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Aus dem Gemütsleben der Post.

von G. K.

Die Post als Tröster.

Neuerdings mehren sich die Anzeichen, dass in die harte Sachlichkeit unserer Zeit, ja sogar des Postwesens, wieder Töne persönlicher Freundlichkeit und zarter Anteilnahme sich mischen. Oder, wie soll man es anders deuten, dass ich neulich auf dem schwarzgerandeten Umschlag einer Todesanzeige den Ausdruck, oder vielmehr Aufdruck hilfreicher Teilnahme der Post fand, der mich aufs tiefste rührte: "Benutzt die Luftpost!" Welch tätige Hilfe, welch trefflicher Hinweis, durch jenes himmelstrebende Vehikel dem Verblichenen meine Grüße nachzuschicken.

Wie sehr diese Behörde aber ständig sich bemüht, immer noch vollkommener zu werden, zeigte mir eine andere Todesanzeige. Denn darauf stand, schwarz umrahmt und trostreich: "Nimm Dir einen Fernsprechanschluss!"

Zur Psychologie des Briefträgers.

Die Tragik des Boten -, wer erinnert sich nicht der grauenvollen Geschichten aus alter Zeit? Der Unglücklichen, die mit der schlimmen Nachricht auch ihr Leben in die Hände des Empfängers legten und oft genug darin lassen mussten?!
Wir heute sind, zwar nicht besser, so doch zivilisierter geworden. Allenfalls zerreißen wir die Zeitung, aber die Zeitungsfrau zu erschlagen, weil etwa die Gegenpartei im Reichstag gewonnen hat, das kommt auch dem leidenschaftlichsten Politiker nicht in den Sinn.

Aber gerade diese Temperierung, gerade diese unsere Sachlichkeit hat gemacht, dass das Leid des Boten nicht verschwunden, vielmehr das Vorzeichen wechselnd, sozusagen negativ wieder aufgelebt ist in unserer Zeit.
Seht den Briefträger an! Musste er früher entgelten, was seine Schuld nicht war, so lässt man ihn heute gar nicht teilnehmen, woran er immer noch beteiligt ist, indem er es bringt.
Ein anonymer Schicksalsbote, so geht er durch die Häuser und wirft die Briefe in den Schlitz der Kasten. Ist schon im nächsten Stockwerk, wenn im vorigen sich der Kastenschlüssel dreht, und hört nicht mehr das Lachen oder Weinen, das seine Nachricht dort entzündet hat. Und weiß doch, sieht doch vor sich die Flucht erwartungsvoller, banger, sehnsüchtiger Korridore, und meint in seinem Rücken das Brausen der Leidenschaften zu hören hinter den Türen, die er schon besuchte.
Welch ein schmerzlicher, welch ein vornehmer Beruf, Briefträger mit Phantasie zu sein!
Du erhabenster aller Postbeamten, du menschlichster in deinen Möglichkeiten. Diskret und schweigend tust du deine Pflicht, entsagungsvoller Geheimnisträger. Dein Trost: Die Liebenden, die hinter den Gardinen dich erwarten; dein Trost, die abendlichen Gestalten, die an den Straßenecken, an den Briefkasten sich verzehren und flüchten, wenn du ihn geleert hast: So nimm denn Schicksal deinen Lauf!