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24. November 1986.

Thema: Camera obscura - Das Sehen - Brechung - Lichtgeschwindigkeit - Grenzen des Verstehens

# Martin Wagenschein
* Seminarteilnehmer
- weitere Seminarteilnehmer in der selben Runde
() redaktionelle Kommentare

# Ich habe mir eine Kinderfrage überlegt. Was die wohl sagen würden zur Camera obscura. Können Sie das denken? Wir haben die Frage ja schon beantwortet, nicht? Sie sehen dann in der Camera obscura einen roten Fleck, da oben. Ja, und wenn Sie die Camera beiseite schieben, wo ist dann der rote Fleck? Wo ist er geblieben? Wir behaupten, von der roten Fahne geht ein rotes Licht aus, das müsste man doch sonst sehen, wozu die ganze Veranstaltung, verstehen Sie? Und wenn man sich ganz naiv stellt, dann können Sie auf eine solche Frage kommen. Verstehen Sie, was ich sage? Aus dem roten Fleck vermittels des Lochs zu schließen, dass von der Fahne immer rotes Licht in allen Richtungen ausgeht, das, könnte man doch sagen, ist doch Phantasie. Wo bleibt das denn, wenn ich die Camera wegschiebe?

* Ja, man sieht es doch.

# Ja, wenn es da ist.

* Nee, nee, wenn die Camera weg ist und ich da hingucke, dann sehe ich das ja.

# Verstehen Sie? Können Sie es nochmal in Ihrer Sprache sagen?

* Wie er das neulich gesagt hat. Man kann ja von allen Seiten auf die Flagge gucken und sieht die Fahne ja irgendwo.

# Ach, Sie meinen, woher weiß das...

* Ja, die Fahne weiß ja nicht, aus welcher Richtung ich gucke. Wenn ich aus jeder Richtung zu der Fahne hinschauen kann und rot sehe, dann kann kann doch auch die Camera obscura an beliebiger Stelle stehen... und dann entsteht irgenwo dieser rote Fleck in der Camera obscura.

# Dazu würde ich denken, die naive Frage: wie kann denn die rote Fahne wissen, wohin sie den roten Fleck werfen soll?

* Ja, die weiß es gar nicht. Die weiß gar nichts von der Camera obscura.

# Ja, ja schon, aber meine Frage ist... Haben Sie meine Frage verstanden?

* Ja, man könnte die Camera obscura auch ein Stück weit demontieren, zum Beispiel von der Wand...

# Nein, nein, ich meine, die Frage erst klarstellen... Die Folgerung. Das ist doch die Folgerung, die in allen Lehrbüchern steht, dass von allen Dingen, ja von allen Dingen fortwährend Licht ausgesandt wird, von allen Dingen, die man sieht. Kann man dies aus der Camera obscura so ohne weiteres folgern, weil doch, wenn die Camera nicht da ist, weil doch, wie behauptet wird, steht doch in den Büchern, von allen Gegenständen Licht ausgeht, ohne Camera obscura. Wie kann man das exakt aus der Camera folgern? Ganz einfach, viel zu einfach, wahrscheinlich zu einfach, es zu denken. Aber ich habe manchmal so lichte Momente, wo ich denke wie Kinder; also so kommt einem das. -
Die Antwort ist schon zweimal angedeutet worden, einmal von Frau Pfeiffer und einmal von Ihnen (Voß).

* Ich denke, die Erfahrung der Schüler könnte man heranziehen. Die Erfahrung der Schüler ist ja, dass man Gegenstände von verschiedenen Seiten fotografieren kann.

# Ja, ja. Ohne solche Hilfsmittel!

* Ohne!
- -

# Ich habe mir etwas aufgeschrieben, weil man es immer vergisst: Wo bleibt das rote Licht, wenn an der Stelle von dem Loch nichts ist? Es kommt weder zurück noch da, was an der Stelle war, wo es jetzt einfach, nachdem die Camera weggeschoben ist, wo es jetzt doch einfach hell ist, nicht rot. Ich habe es doch, ich habe es doch so gehabt, durch dieses Loch war es rot; schön. Ich zieh es weg. Wo ist es denn eigentlich? Ich sehe nix; ist doch etwas Merkwürdiges. - Kann man ja feststellen. Sie haben es gesagt. Wenn man feststellen würde, wo der rote Fleck bleibt. Er muss doch irgendwo bleiben, wenn ich den Schirm, auf den projiziert wird, wegnehme. -
Ich glaube, das ist doch eine echte Frage.

* Na ja, man könnte sich mal an der Stelle, an der vorher der rote Fleck auf dem Schirm war, hinstellen und einmal auf die Fahne gucken. Dann sieht man ihn wieder.

# Was meinen sie dazu? Verstehen sie? Ohne Camera.

* Ohne Camera.
- Da sieht man aber die ganze Fahne.
- Na, aber den roten Fleck damit auch.
- Die Fahne ist ja auch als roter Fleck da auf dem Bild zu sehen.

# Ist das dasselbe?

* So ziemlich...
- -
- Man merkt es ja, wenn man übergeht von kleineren Löchern zu immer größeren Löchern, wo alles verschwindet, dass das Bild nicht mehr scharf abgegrenzt ist. Im Prinzip bei so einer großen Öffnung wie bei dem Fenster ist der rote Fleck halt dann überall. Aber wenn noch irgendwo etwas Grünes ist, dann ist auch der grüne Fleck überall, das überlagert sich alles.

# Man sieht ihn doch nicht mehr.

* Nein, man sieht ihn nicht mehr als abgetrennten Fleck.

# Man sieht ihn groß, meinen Sie?

* Nein, man sieht ihn nicht mehr, weil er praktisch überall ist, aber nicht als Fleck, sondern das Licht von diesen...

# Verzeihung, dann müsste man doch ein diffuses, schwaches Rot sehen.

* Man sieht nicht nur dieses diffuse schwache Rot, man sieht auch von den Gegenständen irgendwelche anderen Farben und das zusammen gibt, was weiß ich, diese hellen Farben an der Wand.

# Was meinen Sie?

* Das stimmt nicht, man sieht keinen Fleck, man sieht direkt eine Fahne.
- Nein, ich spreche jetzt von der Camera obscura, das ist unscharf geworden, weil das Bild (wir haben einmal so eine Zeichnung gemacht, wie es dann aussieht)...

# Es handelt sich nicht um Unschärfe, sondern um Farbe.

* Hmm.
- Ja, es ist nicht nur dieses Rot da zu sehen, sondern noch andere Sachen.

# Ach so! - Dazu? - Besetzt?

* Ja, es kommt einfach von anderen Punkten; von anderen Gegenständen kommt anderes Licht an die gleiche Stelle, dann ist es nicht mehr zu sehen, das Rot.
- Wenn das Loch so groß ist wie hier das Fenster, dann siehst du überhaupt keine Gegenstände mehr, ja gar nichts mehr.
- Habe ich ja auch nicht behauptet. Ich sage nur, es kommt überall, an jede Stelle Licht, und dadurch kann man eben nichts mehr erkennen.
- Wenn ich das nicht schon gelernt hätte, würde ich das nie glauben. Ich meine, es ist zu glauben, dass es eine Unschärfe wird, aber es ist doch schlecht zu glauben, dass der rote Fleck mit irgendwelchen andern grünen Flecken, insbesondere, da ich überhaupt nichts davon sehe hier draußen, wo kommt dein grüner Fleck her? Dass der weiß geben soll, das kann ich nicht glauben.
- Es ist ja auch nicht so.
- Wenn da nur im Wesentlichen rot ist, wird das Ganze natürlich auch rötlich sein, das bestreitet er auch nicht. Er nimmt jetzt an, dass die Farben so gleichmäßig in der Umwelt verteilt sind, so wie wir das normalerweise wahrnehmen, und dass sich dann so eine Helligkeit insgesamt ergibt. Das Problem scheint mir darin zu bestehen, dass man ja diesen Fleck nur dann sieht, wenn er aktualisiert ist, das heißt, wenn er auf einem Schirm abgebildet ist oder wenn ich direkt hingucke, während das Licht so an mir vorbeistreicht. Dann sehe ich ja ohnehin nichts, ob das nun rot oder grün ist oder blau, da brauche ich auch keine Mischfarben mir auszudenken, da sieht man gar nichts. Und dann müsste man auch diese Frage beantworten, was ist überhaupt diese Abbildung? Da kann man auch nicht dran vorbei, dass man sich über den Begriff der Abbildung verständigt. Das ist das, was er meint. Wenn das so riesengroß ist, dann ist das keine Abbildung mehr, es ist eben nicht als Bild erkennbar.

# Glauben Sie, dass wenn Sie das Loch durch das ganze Fenster ersetzt haben, dass der rote Fleck noch da ist? Oder glauben Sie das nicht?

* Der ist noch da.
- Der Fleck ist noch da.

# Warum sieht man ihn nicht?

* Weil sehr viele andere Flecken noch zusätzlich an der Stelle sind. Wenn die Flecken von von der Stange, vom Fahnenmast, vom Himmel vom Hausdach und so fort...

# Leuchtet das ein?

* Es ist das Gleiche, was ich vorhin gesagt habe...
- Ich finde es völlig einleuchtend, aber...

# Sie finden es gar kein Problem?

* Ich finde es einleuchtend. Sie sagen, er ist da, der Fleck und Sie fragen: "Warum sieht man ihn dann nicht?" Da muss ich darauf sagen: "Man sieht ihn doch, wenn man hinsieht." Wenn man hinschaut, sieht man ihn doch. An der Wand nicht. Aber man muss ja nur hinsehen, dann sieht man ihn.
- Die Fahne?
- Du meinst, wenn du selber hingehst.
- Ja.
- Ich war das letzte Mal nicht da, um eine Fahne draußen. Und wenn sie fragen: "Warum sieht man das nicht?" dann muss ich sagen, man sieht ihn doch, wenn man hinschaut.

# Doch nur, wenn man ihn direkt ins Auge fasst.

* Das ist nicht das Gleiche, das hatten wir auch schon alles gesagt, das war nicht als Erklärung akzeptiert worden.
- Warum man ihn nicht an der Wand sieht?
- Hmm...

# An der selben Stelle, wo er war. Ist er da noch? Ich möchte zufügen: "Kommt da noch rotes Licht an oder kommt es nicht an?" Im Zusammenhang mit dem, dass man behauptet, von allen Gegenständen geht Licht aus. Diese fahrlässige Behauptung steht doch in allen Büchern. Das glaubt doch kein Mensch.

* Aber das, was wir gesagt haben, kann man doch nachprüfen mit der Lochkamera. Wir haben ja behauptet, dass sich sehr viele Flecken an dieser Stelle befinden, also von rechts und links noch dazu kommen. Wenn ich jetzt mein Fenster wieder verkleinere, so dass alles was rechts und links davon ist, nicht durchs Loch kommt, müsste doch das übrig bleiben, was gerade durchs Loch kommt, dann habe ich meinen roten Fleck wieder.

# Wird verdeckt, also sehe ich dann nicht mehr?

* Verdeckt durch andere Sachen. Dass das Licht durch das Fenster da drüben leuchtet irgendwie oder durch die Wand.

# Also Lichtmeer?

* Ja, ein anderes Licht, kein rotes unter Umständen.

# Ach, Sie meinen: Es ist mit dabei.

* Ja, es ist mit dabei.
- Wir haben ja nichts weggenommen, wir haben ja noch etwas dazugetan.

# Aha!

* Aber ich denke doch: Irgendwann muss es doch ein Problem sein -jedenfalls habe ich das Problem, ich habe die Camera obscura noch nie gesehen- wenn ich jetzt hier ein ganz kleines Loch mache, dann sehe ich auf der Wand genau das, was draußen ist. Jetzt stelle ich mir vor: Wenn ich jetzt das Loch größer mache, dann kann doch das Argument nicht zählen, jetzt ist auf einmal alles verschwommen. Also wenn ich einigermaßen herangehe, dann würde ich sagen: Wenn das Loch klein ist, kommt auch wenig herein. Also jetzt einmal so gedacht...

# Ja, er sagt noch etwas dazu.

* Ja, aber das ist doch vorher auch schon alles da, doch schon alles da.
- Wird aber abgehalten, durch die Kleine des Lochs. Wenn du jetzt die Fläche hast von der Camera obscura irgendwie, was weiß ich, so einen Kasten, der hat eine Fläche und da hat es ein Loch, und das andere passt eben auch nicht herein. - Ja, aber es wird doch genau das abgebildet, was ich hier draußen sehe, oder?
- Das Problem ist das der Abbildung. Da müsste man sich erst einmal Klarheit darüber verschaffen, sonst kommt man da vermutlich nicht weiter. Von einem Bild kann ich nur dann sprechen, wenn jeder Gegenstandspunkt wieder zu einem Bildpunkt vereinigt wird, das heißt, wenn die rechte obere Ecke des Fensters, wenn sämtliche Lichtstrahlen, die davon ausgehen, in einem Bildpunkt vereinigt werden, dann habe ich ein Bild. Wenn das nicht der Fall ist, dann habe ich so etwas für mich Unerkennbares. Die Camera obscura, die schafft das, weil sie im Grunde genommen wenige Strahlen benutzt, oder im Grenzfall nur einen. Und der erzeugt nun gerade einen Punkt. Wenn ich das Fenster benutze, dann gehen von diesem Punkt nach wie vor Strahlen aus, aber in alle Richtungen und verteilen sich da und da drauf. Und wenn ich jetzt ein Gerät nehme, das alle wieder zusammenfasst, auf einen Punkt abbildet, eine Linse zum Beispiel, dann kriege ich wieder ein Bild. Der Unterschied ist nur, dass im ersten Fall ist es dunkel, im zweiten Fall ist es hell, dass ich sehr viele Strahlen benutze. Also nur zum Verständnis.
- Also ist die Fahne praktisch an der Wand, aber nur so dunkel, dass man sie nicht sehen kann.
- Man kann sie sehen, wenn der Raum dunkel ist.
- Ich verstehe sein Problem schon. Wenn man das nur gesehen und nicht schon gelernt hat, würde man denken: Kleines Loch gibt ein Bild. Und wenn ich das Loch größer mache, muss das Bild auch größer werden und heller werden.
- Heller wird es ja auch.
- Und größer...
- Das ist ja genau, was er gesagt hat, und zwar ist es dann nicht mehr ein Bildpunkt, sondern es wird unendlich groß.
- Ei ja, so groß wie das Fenster.
- Ja, ich würde aber trotzdem denken, dass ich noch Farbe sehe, verschwommene Farbflecke.
- Hast du auch manchmal.
- Aber so würdest du doch auch manchmal denken. Noch schwieriger wird es, wenn man total blauen Himmel hat. Wenn mehr als die halbe Fläche draußen blau ist. Dann würde man vermuten, dass das Zimmer innen bläulich ist. Das habe ich aber noch nicht beobachtet.
- Das hat physiologische Gründe. Wir sind geneigt, die Farben auf das uns übliche Maß wieder zu korrigieren. Das heißt, wie sehen solche Farbtemperaturverfälschungen nicht. Man merkt das, wenn man Filme benutzt, die das nicht können. Da braucht man Tageslichtfilme und Kunstlichtfilme, sonst hat man diese Farbverfälschung. Wenn man zum Beispiel bei blauem Himmel Schnee fotografiert, ist der blau normalerweise. Um das zu korrigieren, brauchen wir ein Filter. Wir sehen es nur nicht.
- Das ist mir schon klar, ich wollte nur das Problem ansprechen. Ich habe selber bei einem Bild aus der Provence einen richtig violetten Schatten. Das fällt einem nicht auf, wenn man dort ist. Aber das sind doch die Probleme, die dann auftauchen. Darauf muss man dann auch eingehen.
- Dann würde das heißen, dass die Fahne, die ja verhältnismäßig klein ist, das Zimmer nur ganz schwach ausleuchtet. Ja? Das glaube ich nicht, das kann ich mir nicht vorstellen.
- Sogar an jeder Stelle stärker ausleuchtet als in der Camera obscura, weil dann nämlich wesentlich mehr von dem roten Licht in das Zimmer kommt als ursprünglich durch das kleine Loch gegangen ist.
- Also wenn der ganze Himmel blau ist, dass dann das Zimmer auch bläulich eingefärbt wird, das kann ich mir schon denken, aber wenn da nur so eine kleine Fahne ist?
- Ja, wie entsteht sonst der rote Klecks, wenn man die Camera benutzt? Ist der nur da, wenn ich die Camera benutze? Wenn ich sie nicht benutze, ist er nicht da? Dann sind wir wieder bei der Ausgangsfrage.
- Oder muss ich die Camera obscura an eine ganz bestimmte Stelle hintun, damit das entsteht? Oder kann man das nicht an jeder beliebigen Stelle machen?
- Kann ich mir die Fahne nicht auch als Lampe oder Leuchtreklame vorstellen, die man immer heller dreht, dann schauen, was passiert?

# Ich würde vorschlagen, an Stelle der Fahne einmal eine rote Explosion zu machen. Auf dem Schirm, ohne Camera obscura, würde dann der ganze Schirm rot sein. Also auch da. Daraus kommt doch die Frage, ob der Schirm, ohne Camera obscura, nur an dieser Stelle rot wird oder nicht. Der ist doch überall zu erwarten (der rote Fleck). War das falsch?

* Nein, das stimmt schon. Man kann ja auch die Camera obscura einmal bewegen. Nehmen wir einmal an, ich könne dieses Loch im Fenster beliebig verschieben. Dann könnte man feststellen, dass eben ich diesen roten Fleck auf der Wand hier hinten eben auch in alle Ecken verschieben kann.
- Praktisch ist dann überall Fleck.

# Könnten Sie nochmal erläutern, was Sie meinen mit `Eigenschaft des Auges'?

* Ich weiß nicht, was Sie meinen.
- Er meint Tageslichtfilm und Kunstlichtfilm, dass etwas da ist, wir es aber nicht sehen.
- Also dass das Auge Farbmissverhältnisse vermittels des Gehirns von sich aus, das heißt, dass wir immer einen Ausgleich schaffen, so dass die Farben uns natürlich erscheinen. Das heißt, dass für uns diese weiße Wand eben weiß erscheint und nicht rötlich oder bläulich, obwohl im Wesentlichen blaues Licht in den Raum kommt.

# Meinen Sie eine Überblendung?

* Wie das funktioniert, kann ich nicht sagen.

# Wirkt das, dass man geblendet ist von dem vielen anderen Licht...

* Von dem vielen anderen?

# ...dass dann das bisschen Rot nicht mehr durchkommt?

* Bei der Fahne jetzt...
- Möglicherweise.
- Wenn man das Modell nimmt mit der roten Explosion, wenn man dann doch wieder rot sieht, dann wäre doch zu vermuten, dass das Ganze damit zu tun hat, wie groß der Anteil von dem Rotlicht ist. Wenn ich jetzt nur die kleine Fahne habe, dann ist der Rotanteil so gering, dass, wie Sie gesagt haben, man praktisch von dem anderen Licht geblendet wird und dass das rote Licht der Fahne überdeckt wird. Und wenn ich dann eine Explosion mache, wo der Rotanteil so groß ist, dann überblendet der Rotanteil der Explosion das andere Licht. Und das wiederholt sich.
- Das kann ich auch beobachten, wenn ich draußen eine Leuchtreklame habe und die leuchtet so auf, dann ist das Zimmer eben rot und gelb, so wechselnd, solche grauslige Weihnachtsbaumbeleuchtung, dann ist das Zimmer ja so.
- Man sieht nicht die Schrift abgebildet?
- Nein, ich nehme welche ohne Schrift
- Jetzt könnte man ja auf die anderen Farben überprüfen, indem man nachts in einem Raum sitzt, wo draußen eine Leuchtreklame in roter Farbe ist. Und dann gucken, was man auf der Wand sieht.
- Ob es an manchen Stellen stark ist oder weniger stark?
- Jedenfalls ist es dann nicht mehr so, dass es aufgehoben wird durch andere Farben.
- Die Schrift kann man ja nicht erkennen, das wird ja verteilt. Wenn da jetzt eine dunkle Stelle ist, bei der Leuchtreklame, die dunkle Stelle, der i-Punkt, wird ja auf eine größere Fläche verteilt.
- Das haben wir vorhin schon gesagt.
- Nein, das war das Problem, warum die Farben verschwinden. Es war nicht das Problem, dass etwas verschwimmt. Wenn du nur eine Farbe nimmst, dann sieht man halt, dass die Farbe wirklich nicht verschwindet.
- Ach so.
- Man kann sich ja auch vorstellen, dass das Ganze ein Problem ist des menschlichen Auges. Wenn wir -in der vorletzten Stunde hatten wir doch so ein Wellenmodell entwickelt, dass sich die Lichtwellen, ähnlich wie die Wasserwellen, übereinanderschieben können, überlagern, aber nicht gegenseitig auslöschen- davon ausgehen, müsste jeder Lichtstrahl, der reflektiert wird, auch der rote, wieder zurückkommen. Wenn ich mir jetzt irgendwie ein technisches Gerät erdenke, das so eine große Auflösung hat, dass ich jeden Lichtpunkt wieder sehe, dann müsste ich auch wieder die roten Lichtstrahlen sehen können.
- So ein Film eben.
- Das ist ja wieder etwas anderes.

# Also wenn das Sinn gehabt hat, dann muss ich die Frage stellen: "Sind Sie nun persönlich überzeugt, dass also von allen Körpern ständig Licht ausgeht?"

* Da ich diese Camera obscura noch nicht kannte, also für mich war das tatsächlich ein ganz neues Phänomen, diese Camera obscura.

# Sie haben sie noch nicht gesehen?

* Ich habe noch nie etwas davon gehört. Für mich war das dann, als Sie das Beispiel brachten, sehr einleuchtend, dass von allen Gegenständen Licht ausgeht. Aber mit der Frage heute: "Was ist denn, wenn ich jetzt den Schirm oder die Camera obscura aufmache?" wo ich dann noch weit hinaus darüber nachgedacht habe, also für mich ist es heute wieder etwas unsicher geworden, die Sache.

# Ist ja gut. -
Sie sind nicht ganz überzeugt?

* Nein, wenn ich eine kleine Öffnung habe, und ich kann mich noch entsinnen, vor zwei Stunden habe ich auch einmal versucht, an der Tafel etwas zu zeichnen. Da hatte ich damals schon das Problem gehabt: Wenn ich dieses Loch öffne, warum das dann auf einmal plötzlich verschwinden soll. Warum das dann nicht noch schärfer dargestellt wird, noch besser.

# Auch bei mir ist das so. Ich sehe die roten Flecken da auf dem Papier und mache dann größere Helligkeit darauf. Oder ich mache das Loch groß. Dann kann ich schon sehen, dass diese rote Farbe nach und nach verschwindet, kann sie nicht mehr erkennen. Daraus schließe ich, dass sie noch da ist. Warum soll sie? Sind Sie überzeugt?

* Man hat ja nichts weggenommen. Ganz im Gegenteil, man hat etwas dazugetan.

# Ja, zugedeckt, man ist geblendet von all dem vielen Zeug, von der zusätzlichen Helligkeit.

* Das ist aber verblüffend, dass ein etwas Mehr an Licht ein etwas Weniger an Intensität bringt. Das ist schon verblüffend. Ich lasse die Schüler immer eine Camera obscura basteln. Und die kommen oft an und sagen: "Das Loch muss groß sein" und probieren dann selbst aus, das mit dem großen Loch, dass sie dann kein gutes Bild kriegen, sondern dass sie tatsächlich mit einem kleinen Loch das gute Bild kriegen. Das ist verblüffend.

# Ja, ich wollte gar nicht so lange reden. Ich wollte eigentlich jetzt mal eine Geschwindigkeit machen. Haben wir jetzt die Brechung erklärt? Also, wissen wir, warum es Brechung gibt, auf dem Stand, wo wir sind? Das war doch das Experiment, die Hebung des Bodens, da haben wir allerhand damit gemacht. Wie kommt es denn, dass dieser Boden überhaupt gehoben wird, das so aussieht? Haben wir das schon geklärt?

* Nein.
- Wir haben zwar die Strahlengänge erklärt, aber wir haben nicht erklärt, warum jetzt beim Übergang vom Wasser zur Luft oder umgekehrt das Licht überhaupt gebrochen wird.
- Ja, das noch nicht.

# Mit Strahlen ist nicht viel zu wollen. Sie sagen ja auch nichts, sie geben nur die Richtung an. Deswegen hatten wir in der vorigen Sitzung das Komplement dazu, nämlich die an den Radius anliegende Kreislinie, den Impuls, eingeführt, wo das Licht ankommt. Da ist mehr zu erwarten. Ich möchte das dann sehr kurz machen, aus zeitlichen Gründen. Man kann ja doch nicht immer gründlich sein. Das habe ich in der Schule auch so gemacht, dass ich solche Oasen gemacht habe und dann ganz schnell, sogar doziert, soweit ich das kann.-
Würden Sie mal bitte dieses Bild hier angucken. Kann man das sehen?
Hier ist der Radius und der zugehörige Bogen (2), das (1) ist ein Teppichboden oder auch Gras. Ein Vorschlag, wie ich höre, von Mach. Und das ist ein Rad, ziemlich viel Masse hier und eine Achse, einfach zwei Kreisräder. Das Ding kann laufen, kann rollen. Es repräsentiert hier ein Stückchen dieser Front (Bogen). Nun sagt Mach: Man braucht sich das ja bloß vorzustellen wie das ist, dann hat man ja die Brechung. Ich weiß ja nicht, ob es so schnell geht. Ich hab es auch nie gemacht. Es hat mich doch sehr überzeugt. Also nur zwei Räder durch eine Achse verbunden, mit ziemlich viel Masse fährt von einem glatten Boden, Parkettboden, auf einen Teppichboden. Der Teppichboden ist ziemlich widerstehend, lange Haare. Sie können auch sonst etwas nehmen. Die Stufe ist nicht sonst gekennzeichnet, das Niveau ist dasselbe. Was muss sie machen, wenn sie so angerollt kommt?

* Wird abgebremst.

# Kann man das eigentlich sehen? Kannten Sie es?

* Ja, ich kenne es, das Beispiel.

# Wer kannte es?

(5 Meldungen)
* Das soll eine Draufsicht sein
- Das ist sogar zum Teil in Physikbüchern drin.

# Sehr überzeugend, da es die Huygensschen Elementarwellen sind.

* Ob es in dem Zusammenhang war, weiß ich nicht mehr.

# Auf mich erscheint es gar nicht so überzeugend. Setzen Sie sich mal in das Ding. Das kommt also angelaufen, widerstandslos. Und auf einmal passiert etwas. Was mache ich dann für eine Bewegung? Ein Jammer, dass man es nicht machen kann. Scheint gar nicht so einfach zu sein.

* Doch, mir leuchtet das ein, ich habe das noch nie früher gesehen, aber mir leuchtet ein, dass, sobald das Rad auf den Teppichboden stößt, dass es dann langsamer werden muss, wird gebremst.
- Ist ja logisch.
- Und dann?
- Ja von uns aus das linke Rad kommt zuerst an den Teppichboden und wird stärker gebremst und das rechte läuft noch ein bisschen weiter und dadurch gibt es einen Knick.
- Man kann sich das mit einer Rutschbahn vorstellen.

# Vielleicht sagt nochmal jemand anders dasselbe, vielleicht jemand, der neu ist.

* Also das eine Rad kommt zuerst auf den Teppichboden und das rollt schon ein kleines Stück auf dem Teppichboden, wo das andere noch auf dem glatten Boden rollt. Und da ist das eine schon abgebremst, während das andere noch die ursprüngliche Geschwindigkeit hat. Und in der Zeit muss sich die Achse irgendwie drehen. Ja also das eine schneller als das andere.

# Sie sprechen von den beiden Rädern. Ich frage, was macht das ganze Ding?

* Dreht sich, und wenn beide Räder auf dem Teppichboden sind, dann fährt es wieder in einer anderen Richtung weiter.

# Geht das Ding kaputt?

* Hängt davon ab, wie stabil es ist.

# Ich nehme an, dass es nicht kaputtgeht.

* Es kriegt doch mit Sicherheit einen Schlag beim Übergang.
- Wenn der Teppichboden eine Bordsteinkante ist und die Achsen sind vom Auto.
- Das darf nicht sein; das darf höchstens eine Asphaltstraße sein mit glattem Übergang in Schlamm, dann kann man es verfolgen. Ein Bordstein ist ein neues Hindernis.
- Eine Drehung tritt dann auch ein.
- Im Winter passiert das ja manchmal, wenn auf der einen Seite Glatteis ist und auf der anderen nicht. Wenn man dann bremst...
- Auf der Straße ist es doch etwas anders, weil die nicht mit einer starren Achse verbunden sind, die Autoräder, die haben Differentialgetriebe, damit die unabhängig voneinander drehen können, vorne und hinten auch.
- Aber wenn ich bremse, dann sind ja praktisch beide blockiert und dann auf der einen Seite läuft das Auto weiter und auf der anderen wird es dann abgebremst. So ähnlich stelle ich mir das auch hier vor.

# Es muss doch zusammen bleiben. Trotz seiner zwei Räder muss es doch ein Ding bleiben. Was macht das ganze Ding demnach?

* Dreht sich.
- Dreht sich doch.

# Dreht sich ein Stück, wie dreht es sich?

* Also das ist das Problem beim Lichtmodell? Ein Lichtmodell besteht doch aus vielen einzelnen Strahlen. Muß dann die Achse die Strahlen zusammen nehmen?
- Aus der Bewegungsrichtung mit dem Rad, das zuerst auf den Teppichboden kommt, immer, weil das zuerst langsamer wird.
- Aber ich finde, das ist tatsächlich ein Problem, wenn man das auf Licht überträgt. Dann hat man gemeinhin die Vorstellung, das sind zwei Strahlen, das könnte ja auch ein dickeres Bündel sein, das insgesamt so gebrochen wird. Wenn ich die Vorstellung habe, dann müsste ich ja hierbei voraussetzen, dass zwischen den Lichtstrahlen ähnlich wie die Achse eine Verbindung besteht, und da man aber gerade vorher die Unabhängigkeit der Lichtstrahlen betont hat voneinander, glaube ich, kann dieses Beispiel tatsächlich gewisse Verwirrung herbeiführen. Was entspricht da dem Lichtstrahl?
- Verwirrung gab es bei mir als Schüler nie, und ich habe diese Beispiele in der Schule schon kennengelernt. Und ich weiß keinen aus unserer Klasse, den das verwirrt hat.

# Wie?

* Wir haben das schon in der Schule beigebracht bekommen, und es hat uns nicht verwirrt, in keiner Weise.

# Nicht verwirrt?

* Wir haben das eingesehen, wir hatten keine Verständnisschwierigkeiten.
- Es ist ja auch so, wenn ich meine Physikbuch aufschlage und habe die Camera obscura da, dieses allgemeine Modell mit diesem Pfeil und den Strahlengängen. Das ist absolut einleuchtend. Und wenn ich das da sehe...

# Dann stimmt es ja nicht ganz.

* Das ist aber erst wieder herausgekommen, wenn wir hinterfragt haben.
Aber wenn man jetzt mal unvoreingenommen vorgeht: na ja, das ist ein Lehrbuch, das wird schon stimmen. Man übernimmt das so als absolute Wahrheit.

# Es sind doch mehr Punkte beteiligt als die beiden Endpunkte. Das rollt sich doch gewissermaßen auf oder ab. Aber trotzdem kann man im großen Ganzen sehen, was geschehen muss. Würden Sie es mal zeichnen, obwohl Sie es in der Schule gelernt haben. (Zeichnung entsteht)

# Also ich finde das nämlich sehr einfach.

* Aber ich glaube, dieses Modell, diese Analogie hier zusammenzubringen mit der Lichtstrahlvorstellung, wenn die Schüler mal auf den Punkt kommen, halte ich für sehr schwierig, weil hier diese Vorstellung dabei ist, ich habe diese beiden Räder und durch die Verbindung, die zwischen beiden besteht, wird das Ganze dann gedreht. Und wenn ich mir sozusagen vorstelle, die Räder werden die begrenzenden Lichtstrahlen bündeln, dann habe ich genau da keine Beziehung zwischen diesen begrenzenden Lichtstrahlen, wie ich sie hier zwischen den beiden Rädern durch die Achse habe. Und das, glaube ich, ist ein gewisses Problem.

# Sie müssen das Ganze verfeinern.

* Ich weiß noch nicht, wie. Mir ist es nur als Problem aufgefallen.
- Also wenn ich es richtig verstanden habe, dann hat es da noch etwas mit dem anderen Bildchen da zu tun, mit diesem Radius da. Du hast praktisch den Zusammenhang des Lichtes nicht über das Strahlenbündel, sondern über die Fläche, in der sich das praktisch fortbewegt.
- Also diese Fläche ist praktisch die Achse, wie wenn ein Luftballon auf der einen Seite wo anstößt, dann wird er halt praktisch wo abgebremst. So ähnlich stelle ich mir das vor.

# Zeichnen Sie noch ein paar Zwischenpunkte.

* Da möchte ich einmal einen Vorschlag machen. Und zwar habe ich das im Unterricht erlebt. Es gibt ja diesen bekannten Grenzwinkel der Totalreflexion. Wenn ich hier ein dichtes Medium habe und hier ein dünnes,- dann ist irgendein Winkel, an dem man davon ausgeht, dass das Licht maximal ins dünnere Medium gebrochen wird, neunzig Grad, und das ist der berühmte Grenzwinkel. Das hatte ich im Unterricht gemacht. Jetzt hat ein Schüler gefragt, wie das denn wäre, wenn das Licht von hier ankäme, wir hatten das Experiment so gemacht, aus dem dichteren Medium ins dünnere und der hat gefragt: "Wie sieht es denn aus, wenn der hier so streifend einfällt? Dann dürfte der doch nicht reingebrochen werden ins dichtere Medium, der würde gerade so darübergehen, das ist doch ein ganz kleiner Winkel, der ein bisschen kleiner ist als neunzig Grad, wenn man das zum Lot betrachtet."

# Verstehe ich nicht. Haben Sie es verstanden?

* Ich weiß ja noch gar nicht, was er sagen will.
- Also ich gehe nochmal von unserer bisherigen Vorstellung aus. Ich habe hier eine Grenzfläche und ich leuchte mit einer Lampe unter dem Grenzwinkel vom dichteren Medium her gegen diese Grenzfläche.

# Grenzwinkel? Wir sind doch Ignoranten.

* Ja, gut, aber ich setze voraus, dass...
- Wir wissen es...
- Ich will hier keinen Physikkurs machen. Dann passiert Folgendes: Dass der Strahl in parallele Streifen zur Grenzfläche gebrochen wird. Nun weiß man, man hat gelernt im Physikunterricht, dass der Strahlengang umkehrbar ist. Das, was hier passiert, muss auch in umgekehrter Richtung gehen. Und jetzt hat mich jemand gefragt: "Wie sieht es denn aus, wenn ich den Strahl parallel ganz dicht zur Oberfläche einfallen lasse? Wird der dann ins dichtere Medium reingebrochen? Oder muss das nicht ein ganz kleiner Winkel sein, sodass er nicht parallel einfällt?" Ich will das jetzt einmal zur Diskussion stellen, im Zusammenhang mit dem Prinzip, das wir eben hatten, dass nämlich eine Wirkung rechtwinklig zur...

# ...wenn kein Winkel mehr da ist, der Strahl, der stolpert ja. Der weiß ja gar nicht, wo er eindringen soll.

* Aber der dringt ein, und zwar gleich ganz vorne, sofort hier.

# Sicher hat man es probiert.

* Also ich habe denen erklärt, man muss eben annehmen, dass irgend eine Wirkung senkrecht zu dem Strahl gedacht werden muss, so dass der sich da rein verhakt, und da so reinläuft, das ist im Grunde so ähnlich wie mit den Achsen.

# Das kann man gar nicht vormachen.

* Das kann man schon, es gibt Experimente.

# Das ist dann so klein. Das können Sie gar nicht experimentell herstellen.

* Es gibt ein Experiment, das recht günstig ist dafür, und zwar wenn ich in einem Trog ein imhomogenes Medium herstelle. Ich habe hier Wasser und leite hier mit einem Schlauch konzentrierte Salzwasserlösung ein., dann - entsteht hier ein inhomogenes Medium, wenn ich das vorsichtig mache. Wenn ich jetzt mit einem Laserstrahl hier reinstrahle, dann bekomme ich einen derartigen Lichtweg. Jetzt kann man sich überlegen, wie man sich den erklären kann. Zunächst einmal ist der auffallend symmetrisch. Und man kann als Erklärungsmodell Schichten nehmen mit abnehmender optischer Dichte. Aber die müssen parallel liegen, und zwar sehr genau parallel, sonst würde die symmetrische Form nicht zustandekommen. Irgendwann, nämlich hier oben, habe ich aber genau diesen Fall, dass ich hier für kurze Zeit diesen Strahlverlauf parallel zu einer Grenzfläche habe. Und jetzt müsste der ja eigentlich, wenn da nichts passiert weiter, jetzt müsste der nachher so weiterlaufen (gestrichelte Linie), das macht er aber nicht, der taucht wieder ein. Da kann man sich fragen: "warum?" Und es gibt noch ein anderes Experiment, das will ich mal aufzeichnen. Wenn man so eine dicke Glasplatte, eine Spiegelglasplatte hat und lässt hier eine gebrochene Kante, das darf nicht geschnitten, das muss einfach so gebrochen sein mit dem Glasschneider, circa vier Millimeter dick, und lässt hier unter einem bestimmten Winkel einen Laserstrahl eintreten, dann kann man hier Totalreflexion beobachten. Dann ist hier ein roter Fleck, da ist einer und da ist einer. Und wenn man jetzt hier den Finger drauflegt, dann sieht man, wie hier plötzlich -hier ist es rot, das heißt, mein Finger wird leuchtend- das kann ich überall machen, aber der Strahl ist nicht merklich geschwächt. Also hier kommt für kurze Zeit etwas heraus, was dann wieder ins Glas reingeht und hier auch. Man kann dadurch zeigen, jedenfalls qualitativ, dass es in der Tat eine Wirkung gibt dieses Lichts hier an dieser Stelle, das aus dieser Oberfläche herauskommt und dann wieder eintritt. Senkrecht kann man es erklären zu der Ausbreitungsrichtung. Also es gibt schon einige Hinweise, dass da irgendetwas ist.
- Ist das Totalreflexion?
- Das kann doch keine sein, da sieht man doch gar nichts.
- Das sieht man. Doch die roten Punkte, die sieht man an der Oberfläche.
- In dem Moment, wo du einen roten Punkt siehst, da kommt auch etwas heraus, nämlich roter Lichtstrahl.
- Na ja, etwas Streuung ist da schon vorhanden.
- Aber da unten diese Kurve, wenn man jetzt keine Schichtdicke mehr annimmt, sondern kontinuierlich, dass es nach oben abnimmt, da hat man doch mit unserer Achse, die wir vorhin hatten, da hat man doch die Erklärung dafür. Denn rechts von dem Weg der Widerstand wird ein bisschen größer als links von dem Weg, also von dieser Bahn, auf der die Achse da rollt. - Völlig klar, darauf soll die Sache ja hinausgehen.
- Aber mir ist noch etwas Einfacheres eingefallen, was wir vor allem vor drei, vier Stunden schon einmal hatten. Das haben Sie, Herr Wagenschein, gesagt. Das war das mit den Wasserwellen, die an der Küste immer senkrecht zum Strand einlaufen. Und das finde ich, ist viel näherliegend als den Laserstrahl und alle möglichen Dinge zu bemühen.
- Du meinst die vom Sand abgebremsten Wellen?
- Ja, und die machen genau dasselbe wie diese Achse. Also die zuerst in das seichtere Wasser kommen, werden am stärksten gebremst und die machen genau das, die kippen auch so, die laufen parallel nachher ein. Und das ist ja auch ein Beispiel für so eine Wellenfront.
- Ja, die Schwierigkeit ist ja, vom Licht zur Welle plausibel zu kommen.
- Diese direkte Verbindung, die haben wir ja eigentlich nicht.
- Doch, wir hatten sie schon einmal bei der Lochkamera, bei der Überlagerung.
- Ja, wir haben nur nach einem ähnlichen Phänomen gefragt, wo sich zwei Sachen nicht gegeneinander stören. Aber dass sich damit das Licht in allen Punkten genauso verhält wie die Wasserwelle, haben wir damit ja nicht gesagt.
- Nein, aber es fällt doch auf, dass wir jetzt noch ein Phänomen haben, wo das auch (bei dieser Brechung) so abgeknickt wird, das Licht wie Wasserwellen, damit haben wir schon zwei Phänomene.
- Ja, das macht man in der Wellenwanne. Nachbasteln.

# Sagen Sie: Der Strahl hat doch eine gewisse Dicke?

* Ich habe gesagt: "Er hat eine Wirkung quer zur Ausbreitungsrichtung.

# Ich stelle mir vor, der ist so dick oder so dünn, dass er halb im Wasser läuft.

* So könnte man es auch sagen. Ich habe dann so häkchenartige...

# Er muss ja doch, wenn es eine exakte Ebene ist, halb oben laufen und halb unten. Und der untere Teil, der färbt rot, der ihn kratzt, aber ich sehe keinen Zusammenhang zu unserem Problem.

* Ich schon.

# Ich meine, eher kommen wir weiter, wenn Sie fragen, was noch differenziert werden muss, dass da zwischen den Rädern auch noch etwas passiert. Nicht?

* Ich habe noch eine Frage, wenn man vorher von Lichtwellen gesprochen hat, was dann...

# Nehmen Sie es doch an, als Modell.

(Zeichnung entsteht)
* Das Modell lässt sich in Wirklichkeit eigentlich gar nicht nachbauen, weil das ja im Prinzip eine ständig gebremste Bewegung ist, und wir uns die Auswirkung des Lichtes als ungebremste vorstellen oder es ist ja nicht so, dass das jetzt kontinuierlich abgebremst wird in dem Medium, sondern es hat ja in dem Augenblick, wo es im neuen Medium ist, eine andere Geschwindigkeit, und das passiert ja bei dem Modell nicht.
- Gut, aber das ist noch etwas anders.
- Wenn wir das ganze Pänomen mit diesem Beispiel erklären wollen...
- Du hast ja keine konstante Geschwindigkeit
- Deswegen würde ich das mal außer acht lassen, weil dieser Gegenstand auch auf dem glatten Parkett keine konstante Geschwindigkeit hat.
- Wir bekommen durch die höhere Reibung nur eine andere Begrenzung, das ist nicht das Gleiche, wie eine andere Ausbreitungsgeschwindigkeit.
- Nee, nee!

# Wir haben hier Licht gebündelt, einen Baumstamm. Beam sagen die Engländer für Strahl. Nehmen wir an, dann kommt der Strahl so herunter (Zeichnung wird vervollkommnet) der ist zuerst da, dann ist der da, und während der hier ist, ist der dort. Ich nehme also an, das ist ein Spezialstrahl, die einen Impuls mitbringen. Wenn der da (1) ist, wo ist der (2)? Ist der draußen geblieben, steckengeblieben? Das würde ein unendlich dichtes Medium voraussetzen, Stufe; nicht Teppich, sondern Stufe. Es dringt ein, Teppichcharakter. Sie können hier (1) einen draufsetzen, so, hier auch (2) einen. Der fragt den: "Wo bist du eigentlich?" Bleibt er stehen (1)?

* Nein, er dringt ein.
- Aber er wird langsamer.
- Es wird abgebremst, es wird durch die Drehung abgebremst und dann wird es außen auch langsamer.

# Wie dringt der denn ein?

* Gerade.
- Gerade würde ich auch sagen
- Ein Baumstamm.

# Also Huygens hat den Trick gefunden. Er sagt:Ich weiß es nicht, ob es so ist oder so. Ich nehme an, jeder Impuls, der ankommt, der breitet sich jetzt kreisförmig aus, so. Da ist er irgendwo. Was ich jetzt hier vorführe, das steht in jedem besseren Buch. Nehmen wir hier den mittleren Strahl, der Radius ist halb so groß wie dort. Genügt ja, hier werden die Kreise immer kleiner, hier werden sie immer größer. Und nun sagt Huygens, das sind die Huygensschen Elementarwellen, dass hier eine Front entsteht, wo alle diese Kreise draufstoßen... Wer kannte das?

(Viele Meldungen)
* Das Problem scheint mir aber darin zu bestehen, dass wir dann diese Lichtstrahlen, wenn man da wirklich als Strahlenbündel betrachtet, nicht mehr als unabhängig voneinander denken kann. Die müssen zumindest verbunden sein durch diese gemeinsame Front.
# Ja, Kontinuum ist das natürlich, das hat er ganz schön gemacht.

* Ich meine, das ist klar, für dieses Bild muss er besonderes Licht voraussetzen, damit es den Zusammenhang hat. Dass es für alles Licht dann gilt, das ist halt...

# Bestimmtes Licht?

* Kohärentes Licht braucht man ja, um das so annehmen zu können.

# Sie meinen Licht, das mit konstanter Geschwindigkeit voranläuft?

* Wir nehmen ja trotzdem einen Zusammenhang von dem Licht... Die Front gemeinsamer...

# Wenn sie keinen hätte, würde es auch stimmen.

* Und dann kommen die vielen anderen Versuche, die man macht, wo man wieder andere Annahmen machen muss.

# Viel etwas anderes gibt es nicht.

* Wie ergibt sich denn die Breite des Lichtbündels nach dem Eintreffen in das dichtere Medium? Die Breite, denn da haben wir erst einmal nur Kreise gemalt an der Grenzfläche. Das müsste ja jetzt nach allen Seiten gehen, wenn da so Kreise ausgehen von jedem Punkt.
- Das wird ja reflektiert. - Wenn jetzt an jedem Punkt, wo das Licht eintritt in das neue Medium, solche Kugelwellen entstehen oder Elementarwellen, die breiten sich doch nach allen Richtungen aus, wie das gezeichnet ist. Und warum ist dann hinterher wieder so ein abgegrenzter Strahl?

# Diese Frage habe ich mir als Student immer gestellt, ich habe bloß nicht gewagt, sie laut zu stellen.

* Ich hätte auch eine Erklärung dafür.

# Die treffen gar nicht auf, die sind gar nicht da, als Kugelwellen.

* Aber wenn man sie annimmt...

# Ja, wenn man sie annimmt, kommmt es richtig raus. Sie sind der Schock des Physikers. Und da sie stimmen, sind sie richtig, die Wahrheit sind sie nicht. Übrigens können Sie hier noch etwas sehen. Dass die Brechung 2:1 ist. Hier ist es halb so viel wie da. Also die Lichtgeschwindigkeit hier und hier ist halb so groß.

* Ja muss man nicht vorher schon annehmen, dass das Licht überhaupt...

# Ja, allerdings, und das ist nicht selbstverständlich.

* Das heißt also, wenn man dazu kommt, muss man eigentlich schon sich darüber unterhalten haben, was Licht eigentlich ist.

# Das hat man damals schon, der Huygens hat das schon angenommen. Dass die Lichtgeschwindigkeit von Olaf Römer war -ich habe nämlich nachgeguckt deswegen- 1675. 1675 hat Römer die Lichtgeschwindigkeit bestimmt.

* Ich meine jetzt in der Schule, wenn man das zum Beispiel in der Schule machen würde.

# Ja, was denn?

* In welcher Reihenfolge macht man das jetzt?

# Das steht bei Ihnen, Sie sind nicht gezwungen, die Lichtgeschwindigkeit vorauszusetzen. Sie können es auch sagen. Merkwürdig bei dieser Konstruktion, dass man, ohne die Geschwindigkeit des Lichts zu kennen, beweist, wenn das hier stimmt, dass die Geschwindigkeit in diesem Medium, im Wasser halb so groß ist wie in Luft.

* Ich habe mal etwas von Newton gesehen, der hat eine ganz andere Überlegung gehabt. Der kam dann auf umgekehrte Verhältnisse.

# Ja, ja, man muss halt experimentieren. Mit der normalen Lichtgeschwindigkeit nicht.

* Von Descartes, ja.

# Die Geschwindigkeit in Wasser ist geringer als in Luft, soviel ich weiß, hat man es in Wasserleitungsröhren von Paris gemerkt.

* Man kann das jetzt auch schon im Unterricht machen. Ich habe es gemacht. Auf 1.70 m habe ich es ausgemessen, da kommt exakt der Brechungsindex heraus.

# Haben Sie es gemessen?

* Ja!

# Wie haben Sie das gemacht?

* Es gibt jetzt so ein elektonisches Laufzeitverfahren, das ist eine Sache von zehn Minuten, auch die Lichtgeschwindigkeit, auf sieben Meter hat man sie, sehr schnell.
- Auf sieben Meter genau?
- Nee, auf sieben Meter Entfernung (Gelächter) "genau"- man braucht ja sonst normalerweise sehr lange Wege.

# Das würde ich in der Schule unter keinen Umständen machen.

* Warum?

# Zu künstlich.

* Das kommt drauf an, wie man es erklärt.

# Ja, wie man es reinbringt.

* Jahrhundertelang gearbeitet und dann sagt man, ach heute eine Sache von 10 Minuten.

- Ja, man kann ja auch die anderen Sachen erzählen, die man sich ausgedacht hat. Eindrucksvoll ist es immer, jedenfalls für mich.

# Ich wollte es ja eigentlich kürzer machen, aber das schadet ja nichts. Ich wollte überhaupt (wir haben noch 20 Minuten) noch einen kleinen Schritt in die Biologie machen. Unsere Biologen sollen jetzt auch etwas, da das Auge ja eine Camera obscura ist, angeblich. - Wissen Sie, wie heißt das Tier, das eine Camera obscura im Auge hat? Mir fällt komischerweise Tripolis ein, aber so ähnlich. Nautilus, ja? Was ist ein Nautilus?

* Das ist ein Meerestierchen, ein Vorgänger des Tintenfisches, so etwas ähnliches, hinten so ein schneckenähnliches Gehäuse, und es gehört in die Gruppe der Kopffüßler, hat wie ein Tintenfisch so Arme.

# Und wie groß sind die?

* Es gibt heute lebende, die sind etwas kleiner, man hat Versteinerungen gefunden, da geht das Gehäuse auf ein Meter oder so.

# Ist das wahr dass das ein Auge ohne Linse hat? Ich habe das gelesen.

* Ja, aber ich habe das noch nicht gesehen.

# Es gibt auch so große Kraken, die so mit ihren Fangarmen ihre Opfer umarmen und dann erwürgen. Die haben es, glaube ich, mit Linse.

* Ja, die haben schon eine Linse.

# Ich habe in dem Meerwasseraquarium in Neapel so ein Tier gesehen. Da kann man das Grausen kriegen, der guckt einen genau so aufmerksam an wie unsereiner; zum Weglaufen. -
Das Auge ist also so etwas Ähnliches. Ich würde vorschlagen, dass Sie verfolgen, wie das weiter geht. Es entsteht also ein Bild hinten, genau so wie unsere Camera obscura. Bild entsteht auf dem Hintergrund des Auges ein Bild beim jeweiligen Anblick der Welt. Das ist bekannt. Farbig schon. Und wie geht es dann weiter?

* Um das Bild zu erfassen hat das Auge hinter der Netzhaut eben diese Rezeptoren angebracht, die haben eine chemische Flüssigkeit und durch das Auftreffen des Lichtes entsteht eine fotochemische Reaktion, das Licht hat ja eine gewisse Energie, kann Elektronen auf eine höhere Energiestufe bringen und so weiter, die chemische Substanz, die wird verändert und auf ein höheres Energieniveau gebracht soviel ich das weiß, mit den Elektronen und dann entsteht auch eben eine Spannung.

# Wollen Sie es ergänzen? Oder würden Sie es anders darstellen?

* Ich würde es anders darstellen, ich würde es nicht mit diesen Elektronenzuständen erklären, das finde ich zu abstrakt; sondern chemisch über eine Konfigurationsänderung von dem Molekül und durch diese Konfigurationsänderung wird ein Potential geändert.
- Was ist denn eine Konfigurationsänderung?
- Das ist der Aufbau des Moleküls, der wird durch das Licht verändert und durch diesen Veränderungsprozess, eine Veränderung also, das kann das Gehirn registrieren. Einfach in diesen dynamischen Prozess gehen.- Es ist noch die Frage, wem man das erklären soll.
- Uns.
- Wo sieht man was?

# Also auf die Netzhaut kommt ein Bild

* Das Bild ist auf der Netzhaut.

# Was sieht man denn nun?

* Sagen wir so, das Bild ist auf der Netzhaut abgebildet, aber die Wahrnehmung, die realisiert es erst.

# Wer sieht das jetzt?

* Dieses Bild wird elektochemisch abgetastet.

# Ja, das muss doch nun einer sehen. Das ist doch bloß ein Transport von draußen nach drinnen, man hat es dann näher. Wer sieht es?

* Das Gehirn.
- Der graue Alltag.
- Ich sage "ich".

# Das ist interdisziplinär, und die Physikbücher sagen, man müsste dann den Biologen fragen.

* Du musst ja das, was du auf deiner Netzhaut hast, das musst du ja erst einmal abtasten. Dieser Abtastprozeß, der wird verschlüsselt und kommt verschlüsselt in eine Struktur, die das wieder...
- Und wenn du das geschickt machst, dann kannst du sagen, dass phylogenetisch das Auge aus dem Gehirn entstanden ist, eine Gehirnblase. Da habe ich jetzt nicht mehr das Problem: Was ist das Auge, was ist das Gehirn?
- Gut, kannst auch sagen: das ist der Sensor und zwischendrin liegt die Leitung. Und dann der Zentralcomputer.
- Also die Reihenfolge, die müsste eigentlich so sein, dass der Physiker sagt, man muss die Biologen fragen, die Biologen müssten eigentlich sagen, man müsste die Psychologen fragen und die Psychologen müssten das an die Philosophen weiterverweisen und zum Schluss ist man wieder so schlau wie vorher.

# Das stimmt, die sagen dann, man sollte den Physiker fragen.

* Ich glaube, die Physiker sagen, bis zur Netzhaut ist alles Physik und danach ist es ein Wunder.

# Ich frage doch bloß ganz nüchtern, wie das nun weiter geht. Man erwartet doch nun eine Aufklärung über das Sehen.

* Im Gehirn kommen doch keine Lichtstrahlen mehr an. Das Bild, die Lichtstrahlen, die enden an der Netzhaut. Dann werden eben chemische und Elektro-Potentiale aufgebaut und die gehen dann ins Gehirn und dann sind eben neuronale Verschaltungen da, die die Wahrnehmung realisieren. Ein komplexer Vorgang.
- Ich glaube, dass man das Sehen als Phänomen, das für uns ein Phänomen ist oder andersrum gesagt: das Gehirn st für uns kein Phänomen denke ich mir, auch der ganze Prozess, der da beschrieben wurde, ist für uns kein Phänomen, vielleicht für den Biologen ein Phänomen, für die Mediziner. Aber für mich, wenn ich etwas sehe, ist das noch kein Phänomen.

# Wenn man den Schädel aufschneidet?

* Ja, für den Chirurgen. Aber für mich, wenn ich Rot sehe, das ist eben meine Wahrnehmung Rot, aber nicht irgendwelche Impulse. Das ist für mich kein Phänomen.
- Daran hat man sich doch gewöhnt.

# Was finden Sie denn im Gehirn vor? Eine Art Kinosaal, wo man das Bild vielleicht noch schöner kriegt. Also ich habe das Buch von Popper-Eccles gelesen, Popper ist gerade gestorben, Eccles ist Hirn-Nobelpreisträger, Australien, schon ein alter Mann. Das Buch ist sehr dick und heißt "Das Ich und sein Gehirn". Sie schreiben getrennte Vorträge und hintennach unterhalten sie sich, sie sind sich nicht ganz einig, gar nicht. Das ist höchst interessant, leider nicht sehr anschaulich geschrieben. Eccles weiß zuviel, hat zu viele Fremdworte, immerzu. Immerhin einige Zahlen, ich habe das nicht gelesen, es ist zu dick. Also das Hirn hat jedenfalls verschiedene Teile, die wie verschiedene Körper zusammenhängen und es ist nicht so, dass der ganze Körper abgebildet ist, in Provinzen, dass ein Teil mit dem Kopf zu tun hat, ein anderer mit dem Oberkörper und den Beinen und ein anderer damit. Das klingt ja noch ganz vernünftig. Dazwischen sind also Neuronen, Neuronen für die Nervenzellen, das Ganze ein Ergebnis der Elektronenfotografie. Das ist alles sehr klein. Ein Neuron ist, ungeachtet seiner Kleinheit sehr kompliziert, einzige Zelle, ein Hauptteil, der merkwürdige Antennen ausstrahlt, aussendet. Damit geben sie sich dann die Hand, wenn sie so nebeneinander sitzen und das gibt dann eine Nervenbahn. Es gibt dann noch Teile, die verschiedene Funktionen haben zwischen den Verbindungen, und diese Verbindungen laufen dann über unendlich viele Strähnen, Nervenbahnen, und zwar weiß man das genau, 2OO Millionen allein macht der Transfer und die tun fortwährend feuern, schreibt der Eccles, das heißt, die schicken Impulse aus von 2O Hertz etwa mit denen sie sich verständigen auf komplizierte Weise. Er redet ganz offen von einer neuronischen Maschinerie. Er sagt, das ist eine Maschinerie, aber die ist unendlich verzweigt und nicht zu durchschauen, bis jetzt nicht. Aber man weiß furchtbar viel schon. Wenn man alle diese Wechselströme pro Sekunde mißt, diese Funkerei, die da pro Tag passieren, pro Sekunde, kommt man auf Zehn hoch neun, und zwar ständig, ständiger Betrieb, Hochbetrieb, keine Pause. Tag und Nacht findet ein ganz wildes Wechselspiel statt. Und er sagt gleich auf Seite eins, dass das Bild da keineswegs nur nochmal abgebildet wird, sondern dass das viel, viel komplizierter ist und noch nicht durchschaut. * Ich würde nie, wie Sie jetzt die Frage gestellt haben, wie das abgebildet ist, da würde ich nie das menschliche Auge dazu heranziehen. Da komme ich unweigerlich auf die Tatsache, wo ich dann auf dem Punkt stehe, wo ich sagen muss: "Lieb Kind, das ist zu komplex, da steigen wir nicht durch". Also ich würde peinlich genau aufpassen, dass ich nicht an so einen Punkt komme, wo ich dann wirklich nicht mehr weiter komme. Deswegen würde ich mit diesem Sehvorgang, den würde ich an ganz einfachen Tieren versuchen zu erklären, wo es eben nur um hell-dunkel ginge, also um so etwas und dann erst ins menschliche Auge gehen, irgendwann vielleicht einmal. Vielleicht kommt dann die naheliegende Frage, ja das ist etwas, das ich tagtäglich mache, etwas von meinem eigenen Körper.

* Genau, vor allem, alle Physik, die wir jetzt diskutiert haben, können wir nur deswegen diskutieren, weil wir es ja sehen, mit der Fahne und so. Da besteht ein direkter Zusammenhang. Du kannst ja nicht sagen: nun gehen wir zurück zum Einzeller, der Einzeller interessiert sich auch nicht für die Lochkamera.
- Du hast dann aber das Problem, wenn du an den Punkt kommst, wie eben als wir erzählten, da habe ich gedacht, das ist ja ganz toll, ganz toll und dann ist der Punkt da und jetzt wird es komplex, jetzt kommen wir nicht mehr weiter. Dann bin ich frustriert.

# Kommen wir noch nicht weiter oder kommen wir grundsätzlich nicht weiter?

* Wir kommen noch nicht weiter.

# Wie würde denn eine Lösung etwa aussehen?

* Ja soweit ist die Forschung noch nicht, die Forschung muss noch weiter gehen. Aber dann bin ich an dem Punkt, wo ich mir sage, jetzt bin ich soweit, jetzt möchte ich noch weitermachen.
- Möglicherweise gibt es ja immer irgendwelche Dinge, Phänomene, die die Wissenschaft mit ihren Methoden nicht erklären kann. Warum soll nicht der letztendliche Vorgang, der sich in deinem Bewusstsein abspielt, warum muss der erklärbar sein? Man muss irgendwo halt aufhören, ich kann es nicht weiter erklären. Bis dahin kann ich es erklären, weiter kann ich es nicht. Da kann man sich doch auch damit zufriedengeben.
- Das ist sogar in der Physik selber so, auch da musst du in der Schule aufhören.

# Zweierlei Aufhören.

* Es gibt ein Aufhören obwohl du in der Forschung noch Ergebnisse hast, aber nicht plausibel machen kannst, aber es gibt auch ein prinzipielles Aufhören, und ich würde sogar sagen, dass das hier ein prinzipelles Aufhören ist. Ich weiß nicht, wie du die Wahrnehmung `rot' zusammenbringen sollst mit strömenden Impulsen.
- Ich finde, gerade in so einem Punkt ist es gerade schon in der Schule interessant für die Schüler mitzukriegen, dass die Wissenschaft Grenzen hat, Dass sie eben nicht alles erklären kann.

# Das ist die Frage. Können wir auf diesem Wege überhaupt Aufklärung erwarten? Also stellen Sie sich mal bitte die Farbe Rot vor, ich meine, wie Rot aussieht, ich gucke eine Fläche an, die rot ist. Was im Gehirn passiert, sind Funkereien, unglaubliche Komplikationen. Kann ich aus diesen Funkereien, wenn ich die alle kenne, kann ich aus einer Unzahl von Wechselströmen ablesen, wie Rot aussieht? Hier kann man, glaube ich, Einigkeit erzeugen.

* Das kommt darauf an. Aber das Hirn ist auch irgendwie festgelegt. Es gibt bekannte Beispiele der Farbblindheit und da gibt es Leute, die sehen oder die empfinden Rot nicht als Rot sondern als Lila oder Violett.

# Das ist doch etwas ganz anderes.

* Ja, ich weiß es nicht.
- Du stellst verschiedene Gegenstände hin und sagst: "Gib mir mal den roten Würfel" und der nimmt dann den violetten Würfel.
- Farbblindheit kann man auch noch, sicher...
- Aber das heißt, dass das Gehirn doch irgendwie so einen Vergleich hat... Da ist irgendwo so eine Art Speicher drin, wo ich so Vergleiche anstelle und dann speichert er sich Rot. So ganz objektiv kann ich das doch nicht feststellen, was rot ist...

# Ich glaube, wir verlieren die Zeit. Ich muss doch jetzt fragen, unabhängig davon wie sich zwei Menschen unterhalten, sie können das ganz solitär machen, ein einzelner Mensch, der meinetwegen keine Kommunikation hat, der sitzt da und sieht Rot und vergleicht das, was er in Büchern liest über die elektrischen Vorgänge, können Sie sich denken, überhaupt ausdenken, welche Art aus diesen elektrischen Vorgängen die Empfindung Rot ist, die er bekommt? Das ist doch die Frage. Wie soll das denn aussehen?

* Vor allem, dass das Wort Rot bei mir Empfindungen auslösen kann, obwohl ich die Farbe ja nicht sehe. Das ist ja auch so eine Sache.

# Führt aber auch wieder ab, nein, ich meine ausschreiten.

* Ich denke, es gibt eine physikalistische Weltanschauung, dass man alles versucht, dass man Qualitäten versucht zu reduzieren auf Quantitäten in einem zugrunde liegenden Bereich. Das ist so ungefähr wie wenn ich sage, die Chemie ist nichts weiter als Physik und das ist ja irgendwo auch richtig. Andererseits ist es so, dass in der Chemie ganz neue Arten von Phänomenen auftreten, die auf dieser komplexen Stufe eigen sind, so dass es doch eine gesonderte Disziplin bleibt und auch sinnvoll ist, während man im Grunde sagen kan: "Das hängt alles mit der Elektronenkonfiguration zusammen." Aber dadurch hat man eigentlich von der neuen Qualität nichts gewonnen. Eine andere Ebene der Reduktion ist es dann nochmal, wenn ich versuche, meine Wahrnehmungserscheinung zu reduzieren auf bestimmtes stoffliches Geschehen, was angeblich zugrunde liegt und was hinter mir liegt. Auch da habe ich keine Möglichkeit, aus dieser Ebene das logisch abzuleiten, was dann an Phänomenalität auf höherer Ebene eintritt, also was ich an Farben sehe oder wenn ich das Kabelwirrwar hinter einem Theater sehe, und meine, aus diesem Wirrwar die Beleuchtung, das Bühnenbild und womöglich noch den Gang der Handlung zu rekonstruieren.

# Sind Sie einverstanden?

* Nicht ganz. Das Verrückte ist ja, es geht in einer Richtung, wenn man den meisten Leuten einen roten Laserstrahl vorführt mit soviel Metern Wellenlänge, werden die meisten sagen, aha, das ist rot, weil man sich darauf geeinigt hat. Aber umgekehrt geht es nicht, man kann nicht umgekehrt sagen, was den Eindruck macht und auch bei hell und dunkel. Wenn etwas hell ist, dann finden tatsächlich diese Prozesse statt, ja. Aber was das Dunkel jetzt eigentlich für Wahrnehmungen auslöst, das ist etwas anderes.

# Aber immerhin, dieser ganze unglaubliche Prozess, diese Maschinerie ist notwendig. Ein ungeheurer Aufwand und eine Tätigkeitsfülle, wie man sie sonst nirgends findet. Selbst im Schlaf geht es weiter.

* Ich finde es dabei ein bisschen problematisch, wenn man den Körper als Maschine betrachtet. Der Körper besteht aus vielen einzelnen Zellen und man kann jede Zelle jetzt praktisch als einzelnes Lebewesen betrachten.

# Spielt das eine Rolle, ob das eine Maschine ist oder nicht

* Doch, in der Denkweise des Menschen. Es spielt eine sehr große Rolle, wenn ich jetzt solche Vorgänge betrachte, ob ich jetzt das Gehirn als Computer, als Maschine, betrachte oder als Lebewesen. Das hat natürlich eine philosophische Dimension.

# Ob es nun eine Maschine ist oder nicht, gegenüber steht ihm doch eine ganz andere Welt von Beziehungen zur Welt. Das Gehirn, ist das Außenwelt oder Innenwelt? Man spricht doch von der Innenwelt als der Welt der Gefühle, des Denkens überhaupt, und von der materiellen Welt der Physik und Chemie. Wo ist denn das Gehirn? Wo gehört das hin?

* Es ist die Frage, für wen? Für mich ist es weder Innenwelt noch Außenwelt, weil ich meinen eigenen Schädelinhalt nicht betrachten kann. Wenn ich es aber auf der Röntgenaufnahme oder sonstwo sehe, dann ist es für mich Außenwelt, das mir zugänglich macht. Für den Chirurgen ist mein Gehirn, wenn er es aufmacht, dann ist es Außenwelt. Innenwelt ist es für mich jedenfalls nicht, weil diese Prozesse für mich überhaupt nicht zugänglich sind, kein Phänomen darstellen, von denen da immer geredet wird.

# Natürlich Außenwelt, wiegt soundso viel.

* Vielleicht ist es der Durchgang von außen nach innen.

# Ja, schneiden wir es auf, auch innen, Nervensubstanz.

* Ich denke, das Problem mit der Farbe Rot hat viel zu tun mit dem Bewusstseinsproblem, und wenn ich mir überlege: "woher weiß ich überhaupt, dass ein anderer Mensch Bewusstsein hat?" das ist ja die allgemeine Frage. Die speziellere Frage ist: "woher kann ich wissen, dass ein anderer Mensch überhaupt Bewusstsein hat?" Das weiß ich nur durch seine Äußerung, nur von irgendwelchen mir objektivierbaren Dingen weiß ich das. Aber ich weiß von einer völlig anderen Weise von mir selbst, dass ich Bewusstsein habe. Ich glaube, da liegt der Unterschied, im Grunde der Hund begraben, dass ich von mir selber ein persönliches Gewahrsein habe, wie die Farbe Rot mir innerlich gewahr ist.
# Wir können, glaube ich, ruhig abbrechen. Ich habe keine Lösung zu geben, sondern nur zu zeigen, dass es keine gibt, wo das Ende der Physik ist, wo sie aufhört.

* Du musst doch annehmen, dass es bei anderen ähnlich ist.
- Das ist ein Analogieschluss, dass ich annehme: andere sind so ähnlich strukturiert wie ich selbst, während sie ähnliche Innenerfahrung haben. Und aus diesem Analogieschluss heraus glaube ich, dass sie auch Bewusstsein haben und Dinge wahrnehmen. Aber wenn ein Computer mir ausspuckt, er sieht alle Farbe rot, dann habe ich begründete Zweifel, die dadurch begründet werden, dass ich sage, der ist ja völlig anders gebaut als ich, ich traue das dem nicht zu. Beweisen kann ich das dem so wenig wie ich anderen Leuten beweisen kann, dass sie Bewusstsein haben.
- Der hat einen Sensor für rotes Licht und sagt dann dazu Rot. Das steht dann irgendwo auf dem Papier.
- So sehen die Psychologen den Menschen teilweise auch.
- Das hat ja mit der Frage nichts zu tun, mit der Frage: Wer hat den Menschen programmiert?
- Ich finde, wenn man die Frage schon stellt, dann sollte man durchaus den religiösen Aspekt mit reinbringen. Ich denke, dass der religiöse Aspekt auch einen wesentlichen Beitrag zu der Frage bringen kann.
- Da kann man dir auch vorwerfen, du weichst der Sache aus.
- Da, wo die Physik aufhört, da fängt bei mir, jedenfalls für mich, die Religion an. Da muss ich sagen, ich kann nicht mehr genau begreifen, was Rot ist. Da muss ich mich fragen: "Wer gibt mir, wer programmiert mir das Rot ein?"
- Das Problem ist aber: Das macht jeder auf einer anderen Stufe. Der eine sagt: "Ich möchte noch weiter gehen im Erkenntnisprozess" und forscht und studiert, und der andere sagt: "Nee, für mich hört es hier nach acht oder neun Jahren Grundschule auf."
(Die Diskussion geht dann über Begriffsbildung bezüglich Rot und so weiter.)

* Ich habe den Sensor, das Bild bis zur Netzhaut, aber über die Wahrnehmung weiß ich nichts.
- Die Wahrnehmung geht immer nur über Benennung. Irgend etwas, was ich nicht benennen kann, kann ich nur diffus wahrnehmen.
- Nein, wir kommen weg vom Problem.
- Nein, wir sind mitten drin im Problem!

# Es scheint ein aufregendes Thema zu sein.

* Das ist es auch.

# Es genügt nicht, was man davon in der Schule erfährt, und zwar gerade in der Sekundarstufe I, nichts, gar nichts. Ich bin überzeugt, dass die glauben, das ist ein kleines Kino, das sieht man dann auch so mit der Seele. Man sollte das klarmachen, dass da keine Brücke sein kann. Interessant ist die Stellung von Weizsäcker, Carl Friedrich von Weizsäcker. Er sagt, man könnte den Vergleich wagen, dass beides dasselbe ist, von zwei verschiedenen Seiten betrachtet. Die elektronische Maschinerie und das seelisch Zugeordnete sei in irgendeiner unfassbaren Weise dasselbe. Ich finde ja nicht, das ist eine Erklärung.
Die Zeit ist längst vorbei (13.25).

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