehn Pfund Quecksilber..."
* Was ??
# ... dann hat er noch ein paar angesehen Bürger mitgenommen, ein lokales Ereignis zunächst. Schreibt er so. Aber interessant: "... dies erfüllte uns alle mit Bewunderung und Erstaunen und überraschte uns dermaßen, dass wir, uns von der Richtigkeit überzeugend, den Versuch noch fünfmal sehr sorgfältig an verschiedenen Stellen des Gipfels wiederholten, sowohl unter dem Dach einer kleinen Kapelle als unter freiem Himmel, an geschützter Stelle, im Winde, bei klarem Wetter und bei Regenschauer. Immer zeigte sich, dass bei all diesen Versuchen die Quecksilbersäule von einer Höhe von 23 Zoll und 2 Linien innehielt." Sehr ausführlich.
* Ich bin aber noch an deinem Versuch, ich kann mir den nicht erklären, wie das sein kann, dass wenn... Er hat ja erzählt, er hat es probiert mit der Röhre, die oben zu war. Wie es geht, dass erst alles rausläuft und ein starkes Vakuum entsteht und es dann wieder hochgeht. Normal müsste doch ein Gleichgewichtszustand sich einstellen.
- Es hat einen gewissen Schwung wahrscheinlich beim Rauslaufen, und da fehlen drei Millimeter.
Die sind halt vor lauter Freude mit rausgelaufen.
- O.K., dann verstehe ich es.
- Wenn man es ganz vorsichtig macht, dann kann man eine Säule haben, die kann man dann so rauf und runter wandern lassen. Aber das erste Mal ist es so: Es läuft raus, und -huit- der Rest wieder hoch.
# Können wir weitermachen? Sie verstehen, dass damit der Fall erledigt scheint, dass die das gemessen haben. Die Atmosphäre drückt, weil sie schwer ist, auf das äußere Wasser. Und das äußere Wasser drückt das innere, so hoch es eben kann. Und dann haben Sie solche Röhren. Zunächst jedenfalls in vereinfachter Darstellung kann man sich so ausdrücken. Dies hat noch einen kleinen Haken, der aber nicht für die Sache selbst hier entscheidend ist. Damit ist das entschieden.
Ich habe gefunden, das hat mit der Sache jetzt nur indirekt zu tun, dass man in der Schule sich nicht begnügen soll, von diesen beiden Herren da kleine Bildchen zu zeigen, sondern zu sagen, was man von denen nun zufällig weiß. Descartes, der ja sehr ernsthaft aussieht, etwas grimmig -ich lass ihn schnell rumgehen - die dreht ihn natürlich gleich rum...
* Wer ist das denn?
- Newton.
# Dieser Descartes ist dadurch berühmt und berüchtigt, dass er die sogenannte cartesische Spaltung erfunden hat, das heißt die Behauptung, dass Leib und Seele nichts miteinander zu tun hätten. Woraus sofort folgt, dass Tiere keine Seele haben, zumal sie nicht getauft sind und Tiere infolgedessen seelenlose Maschinen sind. Descartes hielt sich lange auf einem Bauernhof auf während des Dreißigjährigen Krieges und schrieb da sein großes Buch über die Spaltung.
* Der bekannteste Satz ist ja wohl der: "Ich denke, also bin ich." Die Trennung von Körper und Geist ist auch bei ihm.
# Ja, ja. Die Leute wurden damals alle von den Fürstlichkeiten finanziert. Es kam eine Einladung der Königin von Schweden, die damals Forscher um sich versammelte. Und er ist dann schon ziemlich bejahrt nach Schweden gereist, nicht mit der Bahn, nicht mit dem Auto, sondern wie üblich mit der Kutsche und hat dann einige Wochen warten müssen, bis ihre Majestät geruhte, ihn kommen zu lassen. Er erkältete sich dann stark und starb sehr bald. Das sind nur die Sachen, die ich weiß, ich erzähle nur die Sachen, die ich weiß. Ernsthafter liegt die Sache bei Pascal, von dem ich auch ein Bild habe. Das ist möglicherweise Pascal. Auch die Totenmaske ist verdächtig, aber man hat einen Eindruck von ihm. Pascal ist einer der merkwürdigsten Menschen, die je gelebt haben und seine Bücher, ich bin überzeugt, die werden niemals vergessen werden können. Es gibt viele Geschichten von Pascal, meistens sind es Legenden, die seine Schwester, die in ihn verliebt war, ausgestreut hat. Als kleiner Junge saß er bei seinen Eltern -sein Vater war ein Jurist in Paris, reich und wichtig, Verkehr mit vielen Forschern- beim Essen. Es war langweilig und der kleine Pascal experimentierte mit Weingläsern, wenn man sie so andreht, dass sie dann klingen und hat schon entdeckt, dass, wenn man sie berührt, dass sie dann aufhören. Zweite Geschichte von Pascal: Er wollte gerne Mathematik lernen, denn er hatte bei den Gesprächen, die sein Vater mit den Mathematikern hatte, zugehört und fand das sehr interessant. Der Vater sagte: "Nein, erst Latein!" Da war nichts zu machen, autoritäre Erziehung. Er verbot es. Er wollte gerne Bücher haben, wo Mathematik drin ist: "Nein, erst Latein!" Nach einigen Monaten ging der Vater zufällig in das Zimmer seines Sohnes. Der Sohn war so Zehn, Zwölf. Der Sohn saß auf dem Boden und hatte Papiere um sich mit offenbar geometrischen Zeichnungen. Der Vater staunt, wollte bereits aufbrausen, fragt aber erst nach: "na, was soll denn das?" - "Ja", sagt er, "das ist eine geometrische Sache, die stimmt." (Ich weiß nicht, was es war.) - "Na, und wie hast du das rausgekriegt?" - "Die habe ich rausgekriegt, indem ich sie abgeleitet habe aus einem anderen Satz, der noch einfacher ist." Die Geschichte ist bestimmt falsch und es war nachher der 47. und der 46. Satz von Euklid gewesen, alles aus seiner Phantasie. Diese Geschichte erzählt der Vater seinem Freund und bricht in Tränen aus, aus Gerührtheit über diesen Sohn und fragt: "was soll ich denn nun machen?" Der Freund sagt: "Lass ihn nur machen." Und er ließ ihn auch machen, von nun an konnte er machen, was er wollte, mathematisch und auch sonst.
Und hat dann auch den Pascalschen Satz entdeckt, so mit siebzehn, ich weiß nicht. Ich weiß auch nicht, wie der Pascalsche Satz heißt, etwa von der Art: "Nehmen Sie einen Kreis und verteilen auf ihm beliebig sechs Punkte, so verbinden Sie jeden Punkt mit dem nächsten immer in derselben Richtung, dann entstehen also gerade Linien, und diese geraden Linien schneiden sich in einem Punkt, die Schnittpunkte liegen auf einer Geraden." Irgend so etwas.
* Allgemein: Ein Kegelschnitt ist durch fünf Punkte bestimmt.
# Und nicht nur das, und nicht nur beim Kreis so, sondern auch bei der Ellipse so und bei der Parabel so und bei der Hyperbel. Das stimmt. Auch sonst hat er viel Physik, Hydrostatik gemacht. Erfand die erste Rechenmaschine, ließ einen ersten Omnibus durch Paris laufen, keinen mit Motor, mit Pferden natürlich. Und entwickelt sich, wie es schien zu einem Playboy, bis ihn seine schon immer ihn bedrängenden philosophischen, religiösen Gefühle übermannten. Und das ist auch eine Geschichte, die wahrscheinlich nicht wahr ist: Weil er mit seiner Kutsche beinahe geradewegs in die Seine gefahren wäre und die Pferde gerade noch so am Rande des Flusses gestoppt werden konnten, das soll ihn also beeinflusst haben. Dazu kam eine Vision, die er hatte, ein Gesicht, das ihn völlig auf die religiöse Seite warf, so dass er dann später sagte: "Mathematik ist ja ganz schön, interessiert mich nicht mehr sonderlich, die religiösen Fragen sind unendlich wichtiger." Er hat ein Buch geschrieben, das zu den berühmtesten der ganzen Literatur gehört, das ist überschrieben mit `Pensées', das heißt Gedanken, hat auf tausend Zettel Notizen gemacht, ähnlich wie Lichtenberg, der aber in Hefte schrieb, Sudelhefte. Er schrieb auf Blätter und die hat man später versucht chronologisch zu ordnen. Es gibt unter diesem Titel mehrere Ausgaben. Diese sind außerordentlich charakteristisch für ihn, in einem unnachahmlichen Stil geschrieben, immer über religiöse Fragen. Er war ein absolut humorloser Mensch, wie alle Heiligen sind, die Heiligen sind ja auch meistens vorher Playboys gewesen.
Ich lese Ihnen einen Satz vor, ich habe ihn bei ihm selbst nicht gefunden, sondern ich habe ihn bei dem Gehirnforscher E. gefunden, der sich durch diesen Satz sehr beeindruckt gefühlt hat. Er sagte, wie er durch Gedanken dieser Art, die er mit achtzehn Jahren hatte und bei Pascal wiederfand, dazu kam, eine lebensentscheidende Wendung bei sich vorzunehmen. Also ich lese vor:
"Bedenke ich die kurze Dauer meines Lebens, aufgezehrt von der Ewigkeit vorher und nachher, bedenke ich das bisschen Raum, das ich einnehme, und selbst den, den ich sehe, verschlungen in die unendlichen Weiten des Raumes, von denen ich nichts weiß und die von mir nichts wissen, dann erschaudere ich und staune, dass ich hier und nicht dort bin. Keinen Grund gibt es, weshalb ich gerade hier und nicht dort bin, weshalb jetzt und nicht dann. Während ich hier eingesetzt, durch welche Anordnung und Verfügung ist mir dieser Ort und diese Stunde bestimmt worden? Das ewige Schweigen dieser unendlichen Räume macht mich schaudern."
Hier spüren Sie die Entdeckungen der Astronomie von den großen Entfernungen, die ja heute noch viel größer sind, auf das religiöse Empfinden. Ich halte Pascal für einen Mann, der ja auch in Mathematik und Physik bedeutend ist, sehr bedeutend. In der Schulmathematik nur als Erfinder des Pascalschen Dreiecks, Binomialkoeffizienten, unwichtig. Aber viel wichtiger ist sein unnachahmlicher Stil, den man hier schon spürt. So ein dickes Buch. Also ich finde, von den Menschen, von denen man ein bisschen etwas weiß, sollte man ihnen erzählen. Man kann nicht alles wissen. Er starb sehr jung, vierzig war er, glaube ich. Er hat später einen Dornenring getragen und sich, wie sagt man, kasteit. Jedenfalls ein Mensch, der nicht lächelte, das ist sicher. Und was unser Problem hier betrifft, das ist noch nicht beendet, denn ein Einwand gegen das Ganze: Wenn der Luftdruck das ist, der das hochtreibt, dann wäre doch zu erwarten, dass, wenn wir ein Loch oben reinmachen...
* ...dann muss es eigentlich einen Springbrunnen geben.
# Einen Springbrunnen, ja. Statt dessen haben Sie ja gesehen, was passiert, das Wasser sackt ab. Also ist das Ganze falsch, nicht? Wenn der Luftdruck die Ursache wäre, die das Wasser um die Ecke drückt, nach oben, in das Gefäß hinein, dann muss ja das Wasser, wenn es überhaupt sich halten kann, und da es ja auch höher steigt, wenn man ein Loch macht -es will ja zehn Meter hoch- also wenn Sie ein Loch machen, müsste es ja raussausen. Tut es nicht die Spur.
* Aber durch das Loch kommt ja auch wieder Luftdruck, der das verhindert. - Wenn der Luftdruck es hochdrückt, dann würde er es auch hochdrücken, wenn oben das Loch drin ist, dann könnte das Wasser oben raus.
- Ja, es gibt ja so etwas wie einen Druckausgleich. Es kommt nicht nur von unten Druck, es kommt auch von oben Druck. Es wird von beiden Seiten gedrückt und der Luftdruck gleicht sich aus, so dass doch wieder nur das Gewicht des Wassers entscheidend ist. Und das fällt dann halt runter.
- Dann ist gar nichts mehr da.
- Doch, das Gewicht des Wassers ist immer noch da.
- Wenn er oben drückt und unten drückt...
# Ja, das wäre ein Thema für das nächste Mal.
* Und oben das Loch ist viel kleiner als unten das.
- Ja.
- Ja, der Luftdruck oben ist kleiner, unten drückt die Luft mehr als oben.
# Ich will das mal anders sagen, das hat gar nichts mit Mathematik zu tun. Wenn das nach oben will, geht es auch rauf, wenn ich oben ein Loch reinmache.


7. Juli 1986.
# Wir wollen heute etwas früher fertig werden, aber ich möchte dieses Thema schnell zu Ende bringen. Beim letzten Mal hat einer von Ihnen etwas gesagt: "Wenn man in dieses Gefäß oben ein Loch macht..." Wer war das denn?
* Ja, man müsste eigentlich annehmen, wenn das mit dem Druck stimmt, müsste eigentlich ein Springbrunnen oben herauskommen.
# Haben Sie gehört? Ist das nicht überzeugend? Wenn die Atmosphäre bei dem ganzen Vorgang so um die Ecke drückt, das Wasser immer steigt, hochsteigt. Dann haben wir das einmal gemacht, oben ein Loch hineingemacht und nun muss man erwarten, dass das Wasser steigt, zumal man inzwischen weiß, dass es zehn Meter steigt. - Das ist also die Krise des Gedankenganges. Und dazu hat einer von Ihnen etwas gesagt, wer war das?
* Kann sein, dass ich das war.
# Sie können es ja alle sein.
* Ich kann mir nicht vorstellen, dass es wie ein Springbrunnen aussehen soll. Also wenn da ein Druck von der Luft, ein Luftdruck draufliegt auf dem Wasser, der da drücken würde, dann drückt das ja auch oben in das Loch herein, dieser Luftdruck. Deswegen sehe ich nicht ein, warum das oben heraus sollte.
- Ein ganz kleines Loch und das Gewicht des Wassers oder die Masse des Wassers spielt ja auch noch eine Rolle. Und die zieht auch nach unten. Die würde ja auch den Becher ohne Loch nach unten drücken und ziehen. Und wenn jetzt noch ein bisschen Luft drin ist...
# Und wovon wird die gehalten?
* Also normalerweise würde der Luftdruck außen ausreichen, dass das Wasser im Becher gehalten wird.
# Stimmen Sie zu?
* Ja, das wird dadurch auch gehalten, dass im Becher selbst keine Luft drin ist. Wenn aber wieder Luft hereinkommt in den Becher, dann kann sie auch wieder auf das Wasser im Becher drücken...
# Und warum bleibt das Wasser drin? Im Anfangsversuch?
* Weil keine Luft im Becher ist. Wenn die Luft außen drückt...
# Es bleibt also richtig, dass die Außenluft hochdrückt?
* Ja! Hochdrückt? Verhindert, dass sie herausläuft.
# Es ist noch das zu bedenken: Sie wissen doch, wenn ich das halte, dass ich dann das Gewicht des Wassers spüre. Und mit wem habe ich zu tun dabei? Mit welcher Kraft habe ich zu tun?
* Mit dem Gewicht des Wassers, mit der Masse des Wassers.
# Nach wie vor, nicht?
* Ja!
# Und die Luft, die das macht, nicht. Die drückt da oben drauf und drückt gleichzeitig hoch.
* Nein, die drückt nur oben drauf, so dass das andere Wasser nicht hochsteigt. Aber das Wasser im Becher steigt deswegen hoch, weil ja keine Luft im Becher ist über dem Wasser.
# Er hat das so gemeint: Die Luft drückt oben drauf, aber sie drückt auch außen herum. Man kann sehen, dass sie außen herum drückt. - Warum soll sie denn nicht drücken, wenn sie doch da ist?
* Ja, sie drückt schon, aber nicht von unten nach oben. Sie kann doch bloß oben drücken, aber sie kann doch nicht so herum drücken, das Wasser also in den Becher hineindrücken.
# Hm...
* Die Luft drückt immer nur von oben nach unten, die kann also nicht um die Ecke drücken oder so. Also wenn ich jetzt einen Becher habe und da ist keine Luft mehr drin, nur Wasser, wenn ich den Becher dann versuche aus dem Wasser rauszuheben, dann spüre ich das Gewicht von dem Wasser. Und das Wasser bleibt deswegen drin, weil eben über dem Wasser in dem Becher keine Luft mehr drin ist, die es runterdrücken kann.
- Du brauchst ja den Becher nicht ganz voll zu machen. Da ist dann oben ein ganzer Teil
Luftblasen dran.
- Ja, es kommt aber immer auf die Menge an, auf das Verhältnis.
- Also ich verstehe nicht, warum die Luft nicht nach oben drückt. Ich weiß auch ein Beispiel. Es gibt manchmal so Orangensaft in so kleinen Papptüten. Wenn man mit dem Strohhalm heraustrinkt und lässt keine Luft herein durch den Strohhalm, dann werden die von den Seiten auch eingedellt. Ja, aber das ist nicht von oben, das ist von den Seiten.
- Ja, von den Seiten, aber nicht von unten.
- Wegen mir auch von unten. Ich glaube, das hängt von der Pappe ab, ich weiß nicht, ich denke, es werden die Seiten eingedrückt, weil es da am leichtesten geht. Das ist doch verständlich.
Ich glaube, es würde auch von unten, ich glaube, von überall her will die Luft da herein.
- Bei dem Versuch mit der Pappe, wie wollen Sie das erklären?
- Gar nicht.
# Ja, aber mit der Postkarte, wer drückt die denn an? Klebt das Wasser so dran? - Das ist doch dieselbe Kraft, die auch das Wasser schon vorher gehalten hat. - Ist da nichts, was sein könnte? Eine Kraft, die von unten nach oben drückt? - Wissen Sie es? Sie haben es, glaube ich, gesagt.
* Ich denke, der Luftdruck.
# Man muss es immer wieder sagen.
* Soll ich nochmal das Beispiel sagen? Also die Luft drückt von allen Seiten.
- Also auch von unten?
- Auch von unten, ja.
# Wie macht sie denn das? Das ist doch das Gewicht der Luft, das dahinter steckt, das Gewicht der ganzen Atmosphäre.
* Aber wenn die Luft überall hindrückt, ich stelle mir das so vor, dann will die Luft, die ja drunter ist, die will ja ausweichen. Wenn ich irgendwo draufdrücke, dann gebe ich ja eine Kraft auf die Unterlage, die will ja ausweichen, und die geht überall da hin, wo weniger Kraft ist, also nach allen Seiten. Ich stelle es mir jetzt vor, wie wenn man mit einem Stempel in so eine Flüssigkeit drückt, und solange die Flüssigkeit kann, spritzt sie nach allen Seiten, sogar nach oben.
# Haben Sie das mal gesehen?
* Ja, ja.
# So etwas gibt es an allen Schulen, so einen Kolben.
* Das kann man sich noch viel leichter vorstellen.
# Zum Beispiel?
* Beim Spülen...
- ...wenn man einen Stein ins Wasser schmeißt...
- ...wenn man ein Glas nimmt und stampft das fest ins Wasser, dann geht das Wasser nach allen Seiten, also spritzt auch nach oben. Das geht sogar, wenn das Glas eintaucht, steigt das im ganzen Becken. Also durch den Weg nach unten erzeugt man irgend etwas, das nach oben geht und nach allen Seiten. Wenn man jetzt in das Glas ein Loch reinbohren würde, würde es auch da hereinlaufen.
# Wenn Sie eine Tomate nehmen und da oben drauf...
* Iih - da spritzt's auch nach allen Seiten, und nicht nur nach unten
(Gelächter, laute Vorstellungen...)
# Die hat dann Löcher und spritzt sogar nach oben, neben die Stelle, wo Sie draufdrücken; wenn da ein Loch ist, ist es ein Springbrunnen.
* Ja, so denke ich mir das.
# Genau. - Natürlich muss man dem nachgehen, aber Sie sehen, dass dieser Versuch, wenn er klar ist, wenn das Problem klar ist, das erlaubt ihnen also jetzt systematisch vorzugehen; nur nicht, dass man mit Begriffen anfängt, sondern mit einer solchen Merkwürdigkeit. -
Ja, lassen wir das einmal.-
Ich hätte gerne noch Ihre Meinung darüber, ob Sie glauben, dass die Methode, die Sie hier ahnen, auch in anderen Fächern anwendbar ist, zum Beispiel Geschichte. - Oder machen wir es erst einmal anders herum. Wie würde der Geschichtsunterricht aussehen, wenn man ihn so machte, wie manchmal auch in der Physik und auch in der Mathematik, dass man also ganz einfach anfängt, mit den Phänomenen, dem was man vor sich hat, und dann langsam zu den Begriffen kommt? Oder in altertümlichen Lehrbüchern, da wird alles durchlaufen, von vorne nach hinten, ich habe mich versprochen, von links nach rechts.
* Man müsste das umgekehrt anfangen, man müsste von heute ausgehen und Beobachtungen, die man heute macht, äh, über Staatssysteme, die heute existieren, die vielleicht zu versuchen, aus der Geschichte heraus zu erklären, wie die zustandegekommen sind, und nicht so, wie man es heute macht, bei der Steinzeit praktisch angefangen, wo man sich am Anfang wahrscheinlich das sehr schlecht vorstellen kann, und dann allmählich die Entwicklung, verschiedene Kaiserreiche und so weiter bis heute macht. Ich würde es gerade umgekehrt machen.
# Was macht man denn heute?
* Ich würde sagen man fängt bei der Steinzeit an und dann macht man die...
# Wo fängt man an?
* Steinzeit also haben wir angefangen.
- Urmensch, ja.
# Das macht man heute?
* Ja. - Chronologisch geht man vor.
- Dann die verschiedenen Völker und dann... vor dem ersten Weltkrieg hört es auf.
- Nee, nee. Bei uns hat es knapp nach dem zweiten Weltkrieg aufgehört.
- Ja, eben, der Geschichtsunterricht hört da auf und danach kam dann die Gemeinschaftskunde, die kam dann; und dann kam nichts bis zum Ende des zweiten Weltkrieges.
- Aber auch nur ganz knapp.
- Die Französische Revolution macht man auch noch .
# Ja finden Sie das gut, hinten anzufangen, zeitlich zumindest?
* Könnte ich mir leichter vorstellen, weil, ja, wie soll ich sagen...
# Da fängt man doch an mit einer Sache, wo gewiss niemand dabei war.
* Nein, ich meine heute anfangen, jetzt, nicht bei der Steinzeit anfangen; heute anfangen und dann zurück gehen.
# Das ziehen Sie vor?
* Würde ich vorziehen.
# Also machen die das nicht so?
* Nein.
# Ich würde es auch vorziehen.
* Ich wollte noch etwas zu dem bisherigen Unterricht sagen. Geschichte kann man ja, kann man ja nicht alles bringen, das ist ja ganz unmöglich. Und so wird der Geschichtsunterricht immer Schwerpunkte haben, auch wenn er versucht, von Anfang an alles durchzugehen. Und früher war es so, dass besonders Kriege und politische Veränderungen gebracht wurden. Mich hat als Junge früher viel mehr interessiert, wie haben die Leute früher gelebt, wovon haben sie sich ernährt, wie haben sie Brot gebacken und solche Sachen. Und das kam überhaupt nicht in unserem Geschichtsunterricht vor.
# Und wenn man ganz von heute anfängt, fängt man auch mit Schwerpunkten an, aber einfach rückwärts laufen. Dann hätte man doch den Grundsatz, dass man mit dem anfängt, was man vor sich hat, und nicht das, wobei niemand dabei war.
* Das heißt also bei der Demokratie müsste man Quellenstudien treiben, zurück, wie ist eine Demokratie entstanden? Heute haben wir eine, wie hat sie sich entwickelt? Und damit würden wir auch den Rückstoß vornehmen.
# Aber erst müsste man doch einmal die Demokratie bemerken.
* Hmmhmm.
# Heute.
* Ja. - Oder zum Vergleich bieten sich ja eine ganze Menge anderer Länder noch an, in denen sie nicht ist...
# Ja, und wenn man nun das Beispiel...
* Das würde ja auffallen, etwas, worüber man sich wundern könnte, und dann könnte man ja ein bisschen in die Geschichte gehen, hat es schon mal irgendwo eine Demokratie gegeben, hat sich das irgendwie geändert, ist es so, dass wenn einmal eine Demokratie ist, dass es auch für immer und ewig bleibt oder gibt es da Wechsel?
- Man kann das auch gleich sagen. Wir leben in einer Demokratie und dann gibt es noch dies und jenes, was aber nicht stimmt. Man kann sich darüber wundern, man kann sich überhaupt wundern, wie sich Dinge entwickeln und woher vielleicht auch diese Mängel kommen, die kommen ja auch oft aus der Geschichte.
# Und wenn man es so macht, wie wir es hier gemacht haben, müsste man ausgehen von etwas, was einen erstaunt, was man nicht versteht, was einen beschäftigen muss, das seltsam ist...
* Zum Beispiel könnte man auch ausgehen von einem Blick in den Garten, da haben wir zum Beispiel Tomaten und Sonnenblumen, seit wann gibt es die? Die sind von Mittelamerika zu uns gekommen...
# Ja, sicherlich, nur ist das nicht gerade historisch aufregend, nicht?
* Finde ich doch, sehr.
# Es gibt sicher Leute, ich hätte gar nichts dagegen, aber...
* ...das hat unser Leben doch auch sehr beeinflusst, die Änderung der Ernährung.
# Ja, natürlich. -
Also ich habe nur ein Beispiel dieser Art praktisch gesehen, das war in der alten Odenwaldschule. Da hatten wir einen sehr tüchtigen Historiker, und der begann mit der Französischen Revolution, ohne Vorbereitung und ohne alles. Er benutzte, soweit das damals möglich war, die Dokumente, die man noch hatte. Heute hätte man das sehr viel schöner, Sie haben Taschenbücher, wo Sie nachlesen können, was da für Plakate überhaupt an der Wand hingen. Und das hat er sehr gründlich gemacht, mit einer kleinen Gruppe, vielleicht so groß (Seminar) und jeden Tag, sicherlich jeden Tag, und das Ganze vier Wochen lang. -
Ja, wie finden Sie das? Was kann man dabei lernen? -
Bloß wie die Französische Revolution abgelaufen ist, so wie hier bloß das Wasser hängen bleibt? Oder warum der Zirkel im Kreis herum läuft? Das kann man doch alles entbehren!
* Ja, man kriegt wahrscheinlich das Gefühl dafür, wieso eine Revolution überhaupt zustande kommt.
# Zusammenhänge? So wie bei unserem Wasserversuch man den Zusammenhang zwischen dem kleinen Spiel und der gesamten Atmosphäre, Zusammenhänge, kausal, das heißt: warum, warum kann eine Revolution entstehen? Dann war dieser Kollege natürlich gezwungen, rückwärts zu gehen und die Zeit vorher zu betrachten, wo die Wurzeln da waren. Und auch vorwärts zu sehen, was heute daraus geworden ist. Das einzige Beispiel, da ich genauer kenne, und das finde ich sehr gut. Biologie? -
Was haben Sie für Fächer?
* Chemie.
- Chemie.
# Die Chemie kann man ja auch entwickeln, wenn Sie versuchen, mit dem Einfachen anzufangen, möglichst mit den Atomen, nicht?
(Brausendes Gelächter)
# Wir wollen ja nicht übertreiben, aber doch sehr bald. Man hat den Eindruck, dass sie ganz glücklich sind, wenn sie endlich bei den Molekülen gelandet sind. Dann können sie sich identifizieren(?) Aber wenn man es anders macht, wenn man es also so macht, wie wir es versucht haben, womit sollen wir anfangen? Kennen Sie chemische Erscheinungen, die aufregend sind? Bevor man etwas weiß, keine Kenntnisse! Wodurch man gezwungen ist, dem nachzugehen? Es muss aber typisch chemisch sein, nicht etwa physikalisch.
* Ja, vielleicht so Sachen wie Indikatoren, mit Rotkrautsaft oder sowas, dass es einmal blau und einmal rot wird.
- Und dann Säuren-Basen.
# Kann man das machen?
* Das ist eine Beobachtung aus dem Leben.
- Aber man kann nicht weit zurück gehen, wenn man nicht genügend Kenntnisse hat.
- Ja, in die Anfänge, das stimmt.
- Ja, was willst du für Anfänge machen, es kommt darauf an, was man in der Schule machen will.
- Das ist schon ein sehr spezielles Thema Säuren-Basen, nicht so umfassend, dass man sich daran die Chemie vorstellen kann.
- Ja, das ist aber bei der Physik auch so, das sind ja auch einzelne...
- Bei der Physik geht es besser.
- Säure und Base, das ist im Grunde ja wieder Theorie, da müsste man auch wieder Theorie beisteuern, bis man soweit kommt.
- In der Physik ist ein ideales Beispiel die Kerze aus der Faraday-Vorlesung. Am Beispiel der Kerze und von der Kerze immer wieder ausgehen, immer wieder zu ihr zurück kommen.
- Die Naturgeschichte einer Kerze heißt das, Reclam-Heft.
# Kennen Sie das?
* Ja.
- Sollte jeder Lehrer kennen.
- Ach ja.
# Gibt es ganz billig, "Naturgeschichte einer Kerze", da ist alles drin, Physik und Chemie - und Handwerk, wie man eine Kerze macht. Diese Vorlesung hielt er auch vor Kindern und tat den Ausspruch, er hätte nichts gemacht, was die Kinder nicht verstanden hätten. - Sie kennen doch Faraday? Nein?
* Faraday-Konstante (Gelächter)
- oder den Käfig.
# Wissen Sie etwas von ihm?
* Sie meinen den mit dem Käfig?
- Ja, das ist das, was ich auch weiß.
# Ist ja nicht nötig, man kann ja ohne ihn leben. Er ist interessant, weil er nicht studiert hat... ...und dann Professor wurde. Heute geht das leider nicht mehr. Er war, soviel ich weiß, Buchbinder, und die Buchbinderei ist ja eine Verführung zum Lesen. Und dann hat er etwas ganz Kühnes gemacht, er hat an den Physiker, der damals der bedeutendste war -Davy- einen Brief geschrieben, ganz naiv: Das interessiere ihn alles sehr, und ob er nicht zu ihm kommen könne und das nicht lernen könne. Davy hat sich mit seinem Kollegen unterhalten: "Was machen wir denn damit?" und darauf sagte ihm der andere: "Ach schreiben Sie ihm, wenn er Flaschen spülen wolle, dann dürfe er kommen." Darauf erschien er prompt und spülte die Flaschen. Dann haben sie gemerkt, dass das also sehr ernst war. Und es war gar nicht so sehr lange, er hat also rapide aus der Praxis gelernt, in Gegenwart eines bedeutenden Chemikers, und ist dann vielleicht nach zwanzig Jahren oder vorher schon sein Nachfolger geworden. Ein reizender Mann außerdem, seine Geschichte ist auf jeden Fall interessant. -
Biologie: Womit fangen Sie an? - Halt, ich habe noch etwas vergessen zur Chemie. Die Chemie hat ein einziges großes Rätsel. Nämlich: Wie kann es passieren, dass ein Stoff sich so verändert, dass er überhaupt nicht mehr wiederzuerkennen ist? Ist doch so. Wir wissen ja, wenn zwei Stoffe sich verbinden, dann entsteht daraus zum Beispiel HCl, das habe ich noch in Erinnerung, aus Wasserstoff und Chlor. Und was herauskommt hat weder mit Wasserstoff noch mit Chlor etwas zu tun. Also absolut unverständlich. Chemiker tun immer so als ob das ganz klar wäre. Damit könnte man anfangen, nicht als Lehre sondern als Rätsel. Es gibt sehr wenige Lehrbücher, die das machen. -
Biologie: Womit fangen Sie an? Mit der Zelle. Ich habe gehört, im vierten, fünften Schuljahr sind sie schon bei der Zelle. -
Die ist aber nicht zu sehen, glaube ich. Wo müssten sie aber sein, womit müssten sie anfangen, um etwas typisch biologisches zu haben?
* Bei der Kaulquappe! Ich habe bei der Kaulquappe angefangen, bevor ich in die Schule kam. Ich habe Kaulquappen studiert. Und ich habe mich riesig aufgeregt, als ich `den Wasserfrosch' auswendig lernen musste.
# Ja, die kenne ich sehr gut, die Kaulquappen.
* Ja, das ist auch für Kinder unheimlich faszinierend und das ist auch dieser Wandel. Gerade was an diesem lebenden Wesen das Tolle ist, dass es sich verändern kann, dass sie eine Entwicklung haben, eine eigene Geschichte. Ja, oder bei den Bienen. Bienen und Ameisen, das kennt doch jedes Kind.
# Na gut, ich wollte das nur noch nachtragen. Noch ein Zweites, das ich nachtragen möchte: Halten Sie denn die Methode, die ich hier versuche, -ich sage nicht, dass ich sie kann, aber die ich versuche- dass man die in den Schulen anwenden kann?
* Nur äußerst bedingt wahrscheinlich, weil man sehr viel Zeit wahrscheinlich dafür braucht. Und es ist vom Lehrplan unheimlich viel Stoff in einer ganz bestimmten Reihenfolge vorgeschrieben, man muss sich mit den Klausuren mit den anderen Lehrer absprechen und so weiter und so weiter.
# Gut, zugegeben. Und wenn man nur verlangt, dass man sie regelmäßig einschaltet, als eine andere Art, alternative Art? Also die Rennstraßen des Normalunterrichts bleiben bestehen, aber ab und zu werden solche, absolut vom Lehrplan freien Gesprächskreise eingerichtet.
Wenn man das macht... Glauben Sie, dass die Schüler dazu fähig sind?
* Das kommt ganz darauf an, in welcher Klassenstufe das irgendwann einmal angefangen worden ist. Wenn man in der Oberstufe ist und so etwas probiert, kann man vielleicht noch Glück haben, weil die Leute schon wieder so erwachsen sind, dass sie vielleicht daran Spass haben. Aber wenn man so neunte Klasse vielleicht damit anfängt, dann sagen bestimmt viele: "Eh, was soll denn das und wie ist denn das mit den Noten? Und ich soll jetzt hier reden und das bin ich gar nicht gewohnt."
# Bitte, wenn Sie eine Klasse haben, mit der Sie gut vertraut sind, dann geht es vielleicht. Und sonst? Geht es besser ganz oben oder geht es besser ganz unten, dass man so miteinander spricht, frei miteinander spricht, nicht dozierend sondern... ?
* Besser unten.
# Und das wollte ich Ihnen nicht nur erzählen, das geht nicht nur, sondern das geht gut. Ich war also Zeuge in Tübingen, wo ein junger Lehrer, ein... von Anfang an, das war er nicht allein, das waren einige zusammen, eine Versuchsschule der Universität, und die hatten also ausprobiert, dass man sich hinsetzt im Kreis. Die waren, als ich sie gesehen habe, neunjährig, hatten aber die Methode von Anfang an gehabt. Die Methode hieß: man sitzt da, das Thema wird gestellt, ich sage nachher wie das Thema sein muss, - na, das kann ich gleich sagen, das Thema muss aufregend sein. Das Ganze lief damals unter Sachunterricht oder auch Physik oder Naturwissenschaft. Das Thema muss aufregend sein, so dass diese Neunjährigen dann von sich aus reden, jeder so, wie ihm ist, keine Vorkenntnisse, nicht nötig. Wenn das vom ersten Schuljahr an geübt ist, dann geht das also so gut, wie ich noch keine Erwachsenenrunde gesehen habe. Eine ausgezeichnete Disziplin. Das heißt, es redet immer nur einer, das ist alles. Sonst ist gar nichts Wesentliches zu erwähnen. Die sitzen nicht da, (brav), nein, die sitzen am Tisch, manchmal auch auf dem Tisch, jedenfalls sehr beschäftigt, und manchmal legen sie den Arm auf die Schulter vom Nachbarn, aber immer nur einer (redet), das halten sie eisern ein. Und sie reden über die Sache auch in dieser Weise, immer nur einer, und was da zu machen ist. Einige Themen, die ich bei ihnen gesehen habe: "Warum springt ein Ball wieder hoch?" Wissen Sie es? Eigentlich könnte man ja sagen: Könnte ja oben bleiben, denn da will er hin. Aber da bleibt er nicht, er springt wieder herunter. Aber nicht nur Bälle, auch Stahlkugeln auf geeigneter Unterlage springen hoch. Das ist ein Thema, was genug aufregt. Zweites Thema: "Kann Wasser bergauf laufen?" Es kann bergauf laufen. Der Lehrer führt es vor und weiter nichts. Das ist die Art, wie man ein Weinfass leeren kann, ein Heber. Das kennen Sie doch. Da steht ein Topf mit Flüssigkeit und da haben Sie einen Schlauch. Den Schlauch füllen Sie ganz...
* Ansaugen,
# ...mit derselben Flüssigkeit, tauchen ihn dann ein, Finger drauf und dann rum und muss nur das andere Ende tiefer haben als hier das Niveau geht (zeigt in der Luft, wie es geht). Dann klettert das Wasser, wie man sieht, hier herauf. Darüber reden die ein bis zwei Stunden, und zwar mit Verstand. Sie haben natürlich einige Erfahrung. Wenn man also neun Jahre ist und sich herumgetrieben hat, dann wissen die viel. Die sprechen nicht etwa physikalisch, sie sagen nicht: "Hier wird auf diesen Körper eine Kraft ausgeübt" und was solcher Unsinn weiter ist, sondern ganz einfach: "Da zieht was dran" oder "da drückt was". Das wurde auf Band aufgenommen, das hat die so wenig gestört, wie die Uhr uns stört. Sie haben nur dann und wann einmal gefragt: "Was ist denn das?" Dann hat er gesagt: "Hält fest, was wir sagen". Hat sie nicht weiter interessiert. Das hätte ja auch interessieren können. Das Ganze ging pausenlos, das ist das Allermerkwürdigste, und sehr schnell, die sprechen sehr schnell. Das Ganze hört sich wie Gezwitscher an, und völlig ungezwungen und sachlich. Das können Sie lesen, mehr über solche Themen, in einem Buch. Titel: Wagenschein, Bannholzer, Thiel (Thiel ist die Hauptsache) Kinder auf dem Wege zur Physik. Das Buch ist vergriffen, kommt aber wieder. Ich habe aus einem hier ein Protokoll, nur dass Sie hören, wie die reden. Bei denen handelt es sich darum, warum der Schall verspätet kommt. Wenn man also einen Knall macht oder ruft, dann hört man das ein bisschen später als man es sieht. Das wissen die. Nicht alle Menschen wissen das. Wenn einer in der Großstadt aufwächst, hat er keine Gelegenheit, so etwas zu bemerken. Wenn ich hier auf den Tisch schlage und es ist draußen im Freien, dann steht hier jemand und hört es gleich. Aber wenn er weit weg ist, einhundert, zweihundert Meter, dann hört er es zu spät. -
Das kennen Sie nicht? Nein?
* Doch.
-Ich weiß, dass es so ist, aber gesehen habe ich es noch nie.
- Ich habe es einmal ganz deutlich gesehen, da wurde ein Haus gebaut und da haben die oben irgendwie einen Dachstuhl zusammengenagelt. Und ich war wirklich weit weg, und jedesmal erst wenn der Hammer oben war, habe ich den Schlag gehört. Das war ganz unwirklich, deshalb ist mir das so aufgefallen.
# Ausgerechnet was?
* Ja, erst wenn er oben war, dann hat er erst geschlagen. Kennen Sie das alle?
* Ja - Ich weiß, dass es so ist, aber gesehen habe ich es noch nie.
# Also die (in Tübingen) haben das gesehen, bei so einer ähnlichen Gelegenheit...
* Ja.
# ...und dann haben sie es im Schulhof nachgemacht, mit einer Trommel, großen Trommel, in einer Ecke vom Schulhof stand die Gruppe und er in einer anderen. - Nun, was denkt sich ein Lehrer, der Physik studiert hat, was die da machen? Was die dann sagen? Oder was er sagen würde, der arme Mensch. Er wird dressiert sein zu sagen: "Was beobachtet ihr?" und erwartet ganze Sätze und wartet dann, dass sie möglichst bald landen bei der Schallgeschwindigkeit, denn er ist ja auf Messen interessiert, gar nicht so richtig bei der Sache selbst. "Warum, überhaupt". Und das geht so vor sich (in Tübingen): "Als er da unten stand und klopfte, (er hieß Richard) wenn der Richard geklopft hat, dann kam das Klopfen erst nachher, das Klopfen. Da hat's ein bisschen gedauert, so... ...ein bisschen". -
Was sagen Sie dazu? Vergleichen Sie das einmal mit einem Lehrbuchsatz.
* Da ist wahrscheinlich eine genaue Zeitangabe und eine genaue Entfernung.
# Ja, müsste.
* Ist vor allem noch ein ganzer Satz und nicht so ein Bruchstück davon und nicht Wiederholungen.
Also im Lehrbuch, da würde es nie so ausgedrückt werden. Aber das zeigt eigentlich, dass derjenige, der das gesagt hat, schon darüber erstaunt war, weil er immer wieder betont hat "ein bisschen" und er konnte es im Augenblick nicht so genau fassen.
# Ja, ja. Es heißt hier "ein bisschen". Er konnte es nicht genau sagen. Ist auch klar, dass der Richard beim Namen genannt wird, nicht? Sonst hätte man ja vielleicht sagen können im Lehrbuchstil: "Wenn ein Mensch auf einen Gegenstand schlägt, so wird der Schall für einen entfernten Beobachter eine gewisse Zeit später wahrgenommen". Stimmt das so? Würde man so sagen?
* Vielleicht würde man den Menschen auch gar nicht einfügen, sondern einfach sagen: "Wenn ein Körper auf einen anderen schlägt, oder wenn ein Klang erzeugt wird an einer Stelle, dann wird er erst einige Zeit später an einem anderen Ort von einem Empfänger..."
- Wie steht es denn in einem Unterstufenbuch? Man macht doch so etwas schon in der Unterstufe. Die kenne ich nicht, die Bücher.
- Was ich hier bei dem Zitat eigentlich sehr deutlich fand, ist das, dass es ausgeht von der Erwartungshaltung, also von dem inneren Bezug eines Subjekts in dieses Zuhören des Schülers auf das, was da passiert. Er erwartet etwas, das weicht etwas ab von seiner Erwartungshaltung, das dauert -ein bisschen- deswegen betrifft ihn das ganz plötzlich sehr persönlich. Während wenn ich das immer aus so einer distanzierten Haltung her beschreibe, spreche ich eben nur distanziert, so dass mich überhaupt nichts mehr wirklich davon angeht, was da im Buch steht.
# Es ist auch etwas "was da kam" also es kam etwas. Wenn er gesagt hätte: "Wir haben es erst später gehört", das wäre noch weiter zurück. Aber er hat schon eine andere Ausdrucksweise, dass etwas kam. Und was kam, "Das Klopfen kam", sagt er. Wenn Sie das korrigieren würden, dann würden Sie das ganze Interesse innerhalb von wenigen Sekunden auf Null bringen. Außerdem ist es ja sehr gut und nicht zu korrigieren. - So, nun haben sie die Einrichtung, dass wenn einer etwas gesagt hat, dass die anderen sich dann melden und dass der, der dran war, einen herausgreift unter denen, die sich melden, der Lehrer sagt nichts. Das geht sehr gut. Also der hat etwas gesagt und hat sich hingesetzt und guckt sich um und dann kommt einer, der sagt: "Also nach dem Richard hat der Thomas geklopft. Und wie er die Hände erst wieder auseinander hatte, da hat's erst bei uns geklopft."
Das ist Ihr Fall (zu der Teilnehmerin hin), was bei Ihnen oben-unten war. Beachten Sie, er spricht "bei uns", nicht bei dem Punkt A oder so etwas "...hat es erst bei uns geklopft", nämlich wir haben erst da gehört, wie er die Hände wieder auseinander gemacht hat. Soweit ist es eigentlich eine Wiederholung des ersten. Interessant, dass die überhaupt das Bedürfnis haben, zu wiederholen. Aber der geht weiter und gibt ungefragt eine Erklärung ab. Die heißt: "...weil der Schall ja auch eine Zeit braucht, bis er bei uns war." Ja, hat er schon gemerkt. Der erste sagt "das Klopfen" und der sagt "der Schall", dann hat er sich schon von der Handlung abgelöst und bewegt sich schon durch die Gegend. Hat er jetzt gemerkt. Das braucht man nicht zu analysieren, es sei denn mit der Gesellschaft. Wir können es hier analysieren, dann ist es interessant -für uns. -
Und dann kommt einer, der wiederholt jetzt diesen Satz auch, aber anders. "Der Schall, der muss, der kann doch nicht so schnell... ...wenn der da hundert Meter weg ist, der ist nicht so schnell, der muss doch auch erst wegkommen". Was hat er gesagt? Hat er etwas Neues gesagt?
* Dass es von der Entfernung abhängt, die hundert Meter, die er da hereinbringt.
# Hat er schon gesagt? Das hat der vorige doch auch gesagt.
* Aber der sagt: Der muss doch auch erst herkommen, der Schall. Dann spricht er damit die Vermutung aus, dass alles, das sich in irgend einer Weise fortpflanzt, dass das mit einer Zeit zu tun hat und nicht momentan.
# Ja.
* Er sagt noch deutlicher, dass derselbe Schall von da nach da geht. Also der andere hat ja nur gesagt, das braucht eine Zeit, aber er sagt nun wirklich "der Schall", also wie ein Wesen, das da losgeht und bis dahin geht. Also er betrachtet den Schall schon als eigenständiges Gebilde, das an einem Ort startet und wohin geht.
- Das rennt.
- Ja, es rennt, deswegen kann es auch nicht so schnell. Ganz menschliche Erfahrung.
- Wobei er immer noch sagt, "der Schall braucht Zeit, um herzukommen".
Ich kann mir vorstellen, dass dieser Schüler mehr Schwierigkeiten hätte, sich vorzustellen, dass der Schall in alle Richtungen gleich geht. Das fehlt mir also noch.
# Ja, das kommt noch, es kommt dann bald.
* Wenn wir eine halbe Stunde früher Schluss machen wollen, sollten wir aufhören.
# Ja, danke.
Die reden immer noch darüber, dass der Zeit braucht. Jetzt kommt der Richard. Der macht das Merkwürdige. Der sagt das auch noch und kündigt vorher an -Sie können damit sehen, wie die Gruppe reagiert, wenn einer unsachlich wird- : "Ich möchte noch mehr sagen als der Jens. Der Schall braucht auch eine gewisse Zeit, dass man ihn hört". Was meint er damit?
* Ja, das hört sich jetzt so an, der ist zwar schon hier, aber hören tun wir ihn trotzdem noch nicht, der muss irgendwo bei uns erst...
- Eine Schrecksekunde.
- Ja, irgendwie so was.
- Der meint den Weg durch die Ohren.
# Und dann sagt er: "Manchmal hört man ihn überhaupt nicht".
* Das ist gut!
# ...und dann kommt: "Wenn er eine andere Richtung hat". Das ist deutlich etwas anderes als bisher und deswegen...
* Da steckt auch wahrscheinlich die Erfahrung dahinter, dass, wenn man zu jemand direkt spricht, dann hört man ihn sehr gut, wenn einer aber nach hinten spricht, dann hört man ihn schlecht.
# Er bekommt Unterstützung und ein anderer sagt: "Wenn der Wind anders ist". Er bringt jetzt den Wind dazu. Den anderen ist das zuviel, sie überhören die Abweichung. Und da fängt der Thomas total noch mal von vorne an: "Als der Richard geklopft hat, als er geklopft hat und dann die Hände schon auseinander hatte, dann ist er, dann hat's erst bei uns geklopft. Aber wenn man..." -jetzt sagt er etwas Neues- "...aber wenn man dransteht, dabeisteht, da klopft's zu der Zeit, wenn man klopft". Ja? Hat mich sehr gewundert, weil ich dachte, ist doch klar.
* Wenn man daneben steht...
# Er meint, wenn man neben dem Klopfer steht, dann ist das Ganze nicht der Fall. Ich weiß nicht, was er hat sagen wollen, aber ich finde es...
* Doch, ich denke, er hat auch sagen wollen, was der andere sagte, dass der Schall von dort nach dort geht und im ersten Moment noch dort ist.
- Der läuft ja erst von da los.
- Ja, eben, das wollte er damit wohl sagen. So habe ich es verstanden, dass er darauf hinweisen wollte, dass der Schall auch einmal da war. Also das ist eigentlich selbstverständlich, aber für ihn war das wohl nicht selbstverständlich, weil er nochmal darauf hinweisen wollte, dass der Schall da war und später woanders war.
# Also jedenfalls sind sie sehr gründlich. Das kann man feststellen. Es kommen natürlich gelegentlich Abweichungen und auch der Lehrer muss sagen oder ein anderer sagt: "Bei der Sache bleiben!" Ja, das können Sie lesen. Aber noch etwas ist auffällig. Nachdem sie etwas herausgekriegt haben, sprechen sie darüber, wie der Schall hinkommt und die Meinung kommt auf, dazu sei die Luft notwendig, dass die Luft gewissermaßen trägt. Deswegen gibt es Widerspruch. Also Widerspruch dagegen, dass der Schall einen Träger braucht. Da ist nämlich der Tilmann, der macht einen wunderbaren Satz, ganz schnell: "Der Schall hat keine Augen, deshalb fliegt er hin, er prallt so hin und fliegt so dran. Er braucht niemand." Korpuskulartheorie. Eben der Schall ist es, der sich bewegt, und zwar allein, ohne Luft. Er fliegt höchstpersönlich dahin. Es gibt nichts Interessanteres als diese Lektüre. Achim sagt dazu noch: "Er ist halt einfach da." Punkt. Galilei hat das auch erwogen, dass er einfach da ist und nennt das Instantan, also zeitlos. Man sieht es ja, Schalter eingeschaltet, das ganze Zimmer ist hell. So, so. - Also ich schließe daraus, es geht ausgezeichnet. Unsere Schule könnte ganz ausgezeichnet sein, wenn man früh richtig anfänge, hätte man interessierte, lebhafte, kluge Kinder, die klug bleiben und nichts einfach glauben.-
Damit möchte ich den ersten Teil schließen. Dankeschön.
Einige Teilnehmer schauen sich den Video-Film nochmals an. (Auf der Kassette folgt jetzt der Text des Video-Films)

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