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3. November 1986.

Thema: Lichtbrechung - Bedeutung der Sprache - Farbige Ränder ("Im Wasser Flamme") - Lichtstrahlen - Lichtgeschwindigkeit

# Martin Wagenschein
* Seminarteilnehmer
- weitere Seminarteilnehmer in der selben Runde
() redaktionelle Kommentare

# Könnte mal einer sagen, was wir gemacht haben? Ich habe lange Zeit gebraucht, bis ich das wieder aufgeschrieben habe aus dem Kopf. Die Frage hat natürlich hier einen anderen Sinn als in der Schule. In der Schule will man wissen, wer aufgepasst hat. Hier hat es den Sinn, die anderen zu erinnern. Es kann völlig wirre vor sich gehen, das braucht kein Bericht zu sein, einfach eine Gedächtnis-Entlösung. Kann auch verschieden sein, es gibt viele Berichte.

* Wir hatten uns doch um die Entwicklung des physikalischen Denkens beim Kind unterhalten. Da hatten wir so einzelne Beschreibungen vorgelesen, aus der Schule, verschiedenen Alters.

# War das das vorige Mal?

* Ja.

# Ja, packen Sie einfach aus und legen es auf den Tisch, vollkommen durcheinander.
Sie brauchen nicht anzuschließl;en an das, was er gesagt hat.

* Ach so, na ja, am Beispiel der Brechung. Das war der Ausgangspunkt. Brechung: Wie äußl;ern sich Kinder dazu, und zwar in verschiedenen Altersstufen? Und wann geht diese Äußl;erung in eine physik-ähnliche Äußl;erung über?

# Wie waren denn diese Äußl;erungen? Was haben Sie denn für einen Eindruck?

* Also was mich verblüfft hat, war, dass mir zum ersten Mal auffiel, dass eigentlich von Abbrechen geredet wurde. Das war für mich das Verblüffende das letzte Mal, dass offensichtlich gedacht wird: das hört auf, das ist abgebrochen am Wasser. Bei einer bestimmten Gruppe von Kindern.

# Sogar der Besen ist abgebrochen.

* Oder Bleistift, oder die Stange ist abgebrochen...

# ...oder Entenbeine.
Nein, ich meine, welchen Eindruck haben Sie von der Qualität? Inhaltlich, meinetwegen auch Altersstufe. Waren Sie enttäuscht oder waren Sie zufrieden? Oder entspricht es Ihren Erwartungen?

* Meine hat es eher übertroffen.

# Übertroffen?

* Ja.

# Die anderen?

* Ich persönlich kann zu dieser Frage nicht direkt antworten, weil ich selbst noch wenig Erfahrung habe mit Schülern. Die anderen haben offensichtlich alle schon Erfahrungen mit Schülern gemacht. Ich bin durch das Gespräch auf ein anderes Problem aufmerksam gemacht worden, nämlich auf das Problem, wieweit ich den Schüler überhaupt verstehen kann, was er versucht auszudrücken. Ob er überhaupt schon soweit ist, etwas auszudrücken. Das ist das Problem der Sprache dann, also das gewisse Phänomene für Schüler in einer bestimmten Entwicklungsstufe einfach noch nicht zu fassen sind, auszudrücken sind.

# Fanden Sie es unverständlich?

* Das war ein neues Problem für mich, so etwas. Also darauf bin ich aufmerksam gemacht worden.

# Können Sie dazu noch etwas mehr sagen?

* Ja, dass ich als Lehrer das Problem habe, dass für mich gewisse Phänomene zu erkennen sind, die ich dann auch formulieren kann. Aber ich kann nicht gleichzeitig verlangen, oder es muss ein Schüler auch erst einmal lernen, das Gleiche zu erkennen wie ich auch, dann bin ich ja der Maßl;stab, das nicht. Also überhaupt etwas zu erkennen und das dann auch im nächsten Schritt sprachlich auszudrücken. Diese zwei Stufen. Und das finde ich, ist ein Problem erst einmal.

# Ein Gespräch zwischen zwei Welten.

* Ja, das kann man so sagen.

# Ist ja die Frage, in welcher Sprache man sprechen soll. Meinen Sie das so?

* Ich meinte auch, überhaupt etwas auszudrücken, also für gewisse Phänomene fehlt die Ausdrucksmöglichkeit bei dem Kind.
- Sie meinen, wenn man klein ist, hat man oft noch nicht den Wortschatz das zu sagen, was man sieht?
- Ja.
- Vielleicht auch, dass man nicht in der gleichen Weise zwischen dem, was man sieht und dem, was man für real hält, unterscheidet wie die Erwachsenen das tun. Wenn ein Kind sagt: "Der Stab ist gebrochen", dann kann das Kind damit meinen: "es sieht so aus" oder: "er ist tatsächlich gebrochen". Aber die sprachliche Unterscheidungsmöglichkeit, zu sagen: "Er sieht so aus als sei er gebrochen", die Distanz von der eigenen Wahrnehmung, die ist möglicherweise bei den Kindern noch gar nicht ausgebildet, das ist mehr eine Einheit und fällt zusammen und nimmt die Welt vielleicht ganz naiv so wie sie ist. Oder sie sind in dem Alter nicht in der Lage, die Distanz zum Ausdruck zu bringen. Das ist eine Frage, die man versuchen müsste...

# Es kommt aber mehrfach vor, dass einer sagt: "Das meint man... wenn man mit der Hand entlangfährt, dann ist es gerade, wenn man hinguckt, ist es nicht gerade." Also das kann man nicht allgemein sagen.

* Dann sind das also Stadien?

# Eine Altersfrage.

* Ja.

# Denke ich auch. Ja.

* Ja, aber das haben wir ja versucht herauszukriegen, wann das physikalische Denken anfängt, diese Altersfrage.

# Ja, meinen Sie, die Kinder sind viel zu jung für Physik?

* Nein!

# Das könnten Sie meinen.

* Ich meinte nur: es auszudrücken.

# Nur - Sie sagten "nur", ist ja alles Ausdruck.

* Vielleicht kann man das daran festmachen, ob jeweils bei einem Kind ein Konflikt entsteht, ein projektiver Konflikt, wenn es den gleichen Stab einmal mit dem Auge als geknickt sieht, wahrnimmt, und gleichzeitig mit dem Tastsinn ihn als gerade wahrnimmt, so dass es eigentlich zwei widersprechende Sinnesempfindungen für das Kind sind.

# Aber das ist ja auch für uns so.

* Ja, natürlich. Wir haben uns sehr gewöhnt an diese distanzierte Sprechweise.
- Ja, das eigentlich Natürliche wäre ja, unseren Sinneseindrücken zu vertrauen. Wenn ich sehe, der Stab ist abgeknickt, dass ich dann auch sage, oder dass das mein Beweis dafür ist, dass ich sage, dass der Stab auch abgeknickt ist. Nur, wir haben schon umgelernt und sagen: "das kann irgendwie nicht sein". Und so wird man dann schon stutzig und sagt: "na ja, das scheint ja nur mal so, dass es abgeknickt ist." Aber ich denke, dass die Kinder da viel natürlicher rangehen und einfach ihren Sinneseindrücken vertrauen. Sagen: "so wie ich es sehe, ist es auch, so ist die Realität." Und wir haben das irgendwie schon verdrängt so zu denken, einfach.
- Vielleicht besteht Physik schon darin, dass man versucht, diese verschiedenen Wahrnehmungen in irgendeinem geordneten Plan anzunehmen. Und in dem Moment, wo für mich kein Konflikt entsteht, wenn ich einerseits den Stab gebrochen sehe, und andererseits ihn aber als gerade erfasse. Wo da kein Konflikt entsteht, da glaube ich, ist auch kein starker Drang vorhanden, jetzt ein geordnetes kohärentes System der Welt aufzubauen. Also da sind eigentlich wesentliche Voraussetzungen von dem, was man eigentlich als wissenschaftliches Denken bezeichnen würde, im Sinne des...

# Meinen Sie, die Kinder hätten kein Bedürfnis, diesen Konflikt zu lösen?

* Doch, ich glaube, dass sie schon ein Bedürfnis haben, aber ich wollte das gerade so als Grenze angeben, an der man feststellen kann, ob jemand schon Ansätze für eine wissenschaftliche Denkweise besitzt oder nicht. Wenn ihn das überhaupt nicht stört, dass das zwei unterschiedliche Wahrnehmungen sind zu anscheinend dem gleichen Objekt, wenn ihn das gar nicht stört, das glaube ich, dann sind die Wurzeln für wissenschaftliches Denken noch nicht so ausgebildet. Aber wenn es anfängt, ihn zu stören und wenn er sagt: "das scheint so" oder "das sieht so aus" oder so, wenn er sich so an der Stelle schon etwas herumdruckst und das Gefühl hat: "das kann ja so eigentlich nicht sein" dann meine ich, ist schon der Keim gelegt dafür, dass man wissenschaftlich jetzt auch nach dem Grund...

# Wenn man anfängt. Das tun die Sechsjährigen nicht. Die sagen ja: "das ist krumm." Die wundern sich gar nicht. Aber sie müssen den Konflikt spüren, sie brauchen nicht bewusst eine Divergenz von gefühlten Eindrücken und optischen zu haben. "Da stimmt was nicht", da fängt Physik an.
Warum hat Galilei sich für Physik interessiert? Er schreibt, sagt es ja ganz genau. Er schreibt im ersten Satz, auf der ersten Seite: "Es hat mich aufgeregt, es war mir unerträglich, dass es Dinge gibt, die wir kausal nicht verstehen. Die guten Leute", sagt er, "benutzen das, die Handwerker, und haben Gewohnheiten, die verstehe ich nicht."
Der Physikunterricht wird anfangen können, wenn Konflikte gesehen werden und wenn es sie dann auch drängt eines Tages, diese Konflikte zu schließl;en. Ist das da oder nicht, bei Kindern? - bei den Kindern, die uns hier in diesem Gespräch begegnet sind?

* Ja. Und zwar werden da auch Erklärungsversuche gemacht. Also mir ist eine Sache noch in Erinnerung, dass die davon ausgehen, dass der Auftrieb des Wassers in der Lage sei, dieses eingetauchte Ende dieses Stabes hochzudrücken. Immerhin ganz interessant. Man könnte sicher ein Experiment machen, wo so etwas tatsächlich auch machbar ist.

# Sofort, finde ich sogar. Kaum sehen sie den Konflikt, und dann haben sie auch schon eine Erklärung. Als ich Referendar war, da galt die Meinung: der Physikunterricht hat zu beginnen, wenn soviel mathematische Kenntnisse vorhanden sind, dass dieselben angewandt werden können.
Ja, ist damit Ihre Frage beantwortet?

* Ja, es war von meiner Seite eigentlich nur eine Feststellung.

# Keine Frage?

* Nein, es war keine Frage.

# Ja, wenn zwei Sprachen gesprochen werden, eine vom Kind und eine vom Lehrer, fragt sich, welche Sprache nun der Lehrer sprechen soll.

* Bis hin, dass er es manchmal wirklich nicht versteht. Ich glaube, manchmal passiert mir das an so Sachen, 'das bricht ab' ist mir noch nie aufgefallen, dass Schüler sagen: "das bricht ab" und damit wirklich so die Vorstellung verknüpft ist, das bricht wirklich ab, das ist zu Ende an dieser Stelle. Und das kann ja passieren, dass ich das als Lehrer manchmal gar nicht merke auch bei anderen Sachen. Dass sie zwar in Worten ausdrücken, was sie so sehen, was sie so denken, dass ich aber überhaupt nicht das Bild vor Augen habe, das die Schüler vor Augen haben in diesem Moment.
- Ja, der Lehrer braucht den Ausdruck 'das bricht ab' ja auch, nur eben in einem völlig anderen Sinn, weil er immer die Distanz zum Objekt im Hinterkopf hat und die Distanz zum Phänomen, das man da wahrnimmt und wie es sich wirklich verhält. Das hat der Schüler natürlich noch nicht im Kopf, und deswegen nimmt er das vielleicht schon für bare Münze und wörtlich.

# Was hat er noch nicht im Kopf?

* Ich meine die Sinneswahrnehmung und die Dinge, wie sie wirklich sind, dass der Schüler nicht unterscheidet. Diese Distanz, das hat der Schüler nicht im Kopf, das hat aber der Lehrer vielleicht im Kopf, wenn er sagt: "das bricht ab."

# Ja, aber wenn er sagt: "das ist nicht so, das meint man nur. Wenn ich mit der Hand entlangfahre, ist es weg. Das kann gar nicht anders sein, das weißl; man doch"? * Also ich möchte eigentlich nur verstärken. Ich glaube, es gibt sogar umgangssprachlich... Selbst wenn ich mich als Lehrer bemühe, mit der Umgangssprache Phänomene zu beschreiben, auf Grund meines Alters und dieser Distanz zu der Wahrnehmung des Phänomens, gibt es, glaube ich, bei Schülern andere Beschreibungen, die ich nicht sofort erkenne. - Das heißl;t, wir drücken mit den gleichen Worten manchmal verschiedene Sachen aus, ganz überspitzt gesagt, - Ja, sie beschreiben etwas und...
- ... ich glaube es zu verstehen und die meinen etwas völlig anderes.
- Oder ich meine, dass die mich verstehen, aber die verstehen mich ganz anders.
- Das gibts ja dauernd! (Gelächter)
- (Lehrer am Abendgymnasium:) Bei Erwachsenen ganz genau so, kein Unterschied, vielleicht nur auf einer etwas anspruchsvolleren Ebene. Aber da kann man sich auch gründlich missverstehen, aneinander vorbeireden. Bei vielen Erklärungen, die die vorbringen, muss ich also intensiv nachfragen, bis ich überhaupt verstehe, was die sich vorstellen. Nur kann man das dort besser als bei Schülern, bei Kindern, sagen wir einmal.

# Der Lehrer muss ja verstanden werden, deshalb muss er die Sprache der Schüler sprechen.

* Ja, und umgekehrt. Der Lehrer muss auch verstehen, was die Schüler antworten.

# Allerdings. Auch dann, wenn es richtige Sätze sind, meinen die manchmal etwas ganz anderes. Auch Erwachsene.
Würden Sie zustimmen, dass der Lehrer die Sprache der Schüler kennen, praktisch können muss?

* Ja, wenn zwei Menschen nicht die gleiche Sprache sprechen, dann kann auch kein Austausch miteinander stattfinden.

# Schrecklich. Was soll ich denn dann sprechen?

* Ja, ich kann beide Male Deutsch sprechen, trotzdem kann ich mich nicht mit dem Anderen verständigen.

# Wie sollen sie nun reden?

* Man kann sogar noch weiter gehen und sagen: "Im Grunde müsste der Lehrer die Schüler dazu zwingen, wieder zu einer elementaren Ausdrucksweise zurückzufinden, falls sie schon versucht haben, sich ihm anzupassen oder früheren Physiklehrern anzupassen". Weil er nur so den Kern des Verständnisses freischälen kann. Wenn die Schüler schon einmal versucht haben, sich einem Lehrer anzupassen in ihrer Sprache, dann steckt die Distanz in ihrer Sprache, obwohl sie die geistig gar nicht begriffen haben, und dann glaube ich sollte der Lehrer versuchen, sie wieder dahin zu bringen, dass sie sich ganz elementar äußl;ern ohne jede physikalische Sprechweise. Dann ihnen allmählich diese Schritte wieder deutlich machen.

# Wo soll denn diese physikalische Sprechweise herkommen? Soll er also nach zehn Minuten in die physikalische Sprechweise umschalten, der Lehrer?

* Sie sollte idealerweise natürlich aus den Kindern erwachsen und aus ihrer eigenen Sprechweise. Aber es ist die Frage, ob die Kinder da landen, bei der Sprechweise.
- Wenn er sie vormacht, schon.
- Aber es ist die Frage: Wieviel darf er vormachen?
- Alles.
- Ja, wenn er alles vormacht, dann besteht die Gefahr...
- Nein, in der Sprache.
- ... dass die Kinder seine Sprache imitieren, ohne dass sie wirklich diesen Verständnisprozess durchlaufen haben.

# Das ist der Normalfall.

* Das ist der Normalfall, man übt nur Sprechweisen ein, keine Verstehensweisen.
- Wenn meine Sprache so ist, dass sie ausdrückt, was ich wirklich verstehe, dann schadet es ja nichts, wenn die mich imitieren.

# Nein, nein. Aber wo kommt die physikalische Sprache her? Der Lehrer kann sie doch nicht einfach papageienhaft herstellen.

* Ich finde, die physikalische Sprache kommt doch aus der Sache selbst.
Das hat man doch letztes Mal aus dem Text ganz toll gesehen. Die Beschreibung erzwingt ja eine Exaktheit, und das merken die Kinder ja auch.

# Haben Sie ein Beispiel?

* Ja, das von dem gebrochenen Lichtstrahl. Am Anfang ist das noch nicht so deutlich und klar bei diesem Gespräch, das wir da vorgelesen haben. Da sagt doch die eine oder der eine immer: "Da ist das Wasser schuld": Das ist grob ausgedrückt. Mit der Zeit kommen da viel exaktere Formulierungen und das erzwingt die Sache.
- Nein, die Sache erzwingt das nicht, das erzwingt das Gespräch.
- Ja, das Gespräch über die Sache. Ich meine, wer erzwingt die physikalische Sprache?
- Die Verständigungsnotwendigkeit. Ich muss mich ja mit dem verständigen, was ich nun sehe.
- Aber über dieses physikalische Phänomen. Das ist es, was ich meine.
- Also wenn man einmal verfolgt, welche Begriffe da verwendet worden sind, für diesen Vorgang des Brechens: Das geht also los, entweder ist es krumm, dann ist es abgebrochen -geknickt kommt, glaube ich, gar nicht vor, oder kommt auch vor- gebogen und wir haben uns geeinigt auf gebrochen. Dieses 'gebrochen' das hat nun einen ganz bestimmten Hintergrund. Nämlich den, dass erstens der Gegenstand nicht beschädigt wird, das steckt ja alles mit drin, dieses ge-brochen heißl;t ja auch, dass er nicht zer-brochen wird, dass er noch insgesamt bleibt und dass er auch keinen Knick erhält. Dieses Wort 'gebrochen' hat schon eine ganze Reihe von Implikationen bei sich.
- Bei mir ganz andere, also bei mir ist gebrochen kaputt.
- Nein, jetzt in der Physik. Unser physikalisches Wort. Warum sprechen wir von Lichtbrechung?
- Er hängt ja noch an einer Faser.
- Nein, nein, gar nicht. Wir haben uns ja jetzt auf diesen Begriff geeinigt, wir hätten auch einen anderen Begriff nehmen können. Es ist doch sinnvoll nachher, wenn man verstanden hat um was es geht, sich dieses Begriffs zu bedienen und nicht zu sagen, er wird geknickt oder er wird krumm oder irgendetwas.
- Wenn wir von Brechung reden, dann meinen wir jetzt diesen Vorgang. Während landläufig, was ich bei den Schülern gehört habe, ist für mich ab-gebrochen.
- Ja klar. Aber was wir machen müssen in der Physik ist doch, dass wir für diesen Vorgang einen Begriff wählen. Wir entscheiden uns jetzt für irgendeinen Begriff und dieser Begriff wird dann gefüllt mit einem ganz bestimmten Inhalt, physikalischen Inhalt, der mit dem normalen umgangssprachlichen Inhalt vielleicht nur noch die Anschauung gemein hat. - Oder nur noch den Namen.
- Das kann bei dem Brechen sein. - Das muss man aber unterscheiden jetzt, dass diese Dinge mit dem Lichtstrahl und dem Stab nicht so durcheinandergehen. Das sind ja diese beiden Sachen, man sollte deshalb vielleicht wirklich sagen: "Der Stab erscheint gebrochen" und dann auch diese etwas längere Redeweise in Kauf nehmen, "und das Licht wird gebrochen", also dass man da klar unterscheidet.
- Ja, ja.
- Erscheint der wirklich gebrochen? Wenn ich einen Holzstab durchbreche, gibt es Fasern.
- Sicher, ja das Brechen, das die Physik verwendet für dieses Phänomen ist ein anderes als das, was ich landläufig und alltäglich verwende.
- Eben.
- Es sind eben keine Fasern.
- Und deswegen bin ich nicht sicher, dass wir einfach diesen umgangssprachlichen Begriff verwenden dürfen.
- Abgeknickt ist in dem Sinn schon besser: Lichtknickung.

# Ja, wenn man den Begriff hat der üblich ist, dann kann es sein, dass es recht schlecht ist. Der physikalische Begriff kann manchmal recht schlecht sein. Ich finde auch hier, gebrochen ist falsch. Es müsste heißl;en geknickt, dass es doch noch zusammen ist. Darüber kann man mit denen sprechen. Man kann ja beschließl;en, was man sagt, beschließl;en, dass es besser wäre, man sagte anders.

* Aber eine Knickung verändert diesen Stab überhaupt, dann wird er platter, so an der Knickstelle.
- Das ist aber sehr physikalisch gedacht.
- Aber da passiert wenigstens nur etwas an der Knickstelle.
- Und er ist noch am Stück.
- Man kann ihn vielleicht hinterher wieder gerade biegen.

# Demnach scheint mir, kann der Unterricht eigentlich nur in einem Wechselgespräch stattfinden, wenn die Sprache aus dem Gegenstand stammt und nicht aus dem Lehrbuch und nicht aus dem Vormachen. Sind wir darüber einig?

* Ich finde das eigentlich auch ganz spannend zu überlegen, dass die kleine Klasse im Grunde so ein Modell für eine Science-Community ist, für eine Wissenschaftsgemeinschaft, wo jetzt bestimmte Theorien aufkommen und dann aber auf Grund der gegenseitigen Abwägung dann andere Theorien wieder verschwinden.
- Also müsste doch der logische Weg der Kinder sein, in einem Wechselgespräch auf einen Begriff zu kommen, als andersherum, wie es teilweise auch gemacht wird, dass ich zuerst den Begriff bringe und den dann im Versuch zu erklären. Der Weg scheint mir unlogischer zu sein oder schwerer verständlich, als wenn ich mehr oder weniger auf den Begriff hinführe im Gespräch miteinander.

# Können Sie ein Beispiel bringen, wieso es falsch ist, mit dem Begriff anzufangen? Es gibt viele Beispiele. Sie sind Biologe?

* Ja.

# Zum Beispiel mit den Zellen anfangen, die ja nicht da sind, man sieht sie ja nicht.
Sie würden nicht so anfangen? Wie würden Sie anfangen, wenn Sie mit einer Sache anfangen, irgendwo?

* Gut, wenn man jetzt bei dem Beispiel bleibt mit den Zellen, dann kann man das... ich meine das Thema wird man eh erst behandeln in einer Klasse, in der auch schon Mikroskope bedient werden können. Das kann man schon in einer achten Klasse machen, vielleicht auch schon in einer siebten, ich weißl; es nicht. Und dann kann man dann irgendein Stück Gewebe unterlegen und die reingucken lassen und dann: "Ja, was seht ihr da?" Dann kommt über kurz oder lang erst einmal, was auffällt, das sind ja Zellwände, das sind... irgendwas, dunkle Gebilde irgendwie. Die sehen da ja irgendetwas abgeschlossenes, abgeschlossene Räume mit irgendwelchen Strukturen drin. Und dann kann man sich ja übers Gespräch verständigen, also dass sie erst einmal erklären, alle Schüler, was sie da sehen und was sie damit meinen, und dass man später damit eine Art Übereinkunft findet, dass man sagt, warum dieses Gebilde... also es ist ja nicht logisch, warum das Zelle heißl;t. Es ist ja nur eine Übereinkunft, die mal irgendwer festgelegt hat.
- Wer kam denn auf die Zelle? Also das finde ich irgendwie gut, das Abgeschlossene mit den Wänden. Da fällt mir schon Zelle im Sinn von Gefängniszelle oder so etwas ein.
- Klosterzelle.
- Na gut, aber ich glaube, Gefängniszellen sind heute zahlreicher. Aber wer kam denn auf diese Idee? Kam das auf dem Weg der Abgeschlossenheit? Das habe ich noch nie überlegt.
- Da bin ich überfragt.
- Es sieht doch ein bisschen aus wie der Grundrißl; von einem Gebäude, also vier Wände. Fenster und Türen ist dann ein bisschen schwierig. Kann ich mir durchaus vorstellen.
- Wie ein abgeschlossener Raum.
- Lauter einzelne Zellen, die dann ein Gebilde insgesamt geben.

# Gibt es denn in der Biologie ein Problem, also entsprechend hier, wo man vor einem Phänomen steht, wo man sich wundert und die Brechung hat, gibt es ein Phänomen, das einen zur Zelle führt?

* Zur Zelle hinführt?

# Nein, dass man gezwungen ist, sie zu entdecken. Die wurden doch einmal entdeckt, die Zellen. Hat die jemand entdeckt?

* Ja, am Kork sind die entdeckt worden, an den Korkzellen von einer Eiche. Unter dem Mikroskop sind die entdeckt worden.

# Es gab kein Problem, das damit gelöst wurde?

* Ich glaube, das war mehr zufällig.
- Da waren die optischen Geräte eben da, das Mikroskop. Vorher war es eben nicht da, da hat man nicht so in die mikroskopische Welt eindringen können. Und dann haben sie eben so verschiedenes Zeug drunter gelegt und angeguckt.

# In der Chemie, Mathematik?

* In der Chemie, da gibt es, also nicht direkt Chemie, es ist eher physikalisch, aber immerhin, man kann es verwenden. Da gibt es den Versuch, wenn man die gleiche Menge Wasser und Alkohol hat und schüttet die zusammen, dann sagen wir, jeweils hundert Milliliter, dann ist das Ergebnis, also die Summe dieser beiden ist dann... na ja, vielleicht nur hundertachtzig Mililiter kommt dabei heraus. Das ist schon verblüffend, darüber kann man nachdenken, wie so etwas überhaupt erklärbar ist. Es ist also für mich so mit ein Einstiegsversuch. Übrigens Aristoteles hat so etwas ähnliches geäußl;ert.

# Hohlräume.

* Mit den Hohlräumen, mit der Asche. Aristoteles hat gesagt: Wenn ein Gefäßl; voll Asche ist, ist das wirklich voll, materiell gefüllt. Und in dieses Gefäßl; kann man fast noch einmal soviel Wasser hineingießl;en wie Asche bereits drin ist. Das hört sich zunächst sehr trivial an, aber wenn man jetzt diesen zweiten Versuch, den ich zuerst genannt habe, dazu vorführt, dann glaube ich, lohnt es sich, darüber nachzudenken. Das ist ein ganz schönes Experiment.
- Da fällt mir ein, ist die Asche gestampft?
- Ja, die ist ziemlich festgestampft, die ist immer noch so saugfähig und bei der Biologie, da ist mir eben auch eine Sache eingefallen.

# Verzeihung, darf ich zur Chemie etwas sagen? Es wäre noch schöner, wenn die Sache nicht den Charakter eines vorgeführten, vorgemachten Kunststückes hätte, sondern wenn es wirklich passiert. Kommt das vor, dass das passiert, und zwar so, dass man es auch merkt und es auffällt wie beim Brechen?

* Frage... ich bin kein Chemiker.

# Es kann natürlich bei Handwerkern passieren, bei Maurern etwa.

* Das stimmt, wenn man Gips glaube ich anrührt, das wird auch...

# Ich weißl; es nicht.

* Ich weißl; es auch nicht.
- Wenn ich Beton mache, dann habe ich zwei Riesenmengen von Sand und Zement und dann gebe ich noch Wasser dazu, dann ist es nur noch ein ganz kleiner Haufen.
- Nachher ist nichts mehr da.
- Nochmal. Wenn ich eine bestimmte Menge Zement habe und eine bestimmte Menge Sand, also einen Liter, einen Liter Sand, und einen Liter Zement und ich packe die zusammen...
- Also wenn ich jetzt zwei Haufen habe, einen riesengroßl;en Sandhaufen und einen relativ kleinen Zementhaufen, und dann noch wahnsinnig viel Wasser und geb das zusammen in einen Haufen, und ich muss mir ja vorher überlegen, wieviel Beton ich brauche um irgendwie etwas einzuschalen, und ich gehe jetzt nur von der Sandmenge aus, dann habe ich, extrem gesagt, nur die Hälfte von meiner Ausschalung voll, also so kompakt wird das.
- Das muss man aber machen.
- Das ist ein gutes Beispiel, gebaut wird überall.
- Gehen wir auf die Baustelle!

# Zur Biologie dann?

* Da erinnere ich mich an meine Schulzeit. Da sollten wir zu Hause eine Untersuchung machen, wir hatten Löwenzahnstengel und dann sollten wir die einmal eine Weile liegenlassen. Dann wird er so ganz schlapp. Ein Stück abgeschnitten und dann ins Wasser legen. Wenn man den dann herausnimmt ist der wirklich ganz fest und steif, so als hätte ich ihn gerade von der Wiese gepflückt. Da könnte man sich ja auch drüber Gedanken machen, wo das Wasser da geblieben ist. Man kann ja schütteln, da läuft nichts raus, das steckt da in irgendeiner Form drin, wird festgehalten.
- So ist es auch mit dem Salat. Wenn man Salat anmacht, dann fällt er vollkommen zusammen. Wenn man jetzt durch irgendeinen Zufall das Salatblatt wieder wässert, dann wird es wieder glatt.
- Osmose.
- Dadurch könnte man darauf kommen, zu untersuchen...
- Wie ein Schwamm.

# Ja, unser Versuch... ist das eigentlich ein Versuch? Kann man das als Experiment bezeichnen, was wir besprochen haben, die Brechung? Das muss man auch klären. Also es gibt ja die berühmte Fassung: Das Experiment ist eine Frage an die Natur. Das ist keine Frage an die Natur (Stab im Wasser) jedenfalls nicht so, wie wir es besprochen haben und wie es aufkommt.

* Das ist ein Phänomen, das die Frage auslösen kann.

# Es kommt auf einen los, das ist ein Phänomen. Phänomen heißl;t griechisch: Was von sich aus kommt. Wann wird es ein Experiment? Das Phänomen findet am Teich statt, wie bei den Enten. Dasselbe Phänomen, dass man erkennt, dass es dasselbe ist, ist wichtig, findet bei dem Besen statt, der gebrochen ist. Das ist natürlich eine Sache, die muss auch erst gesehen werden. Die alle zusammen bilden ein Phänomen. Wann wird es ein Experiment?

* Wenn ich eine Glasschüssel nehme und gezielt einen Stab hineinstelle und dann noch einmal kontrolliere, ob es das ist.
- Wenn ich es unter isolierten Bedingungen durchführe.
- Ich denke, wenn ich mit der Hand da entlangfahre an dem Besen, dann ist es schon ein Experiment.
- Nein.

# Das kann ich nicht in der Natur machen, das Experiment. Dann müsste ich es schon aufbauen. Goethe sagt das sehr gut: "zum Experiment erheben". Es wird zum Experiment erhoben.
Es gibt bei ihm das schöne Beispiel, ich weißl; nicht, ob Sie das kennen: Damals hat er ja auch einen Krieg mitgemacht, einen Feldzug in Frankreich, selbstverständlich beim Generalstab. Er ist dann hinter der Armee hergezogen und hat sich amüsiert, dass er, Physiker wie er war, sein wollte, beobachtet, was passiert, wenn man einen weißl;en Stein in ein Granatloch schmeißl;t, in dem Wasser steht. Ein Teich, da spielte er herum mit weißl;en Steinen und sah... wer sieht das?

* Die farbigen Ränder.

# Es ist erstaunlich, ja. Ja, mit Schulkenntnissen fangen wir da wenig an, auch nicht mit Lichtstrahlen.

* Was passiert denn da jetzt?
- Der Stein kriegt farbige Ränder.

# Die Schulphysik versucht Lichtstrahlen zu finden, nicht vorhanden, ebenso bei unserem Experiment auch. Da sitzen wir. Ich saßl; auch so da. In welches Kapitel gehören die überhaupt?

* Die farbigen Ränder, die habe ich nie wahrgenommen, erst seit ich hier das mitbekommen habe, sie waren mir nicht präsent, erst seit wir hier darüber gesprochen haben.
- Aber auch dann sehe ich sie nur selten.
- Doch, mittlerweile... wenn ich einen Stein fallen sehe. (Gelächter)
- Inzwischen kann das auch mit den Gewässern zusammenhängen.

# Ich würde sagen, es handelt sich um Optik, nicht etwa um Auftrieb. In welches Kapitel Optik gehört es?

* Dispersion.
- Das mit dem Ölfleck

# Ein weißl;er Stein.
Es ist doch sicher ein ganz urtümliches Phänomen, ganz einfach, nicht kompliziert, gar nichts da, nur Wasser und Stein. Am Wasser liegt es, das Wasser ist schuld.

* Licht ist schuld, aber wie?

# Das sind so Lehrbuchkenntnisse, die man da hat.

* Warum sieht man das beim Stein und eigentlich nicht beim Experiment?

# Die Sonne braucht nicht zu scheinen.

* Aber ich habe doch auch weißl;es Licht beim Experiment, das müsste sich ja auch aufspalten lassen...

# Solange man noch etwas sieht, ist das einfach da. In der Nacht sieht man nichts.

* ...das macht es auch.
- So eng, dass man es nicht merkt, oder wie?
- Das hängt auch vom Winkel ab. Wenn man nun das extrem wählt, dann geht das schon. Aber meistens macht man das nicht.
- Wenn das Neonröhren sind, kann das auch an der spektralen Verteilung liegen, dass man es sieht.
- Leuchtstoffröhren sind ja ziemlich sonnenähnlich.

# Also ich will Sie ja nicht prüfen, nur kein Missverständnis! Ich war auch sehr erstaunt, ich habe das bei Goethe gelesen, in keinem Physikbuch.

* Also was ich wichtig finde, dass die Fragen wirklich aus solchen Phänomenen erwachsen und dass die Fragen nicht als künstlich vom Lehrer gestellte Fragen dem Schüler erscheinen. Weil, sich im Nachhinein mit einer solchen Frage zu identifizieren, ist, glaube ich, sehr viel schwieriger als wenn man selber die Frage anhand des Phänomens bekommen hat. Deswegen glaube ich, ist es wichtig, dass man erst einmal von den Phänomenen ausgeht und dann zum Experiment übergeht und nicht erst das Experiment macht und sozusagen das Experiment gleichzeitig als Phänomen verkauft. Dass man diese beiden Ebenen miteinander vermischt, dass die Fragen gar nicht aus den Phänomenen erwachsen sondern im vorhinein gestellt sind.

# Also ein richtiger Physiker müsste das selbstverständlich auf den ersten Blick kennen. Unter einem 'richtigen Physiker' verstehe ich einen von Beruf von allen Kapiteln der Physik durchsetzten Menschen.
Die Blockade ist dann so, man hat es gehabt, die Strahlen haben in den Physikbüchern eine großl;e Rolle gespielt, aber die Brücke zu dem Phänomen, wo das herkommt, ist fort. Vollkommen weg. Das gibt es ja viel.

* Eine Frage an Sie, Herr Wagenschein: Haben Sie denn bei der Dispersion, also bei diesem Phänomen, was der Goethe da untersucht hat im Granattrichter, haben Sie das...

# Es muss kein Granattrichter sein. (Schallendes Gelächter)

* Sie haben gesagt, Sie haben das bei Goethe gelesen.

# Ja, ja.

* Also ist es Ihnen auch nicht, sagen wir einmal als Phänomen entgegengetreten.

# Nein, nein. "Guck mal an", habe ich gesagt, "was der Goethe alles wusste."

* Der Beton vorhin, der geht mir noch die ganze Zeit durch den Kopf. Das muss einem doch auffallen!
- Ja, wenn man die Schalung macht, ist es viel weniger. Wir können ja mal Beton mischen.

# Das mit dem Stein, soll ich Ihnen sagen, wie das ist? Soll ich es sagen? Sie sehen Farben.

* Das haben wir schon die ganze Zeit geäußl;ert.

# Und wo sehen Sie die?

* An den Rändern vermutlich,

# Rechts und links?

* Ja, rund herum wohl.

# Nein, oben und unten.

* Stimmt, rechts und links geht es nicht.

# Ein ganzes Spektrum? Nein, sagt Goethe, es gibt immer nur Ränder, es gibt immer nur farbige Ränder. Fixe Idee von dem. Es ist so, wenn der Stein ganz klein ist, dann fallen der obere und der untere Rand zusammen. Und dann haben wir ein kleines Spektrum. Goethe sagt dazu: "Das gibt es ja nicht, das läuft auf irgend einen Lichtpunkt hinaus. Phantasie. Ich meine Gegenstände. Bei Gegenständen gibt es nur farbige Ränder." Und dann sagt er: "Zum Experiment erhoben sieht das dann so aus" und dann stellt er eine Schüssel hin, einen Eimer, und lässt den Stein da hinuntersinken. Je tiefer er sinkt, desto mehr kriegt er Farbe. Dann hat er es gemacht. Wenn man es macht, nachmacht, dann ist die Frage an die Natur gestellt, vorher ist es umgekehrt. Die Natur fragt uns nämlich etwas, insofern als sie uns erschreckt oder durcheinander bringt. So kann man es jedenfalls aussprechen, wenn wir die Natur als Person betrachten, die Göttin der Natur, dass sie im Sinn hat, uns zu täuschen. Wir fühlen uns angesprochen, wir fragen: "was ist los?". Die Ausdrucksweise "was ist los" habe ich spät kapiert. Ich glaube, das bedeutet, "Was ist locker? Was ist nicht fest gebaut? wenn ein Stein locker ist im Gemäuer. Oder wie verstehen Sie den Ausdruck: "was ist los"?

* Ich weißl; es nicht.

- Noch mal eine dumme Rückfrage: Von wegen oben ist der Rand und unten ist der Rand. Welche Farbe hat der Rand oben und welche hat er unten? Ich kann mir das im Moment nicht vorstellen.

# Vorstellen schon.

* Also ich kann mich nicht erinnern.

# Ob es stimmt?

* Wie es aussieht, überhaupt.

# Haben Sie es gesehen?

* Ja aber...

# Das braucht man ja nicht zu behalten. Das kommt auch erst, wenn man es zum Experiment erhebt, dann sieht man Kleinigkeiten. Ich weißl; es auch nicht auswendig. Es kommt eben auf die Dispersion, wobei rot und violett, rot und blau vorkommen.

* Ja, es müsste oben rot und unten violett sein, violett wird im Wasser stärker gebrochen als rot, aber.....ich hab es nicht gesehen bis jetzt.
- Warum gibt es denn zwei Halbspektren oder was, der obere Rand gibt ein halbes Spektrum und der untere Rand gibt ein halbes Spektrum?

# Na, lassen wir das, das geht dann bei Goethe seitenlang weiter.

* Gucken wir mal bei Goethe nach.

# Wie ist das nun bei unserem Experiment? Es ist zum Experiment erhoben und wir müssen nicht unbedingt Entenfüßl;e haben, sondern wir stellen einen Topf hin und da ist die Brechung des Stabes; und machen zuerst mal - das machen Kinder sofort - eine Entdeckung, denn die sagen: "Der Boden ist aufgehoben", das heißl;t, das Ganze ist wie eine Hebung, wie eine Lupe, der Boden ist großl;, und der Stock ist abgebrochen, so... Das ist ein Faktum. Wie soll man das verstehen? Gibt es irgend einen Angriffspunkt? Ich weißl; keinen. Und mit den berühmten Strahlen, das ist ja deshalb eine dumme Sache, weil man die Strahlen nicht sieht, was Goethe ganz klar wusste. "Von Strahlen ist" sagt er, "die Rede gar nicht." Sie sind eine Abstraktion, die von Menschen erfunden wurden, um die Sache praktisch zu beschreiben. Der Physiker Tyndall, - kennen Sie den? - sagt: "Die Erfindung des Lichtstrahls ist eine Revolution." Anfangs sagte man nicht, dass Lichtstrahlen auf eine Wiese fallen, sondern sagte: "Das Licht liegt auf der Wiese." Da kommt in unserem Innern eine ganz andere Stimmung auf. Wenn das Licht auf der Wiese liegt, schön oder nicht schön, und Goethe sagt auch so in dem berühmten Gedicht von dem Mond: "Füllest wieder Busch und Tal..." Das Licht kommt nicht als Strahl, das bohrt kein Loch in Wirklichkeit, sondern das füllt aus, ist da nicht die Spur von einem Strahl. Der Physiker Tyndall ist offenbar der Meinung, dass es eine Zeit gegeben hat, wo man den Strahl erfunden hat.

* Ja, zur Beschreibung des Vorgangs.

# Zur Beschreibung und Erfindung, denn den Strahl sehen wir ja nicht.

* Och, was durch ein Schlüsselloch kommt..., das ist schon so ein dicker Lichtstrahl, wenn drüben hell ist und da ist dunkel.

# Ich meine, dann müsste doch aus dem Schlüsselloch da Licht rauskommen.

* Sicherheitsschloss ist das.
- Außl;erdem ist es dort nicht hell und hier dunkel.

# Und wenn drüben hell ist?

* Und hier dunkel ist...

# Dann kommt da so ein Ding heraus?

* Ja, da fliegt, da geht doch schon so was herunter.

# Dann müssen Sie halt mal ordentlich Staub wischen, bis der Staub vollkommen weg ist.

* Das mach ich halt nicht.

# (wenn Staub gewischt ist) ...dann gibt es keinen Lichtstrahl. Oder glauben Sie das nicht?

* Ich wische keinen Staub!

# Es gibt in dem Buch von Bragg, Nobelpreisträger, ein Experiment, dies sollte man machen in der Schule. Er hat einen dicken Zylinder und schickt einen sogenannten Lichtstrahl hindurch, und dann sieht man ihn da ziehen. Wenn die Deckflächen ein Loch haben, dann ist der Strahl begrenzt. Und wenn man genau hinguckt, sieht man den Staub da sich vergnügen. Und dann macht er den zweiten Teil des Experimentes. Er beschmiert innen mit einem klebrigen Stoff und lässt die ganze Geschichte 24 Stunden ruhen. Dann sind diese Staubteilchen alle da gelandet. Dann kommt wieder ein Lichtstrahl, und nichts ist von ihm zu sehen, ein ausgestelltes Nichts ist das, ein Experiment, das vorführt, dass es das Nichts gibt, wovon alle Leute wissen. Sie können es ja nachfühlen. Glauben sie es doch? Oder glauben Sie es nicht?

* Es gibt ja technisierte Varianten, das fällt mir ein, wir haben so einen Rubinlaser in der Schule, das ist ein ganz tolles rotes Licht. Und wenn ich den eingestellt habe, und ich habe sowieso noch Licht im Raum, ist absolut nichts zu sehen von diesem roten Licht.
- Na ja, man sieht aber den Fleck an der Wand. Ich mache immer die Tür auf und lasse es durch den Gang wegziehen! (Gelächter)
- Also ich finde, gerade beim Laser ist es interessant, dass man den Phänomencharakter des Lichtes kaputt gemacht hat, weil Laser, das Laserlicht kann man im Grunde nicht wahrnehmen, ohne dass man gleichzeitig dabei einen gefährlichen Schaden erleidet. (spöttisches Gelächter) Man kann vielleicht Reflexe sehen, aber im Prinzip ist dessen Intensität so großl;, dass man nicht merkt, was in unserem Auge damit passiert, dass man eben nicht reingucken darf, das ist so ein entfremdetes Gefühl dem Licht aus dem Laser gegenüber, wie ich das gegenüber dem Strom aus der Steckdose habe, und ich darf nicht einmal eben sinnlich erfahren, was da los ist und ob da was los ist, mal reinfassen. Genau so darf ich da eigentlich nicht reingucken, das ist mir sogar vom Lehrer oder wem auch immer verboten.
- In die Sonne darf ich doch auch nicht reingucken!
- Das macht nicht soviel aus.
- Beim Laser auch nicht.
- Bei unserem Schullaser macht das auch nichts aus.
- Die Standgeräte in der Schule ...
- Teilweise wird gesagt, dass schon Reflexe kleine Löcher in die Retina brennen.
- Den hat aber doch kein Mensch in der Schule, so einen...
- So einen Hochenergie... phuu.
- Ja, die sind aufwendiger.
- Außl;erdem sind die Dinger durch das Hin- und Herschieben so...
- Es gibt eine Schutzbrille für Laser, und der bei uns die ganze Gerätesammlung für das Praktikum betreut, der hat sich diese Schutzbrille angeschafft, der Effekt war nur, wenn man die Schutzbrille aufsetzt, dann sieht man den Strahl nicht mehr, denn man kann im Grunde zum Aufbau von Experimenten und Justieren diese Brille nicht benutzen.
- Ja sieht er gar nichts mehr?
- Dann sieht er von dem Strahl nichts mehr, mit der Schutzbrille.
- Na gut, wenn er mal rumläuft und nicht drauf achtet, dass man nicht per Zufall reinguckt, dafür ist sie dann.
- Dann sieht man das andere Licht wahrscheinlich auch nicht mehr.
- Was mir noch für die Lichtstrahlen einfällt, wo es auch sehr geglückt ist und Nichts nicht zu sehen ist, ist die Lochkamera, die Lochkamera im großl;en Raum, im Schulsaal. Da habe ich das gemacht, das ist ja so schwach, dass da eigentlich keine Strahlen sichtbar sind und trotzdem habe ich...

# Das denke ich auch. Aber ich wollte vorher noch fragen, ob im täglichen Leben, ohne künstliche Geräte zu brauchen, etwas davon zu ahnen ist. (Vom Lichtstrahl) Also man kann staunen, dass die alten Griechen, die doch kluge Leute waren, nichts davon hatten. Die hatten auch das Sehen nicht so wie wir. Wir bilden uns ja ein, das Sehen geschieht so, dass Licht von außl;en eindringt. Sie dachten, das Augenlicht sieht die Dinge so wie ein Taster, wenn die herumfahren. Das alles können sie nachlesen - ich empfehle jetzt gelegentlich auch Bücher - bei Ernst Mach, Physikalische Optik. Steht viel drin, viel mehr als wir brauchen. Der Mach hat bei solchen Sachen einen gewissen spöttischen Ton, er soll sich nur nichts einbilden. Er findet, dass die alten Griechen doch etwas borniert waren. Das kann ich nicht finden, sie waren nur beschränkt auf das, was sie sahen. Und wenn man Kinder fragt, die kommen auf merkwürdige Sachen. Ich sammle ja solche Geschichten. Eltern sind meistens nicht in der Lage, das zu erfassen, die haben keine Zeit. Ich verdanke das einzelnen Frauen und Müttern, die haben gemerkt, dass mich das interessiert, und die haben es beschrieben.
Schatten: Licht ist, wo Schatten ist, das ist doch wohl sicher. Ja, hier erzählt sie selbst. Das ist eine Erinnerung einer Frau an ihre früheste Kindheit, die so aussieht: Sie liegt auf dem Bauch im Gebüsch und sieht einen Stein liegen, auf dem Stein eine feine Zeichnung. Sie hebt den Stein, und das Bild ist weg. Sie legt ihn wieder hin, das Bild ist wieder da. Das ist ja unheimlich, gell ? Um das zu erforschen, macht sie etwas sehr Merkwürdiges: Sie nimmt den Stein in die hohle Hand und trägt ihn weg, ein paar Meter, guckt wieder hin, nicht mehr da. Hat aber nichts gesagt. Es war eine Pflanze, eine Rispe, die sich abbildete. Nun war das ein sehr kleines Kind. (M)Eine Frau hat am Strand in Italien erlebt, dass ein Kind einen großl;en Ball in der Hand hat, und ärgerlich auf dem Ball rumwischte und sagte: "Der Dreck geht nicht weg". Da sagte sie: "Die Sonne" und verschiebt den Ball. Dann hat das Kind es kapiert, ist belehrt worden durch den Hinweis auf die Sonne und sagt "capito". Es ist doch nichts weiter. - Man muss doch dreierlei wissen, erstens den Sender, zweitens den Fleck, den Dreckfleck, drittens, dass die das ist, die ist doch weit weg. Das wird nicht leicht.
Ein Siebenjähriger sagt: "Die Sonne geht durch mich durch, und hinten kommt sie als Schatten wieder raus."

* Schwer zu widerlegen.
- Das ist richtig.

# Und wenn keine Sonne da ist, gibt es auch keinen Schatten.

* Stimmt.

# Das stimmt, er hat die Beziehung erkannt. Er glaubt aber lieber an einen Doppelgänger. Ein frühes Kind sucht den Doppelgänger zu fangen, läuft an der Wand entlang, um den Schatten zu fangen, sehr kleines Kind. Ja, schwierig. - Wie würden Sie es in der Schule machen?

* Ja, was jetzt, ich weißl; jetzt nicht...

# Den Begriff Lichtstrahl zu erfinden.

* Zu erfinden?

# Ja, es gibt ja keine.

* Ich suggeriere den, weil ich ihn brauche. Zunächst einmal, indem ich denen unter der Überschrift: "Was ist Licht?" so ganz ohne Erklärung, da habe ich ein Dia, da sieht man die Sonne durch die Blätter scheinen in einen Nebelwald und da sieht man eben diese Lichtstrahlen oder wie man das nennen will. Und dazu sollen die sich erst einmal äußl;ern, was sie eigentlich sehen. Und dann kommt das sofort. Das sind ja nun Erwachsene, die wissen ohnehin um diesen Lichtstrahl.

# Das sind Lichtstrahlen, dicke und dünne.

* Dicke und dünne, jedenfalls sind da Lichtstrahlen, das ist für jeden völlig klar. Und dann habe ich sie gefragt, ob die im Raum auch vorhanden wären, im Klassenraum, wo wir jetzt alle sitzen. Ja, selbstverständlich sind die da. Und dann hab ich sie aufgefordert, mir einen zu zeigen, ich möchte doch mal einen sehen. Und dann zeigen sie die Lampe. "Ja, da sehe ich eine Lampe", habe ich gesagt, "aber einen Lichtstrahl, wo ist denn einer?" Na ja, und dann kann man das schon so relativieren. Ich benutze dann allerdings auch Texte über Aussagen über das was das Licht ist. Und zwar habe ich mir da etwas zurecht gesucht von Platon bis Kuhn, wobei Kuhn dieser Gießl;ener Didaktiker ist...
- Eine tolle Reihe, da freut er sich aber (Gelächter reihum)
- ...also ich habe mir da solche Zitate über das, was Licht ist, zusammengesucht, ich habe gesagt: Von Platon bis Kuhn, wobei Kuhn der Gießl;ener Didaktiker ist, das habe ich einfach in dem Physikbuch nachgeguckt, was da steht. Darüber muss man dann auch einmal sprechen. Ich kann es einmal mitbringen, wenn es interessiert, diese Zitate. Da kommt der Schelling vor und Goethe und Plato, naturphilosophische Betrachtung, aber dann auch dieser Al Hacem, das ist ein Araber um 1000 etwa, das war glaube ich, der erste, der behauptet hat, dass von jedem leuchtenden oder beleuchteten Punkt beliebig viele Lichtstrahlen nach allen Seiten ausgehen.

# Wer ist das?

* Al Hacem.

# Hat er es begründet?

* Er hat es nicht begründet, jedenfalls habe ich keine Begründung, das liegt an dem Zitat, das so knapp ist.

# Finden Sie, es braucht eine Begründung?

* Ich habe keine gefunden, ich kann nichts dazu.

# Ach so. Aber die Physiker, die Schulphysiker, die sagen, dass von jedem sichtbaren Punkt Strahlen ausgehen, zum Beispiel von diesem schwarzen Ding und hiervon und davon. Unsinn. Nichts zu sehen

* Na gut, da kann man sich ja etwas ausdenken um herauszubekommen, ob das stimmt.

# Die Frage ist: Wodurch ist man gezwungen, es sich auszudenken oder die Erfindung, von der Tyndall spricht, zu machen? Die muss irgendwo in vorgeschichtlicher Zeit gemacht worden sein.

* Wodurch? Also ich habe einmal einen Versuch gemacht, Helligkeitsunterschiede durch diesen Begriff des Lichtstrahls erklären zu lassen. Ich habe zwei Lampen aufgestellt, eine hell, eine dunkler. Und die sollten mir jetzt sagen - wir wussten jetzt, was ein Lichtstrahl vermutlich ist- jetzt sollten sie erklären, mit Hilfe dieser Lichtstrahltheorie, warum die eine Lampe jetzt dunkler erscheinen kann als die andere, wenn diese Lampen jetzt Lichtstrahlen aussenden. Das ist die eine Sache. Und die andere: Ich habe zwei Kartons, so Pappen gleichen Formats, beleuchtet, die in unterschiedlichem Abstand von etwa gleich starken Lichtquellen entfernt waren und habe die gleiche Frage gestellt: "Wie kann man jetzt mit Hilfe von Lichtstrahlen erklären, dass die eine dunkler ist und die andere heller?" Da kommen dann so ganz interessante Lösungsvorschläge, zum Beispiel der, dass von der einen Lampe, von der dunkleren, weniger Lichtstrahlen ausgehen, oder dass die dunklere Platte von weniger Lichtstrahlen beleuchtet wird und kann dann natürlich die Konsequenz ziehen: "Also gut, ich mache es jetzt einmal ganz dunkel, da müssen ja nur noch ganz wenige Lichtstrahlen ausgehen, da müsste man so ein Hell-dunkel-Muster im Endeffekt bekommen, da trifft gerade noch einer auf und da nicht". Und so etwas erscheint aber nicht, man kann es beliebig dunkel machen, es bleibt eben gleichmäßl;ig hell. Solche Ungleichmäßl;igkeiten sind also nicht vorhanden. Ja, die andere Möglichkeit ist, dass dann die Strahlen selbst unterschiedlich hell sind, und dann die Sache mit der Pappe. Wenn man jetzt einmal diesen Lichtkegel betrachtet insgesamt oder als Schatten projiziert, dann kann man sehr schön zeigen, wenn dieser Lichtfleck an der Wand fast von der ganzen Pappe beschattet wird, das heißl;t, die Pappe steht sehr nahe an der Leuchte, dann sieht man unmittelbar: Das meiste Licht fällt auf die Pappe und nur ein bisschen bleibt an der Wand, alles andere ist ja beschattet. Im zweiten Fall sieht man auch sehr schön: Der großl;e Teil der Wand ist beleuchtet, der Schatten ist nur so ein kleines Viereck da innen drin, das heißl;t, es sind weniger Strahlen jetzt auf dieser Pappe. "Ja", ist jetzt wieder die Frage, "warum ist das dann trotzdem gleichmäßl;ig beleuchtet?" Und da kommt man dann doch auch an Grenzen dieser Vorstellung. Ich wollte damit nur zeigen, dass dieser Lichtstrahl sehr einfache Erscheinungen gar nicht erklären kann, zum Beispiel so etwas. Ich habe das dann nicht zu Ende gebracht, aber ich wollte das problematisieren. Das kann man bei Erwachsenen machen, das hat die auch sehr interessiert. Bei Kindern weißl; ich nicht, ob das geht. Dann kann man natürlich Theorien entwickeln, zum Beispiel die Theorie, dass die Lichtstärke im Quadrat der Entfernung abnimmt, die ist unmittelbar einsichtig, wenn ich solche Strahlen zugrunde lege, einfach so eine Strahlenverteilung. Unmittelbar einsichtig, das kann man als Gedankenexperiment machen und kann das auch überprüfen, das funktioniert so einigermaßl;en. Das wäre eine Sache, da kann man jetzt sagen: "Aha, da habe ich jetzt ein Experiment, das legt diesen Strahlcharakter zugrunde, die Schlussfolgerung aus diesem Experiment wären diese. Und das Experiment aus dieser Theorie wären diese, oder Hypothese, und das Experiment bestätigt das." Also das ist nicht grundsätzlich falsch. Das schlagende Argument ist dann diese Lochkamera, später.

# Später! Aber vorher? Man kann aber vorher doch auch schon gewisse Eigenschaften dieses Strahls nicht bezweifeln. Er hat doch eine Länge, eine gerade Linie. Er führt doch von der Baumspitze zum Schatten der Baumspitze.

* Ja, Schatten, das kann man auch benutzen.

# Den Schatten, wenn man ihn ganz genau betrachtet. Aber da gibt es welche, die sagen, je toller die Schatten sind, je schwärzer, desto weniger sieht man die Lichtstrahlen. Ich habe jetzt im Herbst gesehen, eine ganz hohe Wand von Wald, dann ein Abhang, sachte, die Sonne dahinter, diese schwarze Waldspitze bildet sich dann unten ab und bildet alles nach. Gerade dieses Bild lässt gar nicht den Gedanken zu, dass da etwas ist, absolut leer, da muss man erst drauf kommen. Man muss erst etwas machen, man muss ein Experiment denken, verbinden, Strippen ziehen oder was. Also wir sind ja ganz kultiviert, wir haben dies ja früh beigebracht gekriegt. Man muss Schulkinder erst unsicher machen. Das ist die wichtigste Aufgabe, dass sie das nicht einfach halbwahr glauben, halbwahr mitschleppen.

* Mir geht noch durch den Kopf die Frage der Beleuchtungsintensität. Das hat doch mit dem Strahl zunächst nichts zu tun.

# Die Beleuchtung?

* Ja. Das ist schon eine Erklärung, das sind dann weniger Strahlen, aber wenn man jetzt mal auf die Idee käme, das wäre dann schwächer mit der Entfernung, so...
- Na ja gut, aber vorher haben wir uns geeinigt, dass Licht in diesem Sinne aus Strahlen besteht, das war unsere Ausgangshypothese. Jetzt erkläre einmal etwas damit, zum Beispiel so etwas.

# Da ist schon etwas eminent Physikalisches da drin, den Strahl kriegen sie nur, wenn sie den Lichtpunkt haben. Physik tut ja immerzu zerschneiden, in Partikel zerlegen, möglichst kleine, damit es genau wird. Also der Punkt ist genau so wirklich wie der Strahl, Abkömmling des Strahls.

* Na ja, so etwas habe ich natürlich mit denen besprochen, das war eben ein Lehrgang, in den ich solche Erkenntnisfragen eingebaut hatte. Dieser Strahl, an den jeder Schüler zunächst denkt, den kann man noch nicht einmal im Labor einigermaßl;en vernünftig herstellen. Das weißl; ja jeder und da ist ja der Laser, das ist ja schon etwas Tolles.

# Und was im Labor als Strahl gezeigt wird, das ist ja keiner.

* Nein, nein, das ist keiner.

# Ich frage mich immer, wie man das eigentlich nennen soll, man sagt Bündel, das stimmt schon nicht, denn ein Bündel besteht aus einzelnen Borsten oder Fasern, Halm, Stamm...

* Halm, Halm finde ich besser.
- Halm hat eine Grenze, der ist innen hohl.
- Wie ein Strohhalm oder Grashalm, das gefällt mir trotzdem besser.

# Der ist leicht krumm.

* Das ist natürlich schlecht. Ein gerader Halm.
- Dann ist er immer noch hohl.
- Muss hohl sein.

# Man kann dem Strahl auch beikommen, indem man einen primitiven Beugungsversuch macht.

* Dann ist sowieso alles dahin.

# Dann laufen sie krumm. Aber ich meine, noch besser ist ja, die Strahlen ganz zu pensionieren und die zugehörigen Frontwellen, die zu dem Strahl gehörigen Kreiswellen zu nehmen. Dann sind die Schwierigkeiten weg.

* Dann sind sie weg!

# Aber woher wissen Sie denn überhaupt, dass der Strahl sich bewegt? Das ist das Schlimme. Hat ein Lichtstrahl die geringsten Anzeichen von Fortbewegung? Alles Suggestion.

* Das künstliche Element am Begriff `Lichtstrahl' kann man ja auch dadurch deutlich machen, dass man eben irgendwo eine Lichtquelle hat und dann nimmt man sich eine Blende, die etwas davon durchlässt, und dann geht man eben um diesen Gegenstand herum und zeigt dann, dass man überall etwas aussondern kann, was dann die Eigenschaften eines Lichtstrahls hat, und gleichzeitig merkt man dabei aber, in welcher Weise das erst künstlich hergestellt wird, dadurch, dass ich die Blende vornehme.

# Ja, ja. Man muss den Strahl als etwas, das man herstellt, nehmen, nicht etwas, das man vorfindet.

* Ja, das wird normalerweise auch gezeigt als die gedachte Achse eines Lichtkegels oder irgend so etwas, sind dann unsere Definitionen
- Dass Licht Bewegung hat, sieht man überhaupt nicht.

# Ja, wie kommt man denn auf die Bewegung?

* Höchstens vielleicht, wenn man schon etwas anderes weißl;, zum Beispiel das vom Schall. Wenn man so etwas schon weißl;, dann könnte man vielleicht auf die Idee kommen, weil es beim Schall auch nicht offensichtlich ist. Dann kann man vielleicht auf die Idee kommen, dass es beim Licht so etwas auch gibt.
- Da kann genau das Gegenteil eintreten.
- Da beweisest du, dass das nicht stattfindet.
- Ich meine nur, das ist das Einzige, was mir einfällt, wie man darauf kommen kann.

# Wenn er eine Richtung hat, dann kann man auch sagen, welche er hat, nämlich nur die von der Sonne weg, weil dort die Ursache ist. Aber das zeigt man nicht. Ich habe das nie gemacht, aber ich könnte mir denken, es wäre imponierend und schön, man machte in einem langen Saal, da entsteht ein physikalischer Lichtstrahl, zehn Meter lang, und lässt nun richtig wie bei einer Theatervorstellung, wenn die Klappe hochgeht, so, jetzt tritt der Lichtstrahl ein, er kommt herein. Er war erwartet. Nun kann man ja ein bisschen suggerieren, dass der mit Brausen leuchtend hereintritt.

* Ja, dem Lichtstrahl die Tür aufmachen, das wurde ja vorhin gesagt, das ist mir dazu eingefallen.

# Nichts, nichts, der ist ja da. Das könnte auch sein, dass er immer gleich überall ist. Also Galilei hat das ja überlegt, 'instantan' sagt er, plötzlich. Den Versuch von Galilei, den Lichtstrahl zu messen, aus seinem Strahl die Geschwindigkeit, kennen Sie wahrscheinlich. Ach, erzählen Sie mal.

* Er stellt zwei Personen auf, die zunächst einmal beide eine Laterne haben. Jetzt fangen die an zu üben, beide verdecken ihre Laternen. Der eine hebt jetzt seine Hand hoch, so dass der andere das Licht sieht, und sobald er das Licht sieht, soll der andere auch seine Hand heben. Nun kann man eben sehen, dass dieses Händehochheben fast gleichzeitig geht. Und diese Fast-Gleichzeitigkeiten, das ist jetzt ein Übungsmoment, das prägt man sich ein und sieht, wenn ich die Hand hochhebe, wird der andere mit einer ganz geringen Verzögerung seine Hand auch hochheben. Nun entfernen die sich ständig, und wenn das Licht nun wirklich eine endliche Geschwindigkeit hat, dann müsste diese eingeübte Verzögerung plötzlich deutlich länger werden. Was man am Anfang als Reaktionszeiten so gespeichert hat, man ist ja sehr empfindlich für so etwas, das müsste sich verlängern. Und Galilei hat das probiert und hat festgestellt, dass man da nichts erkennen kann. Er hat aber hinzugefügt, dass das möglicherweise an der zu geringen Entfernung liegen könnte, in der das Experiment ausgeführt worden ist. Also er wollte das nicht als abschließl;endes Urteil gewertet wissen.
- Das ist doch genau der analoge Versuch zum Schall.
- Den beschreibt er ja auch vorher.
- Da muss man also mindestens schon vorher eine Idee haben, dass das gehen könnte.

# Also ein Echo, nicht, kann sogar eine Person machen. Man stellt sich vor einen entfernten Waldrand, genügt schon, und in Gedanken lässt man ihn hinlaufen und zurücklaufen und das ist es dann.

* Galilei lässt diesen Simplicio folgendes sagen, als Widerlegung, dass es eine endliche Lichtgeschwindigkeit gibt beziehungsweise als eine Begründung dafür, dass das Licht instantan ist, so nennt er das, also überall gleichzeitig vorhanden. Könnte man das wohl übersetzen dieser Simplicio der sagt, wenn man beispielsweise so Artillerieschießl;en beobachtet, dann wird man feststellen, dass man sofort sieht, dass der Rauch an der Kanone aufsteigt, und der Schall, wesentlich später höre ich den. Und das ist für mich der Beweis dafür, dass das Licht sofort da ist, weil ich es ja sehe und der Galilei, diese andere Person, antwortet, dass das kein Beweis dafür sei, sondern höchstens der Beweis, dass es höchstens das beweist, dass das Licht sich wesentlich schneller ausbreitet als der Schall. Das steht da drin und dann versucht er...

# Mehr nicht. Sie sehen, wenn man dem nachgeht, verzweigt sich das Thema. Das ist nicht ein einzelnes Thema, das ist ein ganzer Fischzug, mit einem ganzen Haufen Fischen, der vom einen zum anderen zieht. - Es gibt noch etwas, ich will es berichten, ich habe es gesehen. Italienische Küste, hohe Küste, man sieht runter aufs Meer. Auf dem Meer kommen parallele Wellen an, wo die herkommen, ist jetzt egal. Sie kommen in großl;en Abständen, richtig großl;e Wellen, laufen sie alle hintereinander her. Und dann macht sich bemerkbar, wenn sie von schräg gegen die Küste laufen, sagen wir, das ist die Küste, dann kommen sie so an:
Da hinten her und dann, je mehr sie sich der Küste nähern, desto mehr werden sie küstenparallel und dann laufen sie schön senkrecht auf. Das ist ein Faktum. Erklärung? Ist klar, nicht? Es wird immer seichter. Hier draußl;en zehn Meter tief, hier gar nichts mehr. Dann: Die Reibung mit dem Boden nimmt zu. Also dieser Teil der Front wird erst gebremst, es wird langsam, es regelt sich. Verstehen Sie das? Ich meine, ob Sie verstehen, was ich mit dem Wasser meine.

* Ja, ja.

# Der zweite Beweis ist der, den ich in der Form nicht kannte. Wenn etwas einer solchen Form vergleichbar das Licht ist, dann muss ihm, wenn es hereinläuft in einen Bereich, der an Widerstand zunimmt, weil er, je flacher, desto mehr Widerstand, dann muss es eine Brechung machen, einfach so. Das Licht tut das, also könnte sich da andeuten, es ist eine Lichtgeschwindigkeit, die abnimmt, bei der Annäherung an ein Medium, das mehr Reibung hat oder dichter ist oder mehr Widerstand bietet, jedenfalls Geschwindigkeitsabnahme. Können wir vielleicht einmal hinzeichnen später. Von Huyghens, soviel ich weißl;. Ist raffiniert, weil da auf eine Geschwindigkeit geschlossen wird, die man gar nicht gemessen hat, gar nicht erfahren hat. Aber diese merkwürdige Brechung überhaupt... und damit besitzen wir die Ursache unserer Brechung. So ist es auch. Natürlich hat man die Geschwindigkeit trotzdem gemessen. Das Thema verzweigt sich immer weiter weg, das ist die berühmte Sache mit Olaf Römer und den Jupiter-Monden. Die kennen Sie?
Es kommt mir darauf an, dass ein exemplarisches Beispiel, auch wenn es exemplarische Physik ist, niemals aufhört, also immer neue Nachfolger erzeugt. Dann entstehen Ketten von Themen, von Streifen oder Themenkreisen, die eigentlich gar nicht aufhören. Es genügt, das an ein oder zwei Beispielen erfahren zu haben, um zu wissen, was Naturwissenschaft überhaupt ist. Ich habe ja die Absicht hier in diesem Kurs, nicht nur ein Beispiel sozusagen durchzunehmen, sondern die Definition des Begriffes 'exemplarisch' zu finden. Bis jetzt können wir sagen: Ein Beispiel, das man selbst erfindend durchnimmt, erobert, klärt, aufklärt, muss diese Eigenschaften haben, die Sie sich einmal überlegen können, jetzt. Das Beispiel, das wir hatten, von der Brechung, ist ein sehr gutes Beispiel. Und eins dieser typischen Beispiele, typischen Eigenschaften des Exemplarischen ist, dass das Beispiel sich ausbreitet. Das ist natürlich, da ja nichts in der Welt allein besteht, da die Wissenschaft eben die Zusammenhänge sucht und nicht die Fakten, nicht die ausgeschnittenen Lehrsätze, die im Lehrbuch hervorgehoben schwarz sind. Warum sind diese Sätze im Lehrbuch schwarz gedruckt und der Weg, der dahin führt, ist klein? Umgekehrt müsste es sein. Der Weg müsste schwarz gedruckt sein und das Ergebnis brauchte gar nicht da zu stehen. Es ist Zeit, längst. Auf Wiedersehen.

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