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17. November 1986.

Thema: Lichtbrechung - Camera obscura - "Lichtstrahlen"-Begriff

# Martin Wagenschein
* Seminarteilnehmer
- weitere Seminarteilnehmer in der selben Runde
() redaktionelle Kommentare

# Wie fangen wir denn an? Oder will einer berichten? Ein Stück weit?

* Ja für heute war die Lösung des Problems versprochen.
- Hm...

# Ach nee.

* Ja!
- So habe ich es nicht aufgefasst, dass es versprochen war.

# Welches Problem?

* Licht.
- Dass der Stab gebrochen wurde.

# Welches Problem? Sie scheinen es zu wissen - Nein Sie - Oder haben Sie leichtfertig davon geredet?

* Nein.
- Wir haben uns das letzte Mal wieder mit dem Stab im Wasser beschäftigt und sind auf die Idee gekommen, eine Taschenlampenbirne unter Wasser aufleuchten zu lassen und dann zu schauen, wie die Strahlen vom Wasser in die Luft gehen. Also wir haben den Weg der Lichtstrahlen versucht uns klar zu machen.

# Ja stimmt das? Haben wir das gedacht? Ich erinnere mich gar nicht.

* Wir hatten auch untersucht, wo man diese Taschenlampenbirne, also diesen leuchtenden Punkt sieht, wenn man von außen in dieses Wasser hineinguckt. Da haben sich zwei Fragen gestellt: Ist der Punkt, also ist das Bild direkt oberhalb dieser Lichtquelle? Und zweitens: Sieht jeder, der ins Wasser guckt, das Bild an der gleichen Stelle?

# Das hat Sie besonders interessiert?

* Das hat mich besonders interessiert, ja.

# Das ist nicht das Hauptproblem.

* Nein, aber dem bin ich nachgegangen.

# Haben Sie es rausgekriegt?

* Ja. Man sieht es nicht immer an der gleichen Stelle, je flacher man guckt, desto höher rutscht das Bild, aber es muss senkrecht über dem Punkt sein.

# Es ist kein Punkt.

* Es ist kein Punkt, möglicherweise.

# Ja und das Hauptproblem?

* Das Hauptproblem war, warum der Boden überhaupt gehoben erscheint. Das war ja schon immer das Hauptproblem.

# Warum es das tut, ja. Und da haben wir es doch.

* Und warum die Beine kürzer werden.
- Ja, wie man sich das vorstellen kann.

# Das klingt ja fast so, als hätten wir gar nichts rausgekriegt. Wir haben doch endlos geredet. Wissen Sie noch etwas? Sie sind doch ganz frisch dabei.

* Ich konnte leider das letzte Mal nicht.

# Das habe ich gemerkt.
Sie haben also den Topf mitgebracht (1000-ml-Becherglas steht da) was wollen Sie machen?

* Wir wollen das mal sehen.
- Praktisch erproben.
- Wir wollten uns mal angucken, über was wir reden.

# Haben wir doch schon getan.

* Nur an der Tafel
. - Praktisch noch nicht.

# Haben Sie auch Wasser mitgebracht?

* Och, das wird es ja genügend geben.
- Lustig, dass das rund ist.

# Sie schalten also drei Stunden zurück, so lange reden wir nämlich schon darüber. (Wasser wird angeschleppt) Ist ja gut, wenn man die Sache vor sich hat.

* Das ist total abgebrochen.
- Nein nicht richtig gebrochen, gespalten.
- Von oben ist es ganz richtig gebrochen, wenn man so von der Seite draufschaut, ist es nur geknickt.
(Alle hängen über dem Becher, der Becher wird rumgegeben)

# Wollen Sie ihn haben? Gucken Sie eigentlich da durch oder da durch? (Seite oder oben)

* Beides.
- Erst von oben und dann von der Seite.

# Erklären Sie es mal, Sie haben es schon gemacht. Ich sehe die berühmte Hebung des Bodens nicht.

* Sie müssen so reingucken.
- Das sind zwei verschiedene Phänomene, wenn ich von oben schaue, dann sehe ich den Stab abgeknickt nur, wenn ich dann weiter unten drauf schaue, dann scheint er richtig abgebrochen, das sind zwei verschiedene Sachen, die ich sehe.
- Wenn man es projiziert, ist es gerade entgegengesetzt, das ist sehr kompliziert, dann steht der Stab gerade entgegengesetzt.

# Nur keine Komplikationen.

* Ist nicht richtig gebrochen.
- Das liegt am Gefäß.

# Der Knick ist da.

* Also rund ist vom Übel. (Gemeint ist das Glas)

# Sie müssen schräg gucken.

* Oder ganz flach gucken, waagerecht auf die Oberfläche. Er ist ganz schön gebogen, wenn man so guckt.
- Ja.
- Der geht so.
- Und gedreht (er meint abgedreht).

# Wo sind denn nun die Strahlen?

* Das kompliziert alles nur, oder...

# Da kommen doch im Lehrbuch gleich Strahlen. (Volk spielt) Sehen Sie einen?

* (Lebhaft durcheinander:) Das sind die Physiker, die dann so reden.
- Der Stab ist auch noch schraubig verdreht. Der Stab ist ein Vierkant und ist jetzt, als ob er schraubig verdreht wäre. Vielleicht hat das was mit den Rändern zu tun.
- Nee, wenn du jetzt direkt draufschaust, ist er so seitlich verdreht.

# Der glüht aber gelegentlich (Der Stab ist ein weinrotes Plastiklineal mit quadratischem Querschnitt.)

* Oh, jetzt wirds schlimm, der ist eingedellert.
- Er ist aber so rum eingedellert.
- Das war das, was ich meine.
- Und wie!
- Ich habe auch noch einen runden Stock dabei, dann haben wir ein Problem eliminiert.
- Ob das dasselbe ist? So dürfen wir nicht gucken.
- So auch nicht. (Großes Amüsement mit dem Lineal und dem Becherglas)
- Oder eins wo man seitlich durchgucken kann.

# Warum wollen Sie denn eine Glühbirne reinsetzen?

* Das hatten wir das letzte Mal vorgeschlagen, weil wir von unten schauen wollten.

# Wie kamen Sie denn auf eine Glühlampe?

* Durch das Birnchen.
- Wir kamen auf etwas Leuchtendes, das man sieht, auf einen leuchtenden Punkt, und dann hat jemand gesagt, könnte man ja auch... Es gibt so ein Standardgerät, wo man mit einer Lampe reinleuchtet und dann gibt es...
- einen Spiegel und dann hast du entsprechend zehn Strahlen zu gucken. (Experiment-Standardgerät)
- Wir haben uns doch gefragt, wie man einen leuchtenden Punkt, also einen Punkt, der unter Wasser liegt, wie man den sieht, und dadurch sind wir darauf und auf diese Strahlen gekommen. Und dann hat auch jemand gesagt: "Das wäre ja, wie wenn man eine Taschenlampenbirne unter Wasser hätte."

# Das ist doch keine Taschenlampe.

* Nein, es ist keine.
- Man sieht es trotzdem.

# Und der Stab ist trotzdem gebrochen. Ich sehe ihn im Finstern lang nicht. Wozu brauchen Sie eine Taschenlampe?

* Wenn ich mich recht erinnere, war das doch so, dass wir das Problem hatten, von dem Stab auf den Lichtstrahl zu kommen. Und deswegen hatten wir die Taschenlampe, die wir heute nicht haben.

# Ja, ja. Da brauchen wir doch nicht den Stab.

* Anstelle des Endpunktes des Stabes eine Taschenlampe, um den Strahlengang erklären zu können, und wie der Strahlengang gebrochen wird, an der Wasseroberfläche.

# Jetzt gucken sie mal weg von dem Ding. Bitte nochmal.

* Wir hatten das Problem, dass von dem Stab an sich kein Lichtstrahl ausgeht, wir hatten die Verknüpfung, also das Phänomen, das ich hier sehe, diesen Stab. Dass ich jetzt dem Schüler klar mache, da brauche ich nicht mal den Schüler zu nehmen, sondern auch mir klar mache, jetzt davon ein Lichtstrahl gebrochen werden sollte.

# Aber ich sehe doch gar keine Lichtstrahlen.

* Ja, das war ja das Problem, dass ich von dem Stab aus keinen Lichtstrahl...

# Warum will ich denn den Lichtstrahl sehen?

* Aber um die Brechung erklären zu können, brauche ich doch einen Strahl.

# Die Lehrbücher jedenfalls.

* Ich brauche ihn auch.

# Er ist also nicht da. Aber anscheinend muss er da sein.

* Ja, ich meine...
- Es ist also das Problem der Menschen, dass man nur etwas verstehen kann, was man auch begriffen, also im Kopf hat. Und dann muss ich mir irgendwelche Modelle schaffen, die mir das nahebringen.

# Dann schaffen Sie mal.

* Deswegen habe ich das Strahlenmodell des Lichtes.

# Hat niemand eine Taschenlampe da? Nein? Vielleicht leuchtet sie danach ein Weilchen. Das Problem ist eigentlich, dass man Strahlen glaubt sehen zu müssen und sieht sie nicht. Darüber hatten wir doch letzthin gesprochen. Das steht doch in allen Büchern, dass von den Punkten eines Gegenstandes Strahlen ausgehen und damit erklärt man alles. Die sieht man aber nicht.

* Der Strahlendruck ...

# Weiß man das schon lange?

* Ja.

# Es kann ja nicht so naheliegend sein. Was da im Buch steht, das glauben die Kinder sowieso nicht, denn die sehen ja durchaus nicht Lichtstrahlen von den Ellbogen des Lehres ausgehen oder von seiner Nase, keine Rede davon. Also das muss doch mal entdeckt worden sein. Erinnern Sie sich gar nicht?

* Doch die Camera obscura, die hatten wir als Nachweisinstrument benutzt, dass die Vorstellung vom Strahl brauchbar ist, weil man nur mit Hilfe dieser Strahlvorstellung erklären kann wieso das Bild in dieser Kamera entstehen kann.
# Erinnern Sie sich? Ja? Ich habe sie ja leider nicht hier.

* Warum es auf dem Kopf ist? Ja!

# Aber würden Sie mal beschreiben, wie die Camera obscura arbeitet? Nebenbei bemerkt, beschrieben von Leonardo da Vinci bereits 1518. Nicht sehr viel, keine Antwort darauf.

* Respektive schon bei Aristoteles. Beobachtung, das durch das Blätterdach fallende Licht, das da umgekehrt wird.
- Sonnentaler.

# Also wir haben einige Gäste, die nicht da waren. Infolgedessen sind wir verpflichtet, zu sagen, wovon Sie reden. Camera obscura.

* Ja, die Camera obscura besteht eigentlich vor allem aus einem Loch.
- Also aus Nichts.
- Ja, aus Nichts, wobei wichtig ist, dass drum herum etwas ist, um das Loch. Ja, zum Beispiel wenn man einen abgedunkelten Raum hat, und im Fensterladen ist ein Loch, dann kann man auf der gegenüberliegenden Wand alle Dinge abgebildet sehen, die man auch draußen vor dem Loch sehen kann, und zwar auf dem Kopf. Kurzfassung: alles was draußen ist, sieht man dann auf dem Kopf an der Wand. Um sich das vorzustellen, wie das geht, dazu hat man herausgefunden, dass das Strahlenmodell ganz brauchbar ist, weil man sich dann vorstellen kann, wie die Lichtstrahlen durch das Loch durchgehen und auf der Wand dann ein Bild entstehen lassen. Und sich nicht stören. Da kommen dann auch Probleme.

# Aber Sie wussten es schon? Ja weiter, weiter. Natürlich ein Unfug, was man da machen kann.
Herr Franz, haben Sie es mal gemacht?

* Ich habe es mit Schülern gemacht, ja. Im Klassenraum, im Schulsaal, im Physikraum. Mir ist gerade aufgefallen, dass es die Schüler am meisten verblüfft hat, dass alles anders aussah.

# Anders?

* Es war der Schulhof, der da abgebildet war und in diesem Schulhof bewegten sich Leute. Die gingen also an der Decke entlang, war also schon spannend, hat auch sehr viel Spaß gemacht. Aber die liefen so komisch. Das heißt, die Bewegung sah völlig anders aus, wenn sie auf dem Kopf zu sehen waren. Das war also das herausragende Phänomen für die Schüler.

# Wie alt waren die?

* Achte Klasse, also dreizehn bis vierzehn.

# Und was haben Sie weiter gemacht?

* Ich habe also Schüler rausgeschickt, die dann auf das Loch zugelaufen sind, von dem Loch weggelaufen sind und die anderen haben innen beobachtet, was an der Wand zu sehen war oder an der Decke. Wenn er ganz nah war, ging er ja praktisch von Mitte Decke bis ganz um die Ecke so rum.
- Also von Schülern die Idee?
- Da kann man höchstens als Lehrer anbieten, dass das über Strahlen zu erzählen sei, von den Schülern her kommt da nichts, das ist für die ein tolles Phänomen, ein tolles Bild. Dieses Bild zu zerlegen in einzelne Strahlen, die dann von dem einzelnen Punkt kommen, das ist dann so ein Akt, den ich als Lehrer dann einbringe, dass ich sage: "Ok, dieser orange Punkt dahinten kommmt von dieser Sandkiste, die draußen im Hof ist."

# Ja, das ist wirklich ein Problem. Für die alten Forscher ebenfalls.

* Wobei nur noch zu dem Beispiel "auf dem Kopf" also ein Schüler guckte zwischen den Beinen durch, also drehte sich selbst wieder auf den Kopf und guckte, ob es dann wieder richtig ist, und dann ist es richtig, das heißt: dann laufen die Leute wieder normal.

# Ich kenne einen Lehrer, der hat solche Sachen gemacht in Tübingen, und dann hat er auch mal die Erstklässler da reingeführt in diesen Raum. Was die gemacht haben, finde ich besonders schön. Die haben erst mal ganz merkwürdig geguckt, sind schnell rausgelaufen und haben gefragt: "Was ist denn das?" Und dann haben sie Handstände gemacht, auf dem Hof haben sie sich auf den Kopf gestellt, um die Sache wieder richtig hinzukriegen.

* Das kam von denen auch als Vorschlag, Aufforderung von denen drinnen, an den draußen.

# Gut. Und wie bringt man dann die Kinder dazu, an Lichtstrahlen zu glauben, wenn das so ist? Also eine Zwischenfrage, nochmal anders. Warum wollen Sie da eine Glühlampe benutzen? Was wäre es denn für ein Weg, um die auf die Fährte zu bringen? Wenn da draußen eine Laterne stände, ganz umgekehrt, eine Laterne mit rotem Licht, dann ist ja vielleicht etwas davon da, ein roter Punkt erscheint. Das ist vielleicht zu spüren. Klar. Aber nun ist er nicht da. Was also? Dann ist keine Erklärung da.

* Ich denke, das kann man sehen. ich erinnere mich so dunkel, dass unser Physiklehrer eine Lichtquelle benutzt hat und hat uns Strahlen gezeigt, wie sie durch ein anderes Medium hindurchgehen und da sich verändern, abgeknickt werden, oder bündeln, oder streuen, also das aus meiner dunklen Erinnerung her, das ist endlos lange her. Das war für mich irgendwo einleuchtend, es gibt tatsächlich Strahlen.

# Ja? Weil Sie von einem anderen Medium sprechen.

* Ja, beispielsweise Glas.

# Aber so etwas haben wir im Kopf, wenn wir einmal in die Schule gegangen sind.

* So etwas habe ich im Kopf, ja.
- Die Frage ist eben dann, ob man als Schüler sehen kann, ob es Strahlen gibt oder ob man Strahlen machen kann.
- Ja eben.
- Das hat mir als Schüler genügt, dass man Strahlen machen kann.

# Mit Glühlampen?

* Ja, und mit Blenden.
- Den Rest hat die furchterregende Autorität des Lehrers geschaffen.

# Ich verstehe die Frage nicht ganz. Machen kann?

* Man kann nämlich gar keine Lichtstrahlen machen.

# Ich weiß nicht, was Sie meinen.

* Ich denke, dass man als Schüler, wenn einem ein Lehrer beispielsweise so eine Anordnung vorführt, wo er dann mit Blenden einzelne Lichtbündel einem vorführt, und dann gleichzeitig von Lichtstrahlen spricht, dass man dann sieht: "Aha, man kann Lichtstrahlen machen." Und dass man das im Grunde als Schüler mehr oder weniger als Beweis dafür nimmt, dass es eben Lichtstrahlen gibt, und nicht auseinanderhält zwischen diesem Aspekt des künstlichen Herstellens in dieser Situation und dem einfach Vorhandensein dieser Strahlen sonst. Dass man da noch überhaupt nicht dazwischen unterscheidet, sondern wenn der Lehrer einmal so einen Versuch macht, dann sagt man: "Aha, es gibt Lichtstrahlen", wobei er im Grunde nur gezeigt hat, dass man mit Licht so umgehen kann, dass es als Strahl erscheint, dass man Licht eben in gebündelter Form...

# Hat er wieder mal gezaubert.

* Ja, da hat er wieder mal gezaubert. Man hält es dann für Eigenschaft der Natur, was teilweise jedenfalls eine Eigenschaft seiner Geräte ist.

# Ja, das gibt es.

* Also bei der Frage, warum man jemanden oder etwas oder Licht sieht, also da kam bei mir ein Schüler auf die Idee, dass man eigentlich mal wissen müsste, wie das Licht jetzt nun da verläuft. Also die Schüler -es war eine achte Klasse- wollten wissen: "Wie verläuft nun das Licht eigentlich?" Und er kam dann auch auf die Idee, die der Lehrer sonst immer vorwegnimmt. Also er sagte: "Es geht nicht, dass man das alles so rund rum... da muss man das enger machen." Also der hatte vorher noch nichts mit Optik zu tun gehabet, der hat diesen Vorgang, den der Physiklehrer sonst immer vorwegnimmt, den kann er eigentlich so nicht erlebt haben, der kam von sich aus auf die Idee, wenn ich wissen will, wie das Licht verläuft, muss ich also praktisch es einengen. Das hat mich sehr beglückt, dass er von sich aus auf so eine Idee kam.

# Hat der schon etwas gelesen?

* Ich bezweifle das, er war immerhin recht unverbildet gewesen.

# Fernsehen?

* Das könnte natürlich sein, Fernsehen heutzutage, nicht auszuschließen.

# Aber so etwas ist selten.

* War auch, ist der einzige Fall in elf Jahren, dass ein Schüler so dachte.

# Wenn man dies etwas lenkt, würde ich sagen, dann kann man doch einschränken, dass der Lehrer nichts tut, außer das Loch hinstellen. Das könnte man ja den Schülern sagen: "Ich tu gar nichts, bin unschuldig, das macht es von selber." Und das ist dann die Frage. Das würde wohl gehen.

* Ja, ja. Ich hatte das mehr auf einen Unterricht bezogen der von vornherein sozusagen lauter Dinge zeigt, die auf diese Lichtstrahlvorstellung hinauslaufen, indem man entsprechende Blenden einsetzt und dann im passenden Medium auch die Strahlen beobachten kann.

# Wir können ja auch anehmen, dass die Lichtstrahlen schon auf dem üblichen Wege, unklaren Wege durch Lampen und Nebel und Streifen an den Wänden, dass wir die schon haben. Da sind ja noch keine da. Meinen Sie, man kann erwarten, dass die uns doch so selbstverständlich erscheinende Verbindung zwischen da oben (Sonne) und hier unten, dass sie die herstellen? Das sind doch zwei Sachen. Ich habe darüber keine Erfahrung.

* Ein Gedanke, der mir so kommt, wie man diesen Übergang machen könnte. Der, dass man erst einmal über die Herstellbarkeit von Lichtbündeln spricht, Blenden benutzt. Eine Blende hat und dahinter eine Lichtquelle, dass man erstmal einen Lichtstrahl herstellt, so ausgrenzt mit einer Blende. Und dann anfängt, diese Lichtquelle zu bewegen. Und über diesen Prozess der Bewegung, allmählich dazu übergeht, wie ein Bild in einer Camera obscura entstehen kann.

# Dann würde ich doch lieber die Bewegung ausnutzen, wenn draußen ein Auto vorbeifährt.

* Ja, dann würde ich es schon eher so machen, wie ich das jetzt gesehen habe, oder wie ich das mit meinen Schülern gemacht habe, dass dann halt einer vor- und zurück läuft, alles mögliche probiert, etwas nach rechts, drinnen ist es genau in die andere Richtung. Die wissen auch genau, wie der Schulhof aussieht, was wo draußen ist.

# Es wird dann aber vieles durcheinander laufen.

* Also wenn keine Pause ist. Die Pause war immer das Bonbon. Wenn keine Pause ist, habe ich ja immer nur einen oder zwei als Experimentator draußen vor dem Laden, eine Lichtquelle, sprich einen Schüler, vor dem Laden am Laufen.

# Der eine Fackel tragen kann.

* Das wäre eine Möglichkeit, stimmt. Aber da es ja immer hell ist und der Saal quasi nach Norden liegt, und da ich immer gucken muss, dass es so in der dritten oder vierten Stunde ist, weil es von den Beleuchtungsverhältnissen her wieder wichtig ist, dass die Schüler auch merken, zum Beispiel wenn es ein bisschen trüb ist so wie heute, dann haut es eben nicht hin.
- am besten macht man mal nachts Experimente, das wär noch viel besser,
- an der Unität vielleicht.
- in der nullten Stunde im Winter
- Also ich denke schon, dass Schüler auf die Idee kommen, zu sagen, wie kommen nur die Füße an die Decke. Das heißt, der steht doch draußen auf dem Boden.

# Verzeihung, das ist an der Decke, ist da; es kommmt überhaupt nicht. Wer hat das da hingemalt?

* Ich denke schon, dass sich die Schüler den Gedanken leisten können, dass sie wissen, was an der Wand ist, an der Decke ist, dass das nur ein Abbild ist von dem was draußen ist. Dass draußen das ist, was man allgemeine Realität nennt. Das werden sie schon leisten können.

# Es gibt halt Bilder von den Sachen, die können wir doch nicht aus dem Spiel lassen. Es ist sehr schwer, sowas außer Acht zu lassen.

* Ja das verändert sich ja, das Bild, das ist ja kein starres, festes, das verändert sich ja.
- Wenn ich einen Schüler laufen lasse, dann verändert sich das ja unmittelbar mit dessen Bewegung da drin.
- Vielleicht könnte man dem ein paar Zwirnsfäden in die Hand geben, die anderen sollen es dann da (am Bild) festmachen.

# Dann muss man den Gedanken schon haben. Kepler hat wirklich Bindfäden. Es war notwendig für seine Anschauung.

* Der Trick ist ganz einfach, wenn ich das als Schnitt von der Seite an die Tafel male, dann draußen den Schüler hinmale und habe hier meinen Saal, dann wenn ich es als Schnitt male, dann ist es wirklich drin, denn dann dringt es ja in eine Ebene und dann komme ich sehr schnell auf die Idee, weil sie schon implizit davon ausgehen, dass das Licht nicht so eine Kurve macht.

# Ja, aber ich will den zweiten Schritt...

* Aber ob man das auch so aus der Beobachtung jetzt wirklich zum komplexen Bild, das davon entworfen wird von den Vorgängen draußen, ob man daraus jetzt auf diese Strahlvorstellung und diese Erklärung kommt, ich glaube man muss wirklich zwei Durchgänge wählen, einen propädeutischen, wo man erst mal durchgeht und sich über die ganzen Dinge wundert, und dann einen, wo man nochmal die Lichtstrahl-Vorstellung einbringt und das problematisiert und dann gleich mit Bewegung und so. Dann werde ich bei einem einfachen Fall dahin kommen und sehen, dass Licht sich geradlinig ausbreitet.

# Wenn man die Lichtstrahlvorstellung schon hat, bei einer Taschenlampe schon längst hat, dann ist doch der Sprung, dass da draußen von einem roten Pullover ein Lichtstrahl ausgeht oder von einem nicht so auffälligen Ding, einer Schuhsohle, Stiefelspitze...

* Also daran tut man gut, etwas zu sagen, wie das Licht wieder an seinen Ort kommt. Dass es also insgesamt so eine Gestalt gibt.
- Dass der Lichtstrahl weiß, wo er hinmuss.
- Ja, dass offenbar die gleiche Ordnung erhalten bleibt, wie sie auch draußen ist. Das erscheint deshalb so komisch, weil man ja auch gleichzeitig die Vorstellung hat, man kann die Dinge von allen Seiten angucken und jetzt ist auf einer Seite das Loch, und das gibt genau den Ausschnitt...

# Laterna magica. So machen sie es, machen sie es und sagen, sie mögen sehen. In einem Fall habe ich ein Protokoll eines Tübinger Lehrers, da haben sie überhaupt nicht gemerkt, dass es auf dem Kopf steht, so sehr sind sie es vom Fotografieren gewohnt: Das kennen wir ja.

* Das ist aber heute nicht mehr so, man arbeitet nicht mehr mit Plattenkameras. Das muss schon älter sein.

# Ja, das ist gut zwanzig Jahre her. Ja nun fragt es sich, ob Sie selbst diese Konstruktion für zwingend halten. Also zu sagen, diese rote Fahne kann nun dort oben erscheinen, wenn von der roten Fahne rotes Licht durch das Loch ausgeht. Ist das reine Phantasie oder ist das prüfbar? Außerdem, man sieht doch nicht das Geringste davon, eine ungeheure Leichtfertigkeit unserer Lehrbuchfiguren.

* Ich könnte mir natürlich vorstellen, dass man andere Theorien entwickeln kann und dass die Schüler das vielleicht tun. Wenn sie noch unverbildet genug sind, dass sie dann sagen, dass das Bild als Abdruck vom Objekt kommt und dann allmählich immer kleiner wird, weil es ja durch das Loch will, in dem Punkt sich dann auf dem Kopf dreht und dann wieder zur Wand weiterwandert. Solche Dinge, die kann man ganz bestimmt als Theorie empfinden, wenn man genügend Schilderungen hat.

# Schön, sehr schön, Molluskenbilder. Die Biologie verlangt doch ähnliche Aussagen.

* Also das haben bei mir vier fünfzehn- bis sechzehnjährige Jungen ausprobiert, die alle gute Fotografen waren. Die haben gleich hinter dem Loch ein Zeichenblatt hingehalten und sind dann immer weiter weg gegangen und haben geschaut, ob sie das nicht irgendwann bekämen und wie scharf sie das Bild bekommen und so weiter. Die waren in erster Linie erstaunt, dass das Bild farbig war. Die haben wirklich geschaut, ob das Bild sich irgendwann rumdreht.

# Und ob das Bild auch auf dem Wege ist.

* Ja, das haben sie auch gemacht, da sind sie schon langgerutscht mit ihrem Zeichenkarton. Die haben dann das Bild auf dem Zeichenkarton fotografiert, ob das ging, ob sich das Bild auch fotografieren ließe. Und siehe da, es ging wirklich.

# Ihre Meinung würde mich jetzt interessieren, wirklich, ich simuliere ja gar nicht. Können wir es akzeptieren, dass unzählige Lichtstrahlen von allen Punkten von draußen reinkommen, auch noch farbige, durch den selben Punkt im Loch durchgehen, sich wieder trennen, auffächern und da drüben ganz brav das Bild machen? Kann man sagen, dass das eine Entdeckung ist oder eine Erfindung? Glauben Sie daran, sind Sie Anhänger dieser Meinung?

* Ich habe Schwierigkeiten, dass wir selbst irgendwie Lehrmeinungen vertreten, weil ich sie eben gelernt habe, weil irgendwelche gescheiten Leute sie entwickelt haben und wir sind dann davon überzeugt, dass es dann richtig ist, wie es die Leute da gesagt haben. Jetzt haben wir eben die Schwierigkeit, es uns selbst vorzustellen und dann den Schülern zu vermitteln. Ich meine, es hat ja noch niemand einen Lichtstrahl gesehen, das war ja am Anfang unser Dilemma.

# Ja was macht man denn, wenn die Schüler es nicht glauben? Sagt man da: "Ich habe es auch bloß gelesen"?

* Ich finde, wenn man sich dieses Bild innerlich entwirft, dann gibt es bestimmte Punkte, an denen tauchen innerlich leicht Probleme auf. Ein Punkt ist, wenn man sich sagt: "Na gut, von dem Gegenstand da gehen jetzt von jeder Stelle Lichtstrahlen aus". Das eine Problem ist, dass die erst einmal nach allen Seiten gehen, und ich im Grunde nur eine kleine Blende betrachten will. Das ist das eine Problem, das mir vielleicht Schwierigkeiten macht. Das andere ist, dass dadurch, dass sie eben nach allen Seiten gehen, also auch wenn diese Blende eine gewisse Ausdehnung hat, da in verschiedene Richtungen gehen und man im Grunde so einen Kegel denken muss. Das ist ein Lichtkegel und nicht einfach nur ein Lichtstrahl. Dann muss man sich sozusagen erst einen Gegenstand denken, der besetzt ist mit lauter solchen Lichtkegeln. Da diese Kegel ja die Tendenz haben, sich auszuweiten, ist es dann irgendwo wieder verwunderlich, dass dann jenseits der Blende das sich wieder als Bild zusammenfindet. Ich finde, es gibt verschiedene Denkvorstellungen; wenn man da einfach so naiv herangeht, ohne das jetzt...
- Das sind aber so Sachen, gerade jetzt mit diesen Kegeln, wie das jetzt durchkommt, das kann man...
- also das Loch bei mir im Rolladen ist ausgefranst, übrigens von einem Stein. Das ist wichtig, es ist kein in dem Sinn dafür gemachtes. Es ist mir auch genau so zufällig aufgefallen, dass dies den Effekt der Lochkamera hat wie eben dieses Loch im Rolladen war, das ist das Schöne dabei noch. Ich denke, wenn man da mit einem Blatt drauf zugeht und weggeht, also auch so den Effekt bekommt. Am Anfang ist das ja ein weißer Fleck. Wenn ich vom Loch weiter weggehe, differenziert sich das ein bisschen auf, aber verschwommen und noch sehr hell. Und dann, wenn ich es wegnehme, dann habe ich es irgendwann an der Wand, und dort kann ich es wieder erkennen. Das heißt, dann ist aus diesem kleinen Loch die Kiste dann sehr groß. Wie ich die einzelnen Schritte mache? Da habe ich bisher immer diesen Knack gemacht oder ein Schüler kam auf die Idee und hat es an der Tafel gemalt. Aber der Strahl ist für mich dann noch nicht die Notwendigkeit.

# Und wenn jetzt einer sagt, in dem Loch, da gibt es Zusammenstöße?

* Ja, bei Strahlen gibt es ja auch Zusammenstöße.

# Wir wissen ja doch gar nicht, was ein Strahl ist.

* Ja, oder überhaupt, dass das da so gut durchgeht, ohne dass es da hinten so Kuddelmuddel gibt.

# Wir haben ja schon ganz zum Schluss gefunden, glaube ich, dass man in der Natur eine Erscheinung finden kann, die zeigt, dass sich etwas durchdringt, ohne sich zu stören.

* Bei den Wasserwellen war das so, wenn man zwei Steine ins Wasser wirft. Dann macht jeder Stein ganz viele Wellen und dann können die sogar durcheinander durchlaufen überkreuz und laufen dann jede wieder für sich weiter.

# Das kennen Sie doch alle, da jeder Mensch schon einmal Steine in einen Teich geworfen hat, ist das doch zu sehen, das ist etwas Ähnliches. Natürlich ist es eine falsche Folgerung, die Lichtstrahlen bestünden als Sache. Das ist natürlich falsch, nur ein Vergleich. Da gibt es das, warum soll es das nicht auch hier geben? Immerhin kann man sagen, was Strahlen nicht sind.

* Es ist nichts Materielles.

# Ja, ich meine keine Partikel, kein Staub, keine Moleküle, Atome; von Photonen wollen wir gar nicht reden, wird doch nicht kapiert. Also sind die nicht materiell, keine Geschosse, keine Spraydosen. Das sind die nicht, es sind etwas wie Wasserwellen. Was sagen Sie denn nun, wenn die Kinder das wissen wollen, was das ist, dass es an Wasser erinnert, aber kein Wasser ist?

* Welche Erscheinungen erinnern denn an Wasser, da kann man sich doch noch ganz andere Dinge vorstellen. Wie kann man von Lichtstrahlen auf Wasserwellen kommen? Der Punkt wäre auch, genau in diesem Punkt müssen sich die Lichtstrahlen durchsetzen in der Blende.
- Genau das halte ich für das Problem. Muß man das sagen? Ich habe das noch nie von einem Schüler als Problem gehört, dass da ja alles durch dieses Loch geht.
- Sozusagen dass alles Brei sein müsste, da alles durch das winzige Loch geht und wie durch den Fleischwolf und kommt am anderen Ende doch wieder...
- ...lebendig raus! (Allgemeines Gelächter)

# So ist das ja bei Wasserwellen, die kommen wieder raus. Ich denke an eine Welle, an einen Impuls von einem Steinwurf. Der läuft hin, dann kommt der andere durch, dann setzt er sich oben drauf, als wäre nichts geschehen. Also weiß man nun, was Strahlen sind? Wie würden sie formulieren, meinetwegen ältere Schüler?

* Also, die Schüler, die sollen das ja dann aufschreiben, wie sie sich das vorstellen. Und dann sind Versatzstücke ja schon vorher behandelt worden, meinetwegen das Licht kommt von der Sonne und trifft auf den Baum, von dem Baum wird es zurückgeworfen und geht durch das Loch an die Wand. Also soweit kommt es, auch eine Zerlegung in Bildpunkt und Gegenstandspunkt oder so etwas.

# Ja, das sieht ziemlich nach Lehrbuch aus, zu wenig. Man muss doch etwas Systematisches mit einbringen, Definition bringen zur Durchdringung.

* Durchdringung wird da nicht erkannt, das habe ich noch nicht als Problem erlebt.

# Was denn dann?

* Dass dies ein Problem sein kann, ist ok, bloß die Schüler erkennen nicht das Problem, dass sich alles in diesem Loch trifft im Rolladen. Das ist für sie mal zunächst kein Problem, über das sie nachdenken. Bisher kam das nicht zur Sprache.

# Nein, das meine ich nicht, Schule. Da haben wir ja keine Zeit. Wo kämen wir denn hin? Malen wir ein Bildchen, dann ist es gut, lies die Antwort raus. Didaktik ist die Kunst der Vereinfachung oder die Kunst, um die wirklichen Probleme herumzulotsen. Aber wie will ich es denn sagen, meinetwegen diktieren? Das stimmt doch dann wenigstens.
Ist an den Strahlen etwas, das doch stimmt? Also Materie ist es nicht. Aber die haben etwas, das doch stimmt.

* Dass die Strahlen keine krummen Linien machen, dass sie geradeaus gehen, das ist etwas Wahres. Das kann man auf dem Papier oder Pappdeckel, wenn man es verfolgt, nachvollziehen.

# Auch hier am Phänomen, die Geradlinigkeit ist unbesteitbar; das einzige, was wir haben, eine arme Gesellschaft. Das ist Mathematik, Geometrie. Also Ernst Mach hat ja ein sehr schönes Wort dafür: Gedankendinge.

* Ja wie stellt man das denn fest, dass der Strahl geradeaus geht, das möcht ich doch mal wissen.

# Ich dachte, Sie wüssten es. Sie bezweifeln sich jetzt selbst.

* Ich weiß es nicht.

# Das weiß doch jeder.

* Es gibt doch auch Phänomene, die man nicht weiß.

# Haben Sie schon mal einen krummen Lichtstrahl gesehen?

* Nein, nicht mal einen geraden.
- Aber wenn in einem Strahl der Staub leuchtet, dann ist es doch meistens gerade. Ich habe noch nie etwas Krummes gesehen.
- Ja, woher kommt denn der Begriff 'Gerade'? Das ist doch wichtig, warum sagt man: "Das ist gerade"?

# Jetzt fragen Sie auch noch, was eine Gerade ist?

* Ja, woher das kommt.

# Hab ich recht verstanden, Sie wollen wissen, was eine Gerade ist?

* Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten...

# Da haben Sie ja eine ganze Masse Definitionen zur Auswahl.

* Warum ist das Ding hier gerade?
- Indem man guckt.
- Dann definiert man etwas mit sich selbst.
- Was in der Physik nicht ungewöhnlich wäre.
- Man kann es aber auch anders machen, ganz mechanisch. Also dieser Zirkel muss nicht entstehen, dass man gerade über das Licht definiert.
- Wir kommen ja her vom Licht.

# Muss schon anders definieren, gespannter Strick. Dann sagen Sie, der hängt durch. Gespannter Faden im All, ausgespannt...

* Vielleicht hängt das Licht ja auch durch.

# ...ausgespannt von Astronauten.

* Ausgespannten Faden haben wir als Definition für das Ampere, die Kraft, die zwischen zwei unendlich langen, parallelen Leitern wirkt. Wenn dann die Kraft 1 Newton wirkt, dann habe ich entsprechend 1 Ampere. Weil Sie eben sagten, ins All gespannt, da wird das so gemacht.

# Also ich kenne eine Definition, eine mathematische. Die ist einwandfrei.
Also man weiß schon, was ein Körper ist. Man nehme ein Felsstück und halte es an zwei Punkten fest. Wie ich das mechanisch mache, das ist eine andere Frage. Halten Sie ihn in Gedanken fest. Dann gebe ich den Auftrag, diesen Klotz so zu bewegen, wie er noch kann. Dann kann er nur rotieren. Dann definiere ich alle Punkte, die sich bei diesem Stück nicht bewegen, bilden eine Gerade.

* Punkte, die sich nicht bewegen oder um sich selbst rotieren.

# Punktförmig.

* Ist das jetzt eine mathematische oder physikalische Definition?

# Eine mathematische Definition.

* Aber da macht mir das Problem mit dem Strich ja auch gar kein Kopfzerbrechen. Das ist ja wieder ein physikalischer Grund, der uns hier in Schwierigkeiten bringt. Bei diesem hier würde ich auch sagen, sobald man physikalisch genau hinguckt, ist es so, dass man möglicherweise dann doch wie sie aussehen berücksichtigen muss und im Grunde gar keinen Punkt finde, der da so richtig ist.

# Ja, ja.

* Aber wie ist es denn mit dem Licht? Es bewegt sich doch eher längs der Schnur, die durchhängt.

# Dünner als man denken kann ist ein Punkt. Euklid sagt, ein Punkt ist das, was keine Teile hat. - Was sagen Sie?

* Ich sag, das Licht bewegt sich doch eher längs einer Schnur, die durchhängt als längs dieser Rotationsachse.

# Ich versteh den Einwand nicht.

* Es ist kein Einwand, aber diese Vorstellung von gerade, die jetzt an dem Verlauf des Lichts angebracht wird, die stimmt zwar für unsere terrestischen Fälle, da ist das zwar richtig, aber wenn das jetzt ein bisschen genauer betrachtet, dann ist es ja doch gekrümmt.

# Meinen Sie als Konstruktion Ablenkung des Lichts?

* Ja, sicher.

# Aber wir reden doch für Kinder, als Kinder.

* Hmm.
- Ja, ich meine, wenn man die Schnur nicht allzu lang macht und kein schweres Seil nimmt, dann kann man es als gerade akzeptieren. Wenn es nur darum geht, dass die Kinder eine Veranschaulichung haben, dann...

# Die stellen nicht in Frage, was gerade ist? Wissen was es heißt, geradeaus laufen, nicht rechts und links.

* Wenn Kinder über die Straße gehen, dann wissen die auch, was die kürzeste Verbindung ist, von einem Punkt zum anderen.

# Es ist ja unser Spaß, dass wir darüber nachdenken. Es muss nur für Kinder zwingend sein. Also sind Sie einverstanden mit dem Gedankending? Ein mit Gedanken durchsetztes Etwas. Es hat Beziehung zu Raum und Körperlichkeit.

* Also bevor man den Strick waagerecht spannt, würde ich ihn lieber aufhängen, senkrecht.
- Überhaupt Sachen, die fallen, die spannt man so.
- Wie die Maurer, das ist ja eigentlich überzeugend für die Kinder, weil das da her kommt, die empfinden die Wände eines Gebäudes als gerade und nicht als schief. Natürlich sind die jetzt streng genommen physikalisch nie gerade, aber es geht ja darum, dass man Kindern einen überzeugenden Begriff gibt. Diese Problematisierung der Begriffe, die ist dann in der Wissenschaftstheorie immer weiter getrieben worden, ich glaube, mit der kann man die Kinder in dem Stadium nicht belasten. Man würde sie wirklich überfordern, wenn man ihnen den Apparat, den sie brauchen, um ihre erste Grunderfahrung zu machen, gleich wieder entreißt und sagt: "So genau stimmt das doch alles nicht". Man kann sie ja vielleicht auf so manche Grenzprobleme hinweisen und auch in der Kunst zum Beispiel die Tempel, die haben sie ja auch gar nicht gerade gebaut, die haben sie extra gebogen gebaut, damit sie gerade wirken sollen. Da kommt man schon etwas rein. Die eigene Wahrnehmung und vielleicht bei den Basteleien die physikalische Realisierbarkeit. Weiter würde ich gerade bei Kindern...

# Der Schwerpunkt liegt für mein Empfinden bei zwölf- bis vierzehnjährigen, wenn es anfängt, denn die belasten wir mit viel zu viel Theorie. Gar nicht nötig, ganz klar, was die sagen. Die wissen was eine Gerade ist. Das sieht man, haben sie auch festgestellt. Das andere ist unsere Sache. Unsere Sache ist nicht immer, worüber die reden.
Also ist der Strahl hin? Ist er das, abgehakt, erledigt?
Und was hat das (Glas mit Lineal drin) damit zu tun? Wo sind da die Strahlen? Wir waren doch auf die Camera obscura gekommen. Ich sehe nun gar keine Camera obscura.

* Aber einen Gegenstand. Und bei der Camera obscura heißt es, dass jeder Gegenstand Licht nach allen Seiten aussendet, indem wir ein bisschen etwas gesehen haben...

# Nicht jeder Gegenstand, der vor einer Camera obscura aufgestellt wird, sendet Licht aus, das tut er auch dann, wenn keine Camera obscura vorhanden ist.

* Genau das meine ich, nach der anderen Seite, wo kein Saal ist, sendet er auch.
- Wenn man dann noch dazu nimmt, dass das Auge ja eigentlich auch eine Camera obscura ist, dann ist schon einleuchtend, dass da ähnliche Verhältnisse vorliegen.

# Ja, Sie sprechen von dem Auge, aber wir sprechen doch von dem Ding da. (Glas mit Stab)

* Jetzt habe ich mal eine Frage, das fällt mir gerade ein, weil er das Auge anführt: Wenn ich in diesem Raum sitze oder wenn da so eine ganze Gruppe in diesem Raum sitzt, verdunkelt.
Dann sieht ja jeder dieses Bild, jeder, der da sitzt. Wenn ich jetzt davon ausgehe, dass es ein einziger Strahl ist, der mir diesen Bildpunkt da erzeugt, wie kann sich dieser Strahl wieder aufsplittern in so viele, dass jeder diesen Bildpunkt sieht?
- Je mehr Leute gucken, desto weniger Licht ist da?
- Ja.

# Sie verstehen?

* Ich denke, es ist doch dasselbe Problem, warum ich da draußen den Baum sehen kann...

# Ich weiß nicht, ob alle das verstanden haben.

* Das ist nicht dasselbe. Die Sonne, da können wir doch unterstellen, dass die sehr viele Strahlen auf dieses Blatt sendet, aber diese Camera obscura, die unterstellt ja, dass ich mir nun gerade diesen einen Strahl herauspicke, der durch das Loch kommt.
- Das Loch hat ja eine Ausdehnung.
- Das ist ja die Theorie, dass wenn zwei Leute in der Zeitung lesen, der eine dem anderen alles wegliest.
- Nein, das ist sie nicht.
- Nicht, du siehst mit deinen Augen, was eigentlich in meinen Augen vorgeht.
- Nein, das hat damit nichts zu tun. Wir müssen uns jetzt vorstellen, dass da ein Mittel dazwischen geschaltet ist, das dieses Bild erzeugt. Und dass dieses Bild, dass jeder Bildpunkt, na ja, jetzt in meiner naiven Vorstellung, von einem einzigen Strahl erzeugt wird, von einem einzigen.

# Ist das richtig? Korrektur zum Strahl.

* Ich denke, das sind unendlich viele Strahlen, ganz viele zumindest
- Ja, die Frage ist ja, wie der guckt..
- Ich meine, was einem einleuchtet, das ist ja, dass es von der Sonne, von da draußen, auch die Gegenstände an der Wand, auch das Bild, dass es immer dunkler wird. Das zeigt ja schon, dass immer weniger da ist. Das zeigt, dass es von der Sonne bis zu deinem Auge, auf dem Weg einiges verloren hat.
- Dann könnte man erwarten, dass das Bild nun körnig wird, wenn man weit genug weg geht von dem Loch...
- Ja, wegen der einzelnen Strahlen...

# Bürste.

* Ja, genau.

# Ja, und das Problem? Mir scheint es daran zu liegen, wie dick ein Strahl ist. Euklid sagt, er hat überhaupt keine Dicke, er hat nur Länge.

* Das ist die Gerade, die mathematische.

# Beunruhigt Sie das?

* Wenn der Strahl keine Dicke hat, dann ist die Frage, ob man ihn überhaupt sieht. Also in Bezug auf die Physik muss einen diese Definition beunruhigen.

# Ja, sehr.

* Ja, brauchen wir in der Physik überhaupt diese Strahlendefinition?
- Der Strahl ist ja nur in der Endlichkeit.
- Der Strahl ist doch meines Wissens nur das Hilfsmittel, dass wir heute wissen, welchen Weg das Licht nun nimmt. Was das Licht wirklich ist, das wissen wir noch nicht. Wie dick er ist, ist dann auch nicht entscheidend, nur dass es immer weniger wird, weil etwas absorbiert wird und fort bleibt, wenn alle etwas sehen wollen.
- Du willst die Strahlen nur für den Weg, die Strahlen wirklich nur für den Weg?
- Das ist aber neu...
- Ja, das wäre eine ganz starke Reduktion der Bedeutsamkeit diese sogenannten Strahlenmodells. Aber ich werde mal drüber nachdenken.

# Kann man denn nicht sagen, dass was man sieht, eine Gemeinschaft von Strahlen ist?

* Also sobald ich Strahl als Begriff höre, dann sind es mehrere. Und einen oder mehrere, die haben irgend eine Form von Ausdehnung.

# Man spricht doch auch von Strahlenbündeln. Das scheint mir nicht zulässig, weil es die Bürste, die Bürstenvorstellung unterstellt.

* Die Strahlen, da müsste man irgendwelche Dinger nehmen, die das...
- Was für Dinger?
- Irgend etwas, das es trägt. Dann kommt irgendwann dieses Rastermodell, dass auch irgend etwas zwischen drin ist. Ich sehe das ja nicht, aber ich sehe ja irgend etwas, also das Bild muss ja irgendwie räumlich-flächig aussehen, wie ein Luftballon aufgeblasen, so geht das Licht weg und wenn ich dann die Camera obscura nehme, dann habe ich nur einen kleinen Ausschnitt von diesem Ballon, den ich dann sehe. Es geht ja nicht, dass dann nur ein Strahl durchkommt, deswegen komme ich dann irgendwie wieder in Schwierigkeiten, wenn ich das Strahlenmodell habe. Da ist ja Punkt neben Punkt, das ist ja ähnlich, wie wenn ich einen Karton nehme und den Pinsel und mache Farbtupfer drauf, Punkt neben Punkt.
- Also für mich tritt nochmal die Frage auf, so etwas Ähnliches wie die Wärmevorstellung, also brauchen wir so etwas wie eine atomistische Vorstellung von Materie oder tut es ein Kontinuum auch? Ob das nicht an der Stelle so etwas Ähnliches ist?
- Also anders gefragt, ist der Strahl ein gasförmiges Wirbeltier? Dass man also einerseits diese Starrheit, geradlinige Ausbreitung hereinnimmt, andererseits den Aspekt der Kontinuität, die Eigenschaften eines Gases da drinzuhaben scheint. Wobei ein Gas auch wieder andere Vorstellungen von uns vom Licht nicht abdeckt, aber es tut es eher als eine Bürste.

# Was ist denn mit einem massiven Wasserstrahl, hat der noch Strahlen in sich?

* Den Wasserstrahl kann man zum Beispiel nicht mehr aufspalten. Ich kann ihn stärker haben oder dicker haben, aber ich kann ihn dann nicht mehr in mehrere kleine Strahlen aufteilen.
- Wenn du ihn störst, dann spritzt er.
- Ich finde, ein wichtiger Aspekt, der da drin steckt, ist, dass man tatsächlich in dem Moment in dem man eine Blende da reinsteckt, etwas Neues erzeugt, und nicht jetzt aus etwas Vorhandenem etwas ausblendet. Die Vorstellung, die wir normalerweise haben, ist: Da gehen jetzt einige dieser Fasern zurück und andere kommen durch.Das ist die Vorstellung, die normal damit verbunden wird, dass man da wirklich über die Bedeutung der Künstlichkeit hineinkommt. Ich hätte auch gar keine Bedenken, künstlich geschaffene experimentelle Situationen zu benutzen; um das deutlich zu machen, weil ich ja gar nicht den Glauben an Lichtstrahlen als etwas Natürliches fördern will. Deswegen würde ich einen Stab hier dazu nehmen, dass ich den auf irgend eine Weise von innen beleuchte und dann einzelne Löcher drin habe. Und einzelne Löcher, die in dem Stab sind, zum Beispiel an der Oberkante, die würden mir dann sozusagen exemplarisch herausgegriffen einzelne Stellen des Körpers repräsentieren, von denen Lichtstrahlen ausgehen und ich würde dann deren Verlauf beobachten. Und dann habe ich meinem Gedankenmodell entsprechend auch wirklich ein künstliches Modell aufgebaut und kann dann sehen, dass sich diese Vorstellung wirklich bewährt.

# Aber hier dieser Stab... der strahlt doch rundum. Da gibt es doch keine Abblendung.

* Der Gegenstand, der strahlt rundum, und deswegen ist ja auch das Problem so schwer zu fassen und deswegen ist ja auch die Strahlvorstellung so übel.
- Deswegen würde ich das noch nicht extra...

# Ja, ja, ich stimme zu bis zu dem Punkt, man muss Blenden haben. Er soll keine haben, er soll in allen Richtungen, in allen denkbaren Richtungen strahlen, kontinuierlich, eine ganze Kugelschicht. Und das ist das Gleiche, der Strahl ist der Radius und das andere ist die Kugel, sie sind verheiratet, und das fest, es gibt keine Kugel ohne Radius und auch keinen Radius ohne Kugel. Kugelwellle. Wir brauchen ein Wort für Welle, wenn es nicht periodisch ist. Impuls ist nicht richtig. Wie nennt man das? Eine einzelne Wasserwelle.

* Puls.
- Ein Wellenpaket.

# Nein, eins bloß.

* Ich glaube es heißt Puls.

# Puls, ja, das wär' schön, das werd ich mir merken. - (Wieviel Zeit haben wir noch? - 15 Minuten)

* Das erscheint mir wichtig, das war auch der Sinn meiner Frage, dass man mit diesen Strahlen gleichzeitig etwas denken muss, was senkrecht zur Ausbreitungsrichtung sich kontinuierlich befindet. Sonst wird das Ganze falsch, wenn man zum Beispiel eine solche Frage stellt, wie ich sie eben gestellt habe.

# Und wenn Sie nur eine wählen müssten, den Puls oder die Welle, die Summe der Radien, von wem erwarten Sie mehr Aufschluss?

* Da habe ich Schwierigkeiten. Strahlen mit der gleichzeitigen Vorstellung der Ausdehnung so wie er das am Anfang gesagt hat, kann ich mir das ja nur vorstellen, der muss ja häufig irgendwo ausgehen, der Strahl. Ich habe ja die Kugel, die sich ausdehnt. Dann muss ich mir das wirklich als Kegel, wie er das am Anfang gesagt hat, vorstellen, dass der einzelne Strahl sich verbreitert, ausdehnt, wie ein Luftballon.
- Ja, die kommen aber alle aus einem Punkt.
- Ich habe das jetzt nicht verstanden.
- Ich stell mir das als eine Kugel vor, anfangs ganz klein, kompakt, dann Radius an Radius, Lichtstrahl an Lichtstrahl liegen nebeneinander, als eine kompakte Wand. Dann lass ich das sich ausdehnen, wie ein Igel. Jetzt lass ich das Kompakte sich ausdehnen, wie ein Luftballon; da kommen ja keine Löcher rein. Also muss ich mir den einzelnen Radius so als Kegel vorstellen, der im Mittelpunkt ganz dünn ist und dann immer so gerade sich ausdehnt.
- Das zeigt, dass man mit den Strahlen eigentlich nur die Ausdehnung des Lichtes meint.

# Wegweiser.

* Ja.
- Ja.

# Was es bei dem Licht alles gibt. Das ganze Voluminöse von dem Licht...

* Was heißt das denn jetzt für die Schule? Da bin ich wirklich heiß, da drauf. Weil wir ja in der Schule, das Licht ist ja grundsätzlich das Standardmodell, das man so über Modelle in der Physik so hat, spricht. Wenn man jetzt in der Physik so sagt, dieses Modell bringt uns überhaupt nichts, das Lichtstrahlmodell, außer der Wegbeschreibung, davon benutzt man dann die Analogie, dann ist es sehr mathematisch. Es gibt kein Modell für das Licht, soweit sind wir ja jetzt.
- Ich glaube, es geht nicht darum, ob man das Modell einsetzt oder nicht, ich glaube schon, dass es sich bewährt hat.

# Braucht man Wellen, meinen Sie?

* Nee, ich meine den Lichtstrahl, diese Strahlenvorstellung, dass dieses Modell schon im Grunde sich bewähren kann. Nur muss man eben verhindern, dass dieses Modell eben für die Realität genommen wird. Also im Grunde kann man...
- Das ist eben der Denkschluss, warum führen wir es überhaupt ein, wenn ich nachher verhindern will, dass es falsch verstanden wird?
- Also wenn ich zum Beispiel optische Geräte baue, dann ist es ganz entscheidend, dass ich erst einmal den Weg des Lichtes kenne, den das durch dieses Gerät macht. Und ja, da kommt es gar nicht darauf an, was ist es eigentlich, sondern wie kann ich den Weg des Lichtes beeinflussen, dass es für mich was Geeignetes darstellt.
- Ich die Wegbeschreitung durch das Gerät verfolgen kann.
- Das liegt dann doch am Strahlengang. Aber vom Strahl spricht man doch nur...
- Ja, diese Strecke, ich weiß. Und wie weit man diese Analogie, die Masselosigkeit, und die Punktgeschichten und die Lichtausdehnung die ganzen Modellfragen da an der Stelle mit ausbauen...
- Das könnte ich mir auch vorstellen, dass man da, gerade wenn es in die Geometrie reingeht, etwas Kritisches an der Stelle zu machen, weil dann leicht gemeint wird, das sei tatsächlich physikalisch angemessen, sich Licht in dieser Weise eben vorzustellen, weil dann automatisch Mischungen zusammenkommen. Mathematische Vorstellungen, das ist ja schwer denkbar in Physik, deswegen finde ich es gut, wenn man dieses Strahlenmodell, diese Strahlenvorstellung zurückführt auf bestimmte Dinge, die man vorführen kann und dass man hier zum Beispiel solche Lichtbündel hier hat, die eine Ausdehnung haben, Ursprung haben...
- Ok, dies ist ja kein Punkt, den ich in der Beschreibung streifen müsste. Die Frage ist, die ich hier habe, wenn wir im Physikunterricht, in Unterrichtsvorbereitungen in Rahmenpläne rein schreiben, das Strahlenmodell des Lichtes, na, physikalisches Strahlenmodell des Lichts. So ist die Frage, ist das nicht eigentlich ein Trugschluss, eine Irreführung, wenn man das dann als solches verkaufen, gleichzeitig mit der Rückkoppelung, aber pass auf, dass es sich nicht verlegalisiert, na, im Sinne von dick wird.
- Also ich halte den Begriff geometrische Optik für viel vernünftiger.
- Weil man dann die Analogie zur Mathematik hat?
- Eben, da ist das Geometrische, das da benutzt wird, das wird da auch zum Ausdruck gebracht.

# Kommt nicht sehr viel von dem Missverständnis daher, dass man sagt: "Besteht aus"? Als Teilvorstellung, Licht besteht aus Teilen. Das ist falsch. Hier ist doch das Phänomen wichtig. Ich erinnere nur an Experimente, die man am besten mit Strahlen machen kann. Aber dann kann man darauf aufbauen. Immerzu mit Strahlen kann man nicht.

* Ich glaube auch, das trägt also sehr dazu bei, dass man wieder so eine Künstlichkeit hat in der Physik gegenüber dem Alltag. Im Alltag hat man ja viele Beispiele, wo man eigentlich eher den Eindruck hat, Licht ist etwas gasförmiges. Das geht um die Ecken rum, das ist immer da, das merkt man oft weder in Schulen noch im Praktikum. Es ist eigentlich viel komplizierter als man es mit dieser einfachen Strahlvorstellung darstellt. Und ich glaube, dass man da auch mal ein bisschen anknüpfen sollte. Also diese Alltagserfahrungen, Alltagserlebnisse, sind sehr künstliche Situationen, vielfache Reflexionen und so weiter. Dann kann man eigentlich nicht mehr von dem Strahlenmodell des Lichtes sprechen.

# Aber man kann von Richtung sprechen. Man kann den Strahl als Wegweiser aufstellen. Es ist genau dasselbe wie bei den magnetischen Kraftlinien. Das Feld besteht nicht aus Kraftlinien, besteht auch nicht aus Eisenfeilspänen wie manche glauben.

* Das ist eben das Problem, dass man nur etwas begrifflich benennen kann, was man auch verstehen kann, von dem man ein Bild macht. Wenn man so etwas unbestimmtes hat wie Kraftlinien dann versucht man dann irgendwie zu übertragen auf etwas, was man sich vorstellen kann.

# Ich glaube, dass man jede Einzelfrage, jede kindliche Einzelfrage, die sie bringen, so beantworten muss, beantworten kann, dass das Kind sie versteht. Es handelt sich um einen Abstraktionsprozess, wir verlassen die Phänomene. Nicht ganz, es bleibt etwas übrig, eben ein Gedankending zum größten Teil.

* Der Begriff Strahl, der existiert ja in der Geometrie auch. Das ist eine Halbgerade, die von einem Punkt ausgeht. Wenn man das in der Nachbarschaft zur Mathematik vielleicht sieht, dann ist die Modellbildung da und dann kann man auch in der Physik mit Strahlen arbeiten. Genauso wie in der Mathematik geometrisch zu denken ist, kann man sich in der Physik auf das Phänomen der Lichtausbreitung beschränken. Kann auch Strahl dazu sagen, es muss aber klar sei, dass es sich nur um ein Modell handelt. Ich erinnere mich an den Physikunterricht, dass diese Modellhaftigkeit nie so richtig herausgehoben wurde. Man wollte als Schüler wissen: "Wie ist es wirklich?" und der Lehrer hat sich redlich Mühe gegeben, einem zu sagen, wie es wirklich ist. Aber er hat es eigentlich nicht.
- Es gibt auch viele Lehrer, die sind gutmeinend und denken, sie machen es den Schülern nur schwerer, wenn sie den Modellcharakter dieser Dinge hervorheben, weil sie dann das Gefühl haben, dann können die Schüler das noch nicht mal richtig für bare Münze nehmen. Ich glaube, was viele vergessen, dass es im Grunde dann schwerer wird, wenn man den Modellcharakter solcher Dinge versucht mit der Alltagserfahrung in Verbindung zu bringen. Das wird dann zum eigentlichen Problem und deswegen steht der Unterricht völlig isoliert da in seiner Beziehung zur Alltagserfahrung, weil man den Modellcharakter überhaupt nicht richtig nahegebracht bekommt.
- Das ist ein Einwand, der ist ganz interessant. Das Strahlenmodell, das ist für die Rahmenplaner in den letzten zehn Jahren glaube ich, ein ganz stereotyper Begriff geworden. Man klammert sich daran, beziehungsweise man hat das so internalisiert, dass man glaubt, das sei eine Seite dessen, was man Licht nennt.
- Das ist eine Beschreibung vom Licht, und nicht nur vom Weg des Lichts.
- Ich habe das nicht so ganz verstanden, deswegen frage ich nochmal nach. Soll ich jetzt als Lehrer den Modellcharakter herausstellen, oder soll ich ihn nicht herausstellen? Darum ging es doch eben gerade.
- Ich glaube, es ist gut, wenn man bei bestimmten Dingen den Modellcharakter betont und dem vorbeugt, dass dies jetzt sagen wir mal, für einen naiven Realismus jetzt gehalten wird. Wenn ich ihnen das nicht deutlich mache, dass ich da eigentlich ein Modell habe, dann glaube ich, entsteht ein Konflikt, vielleicht nicht im Unterricht, aber an ganz anderer Stelle, denn zwischen Alltagswelt und Unterricht, dann habe ich zwei Welten sozusagen, die Welt der Physik (manche glauben da sogar noch mehr dran als an die Welt ihres Alltags) und im Grunde wird mir der Konflikt, den ich auflösen könnte, wenn ich wüsste, es handelt sich bei der Modellvorstellung für bestimmte Bereiche und Situationen, der wird mir gar nicht so richtig klar. Der Physikunterricht wirkt hier überhaupt nicht aufklärerisch im positiven Sinne, sondern im Grunde genommen ist das oft so, dass die Leute ihre Alltagswelt im Alltag haben und ihre physikalische Welt daneben.
- Vor allen Dingen, was wir unterrichten, ist ja Physik. Und Physik ist eine ganz bestimmte Art und Weise, die Wirklichkeit zu erklären. Doch, doch, eine ganz bestimmte Art und Weise, und diese Art und Weise, die hat Mängel, die hat aber auch Vorteile. Man kann nicht den Schülern Physik beibringen, wenn man ihnen nicht sagt, was die Physik beispielsweise von der normalen Betrachtung der Umwelt unterscheidet.
- Da hängt glaube ich, der Aspektcharakter dran. Man kann den Aspektcharakter glaube ich, auch in so einem Fall so deutlich machen, wenn man sagt, es handelt sich hier um Modelle und die Erfassung der unmittelbar so vorhandenen Realität.
- Es ist nicht die Wirklichkeit, sondern eine Art an sie heranzugehen.
- Es gibt viele Möglichkeiten der Beschreibung und das ist die physikalische.

# Würden Sie zustimmen, wenn ich zusammenfasse: Physik ist ein Erzeugnis des Menschen?

* Ja, so ist das.
- Aber so geschickt erzeugt, dass sie noch immer mit der Natur zu tun hat.

# Sie kennen das berühmte Zitat von Hertz? Also Heinrich Hertz schon vor 1880 etwa, sagt: "Wir machen uns Bilder von der Wirklichkeit, dergestalt, dass die notwendigen Folgen der Bilder übereinstimmen mit den sachlichen und notwendigen Folgen der Wirklichkeit." Das kramt man jetzt langsam wieder vor, und jetzt kommt es in die Schulen und wird in einem schlechten Sinne populär. Wenn man nicht weiß, was los ist, sagt man, das ist nur ein Modell. Also man soll schon recht früh, nicht erst in der Oberstufe, diesen Modellcharakter aussprechen wie wir es hier tun. Nur dieses Wort vermeiden, sagen wir Abstraktion, da denkt man sich nichts Falsches dabei.

* Das ist ja auch ein Gedankending, ja.

# Ja, man kann ja sagen, besteht nur aus Gedanken. Physik existiert nur im Kopf der Physiker, gar nicht zu fassen.

* Da ihre Produkte eben doch sehr massive Auswirkungen haben.

# Eigenartig, eigenartig. Und sehr gefährlich.
Ja, das nächste Mal wissen wir wieder nicht, was wir heute gesagt haben.

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