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12. Januar 1987.

Thema: Das exemplarische Prinzip im Biologieunterricht

(# Martin Wagenschein - dieses Mal verhindert)
* Seminarteilnehmer
- weitere Seminarteilnehmer in der selben Runde
() redaktionelle Kommentare

(Prof. Wagenschein ließ das Seminar einmal alleine arbeiten. Herr Krämer hielt seinen Vortrag.)

** (Krämer): Ich sage noch einmal ganz kurz, was wir gemacht haben, für die, die nicht da waren. Der Herr Wagenschein hat uns beiden, also Michael und mir, weil wir Biologen sind, einen Text gegeben, der hieß: Das exemplarische Prinzip im Biologie-Unterricht, und er hat sich 1965 darüber Gedanken gemacht und zwar in einem Text, der heißt: Ursprüngliches Verstehen und exaktes Denken. Jetzt hatten wir unser Referat so aufgebaut, dass Michael den Text zusammengefasst hat, die Hauptpunkte herausgeholt hat. Zum Verständnis: Es ging in dem Text um das Beispiel des Lichtes in der Physik und dass dann eben die Physik dort endet wo die Biologie anfängt. Und Herr Wagenschein hat versucht darzulegen, worin er die Hauptprinzipien des Exemplarischen in der Biologie, worin er das versteht und er hat versucht es darzulegen, darzustellen, dass er als Laie den Vortrag hält und er findet das gar nicht einmal so schlecht sondern sehr positiv. Und Michael hat das ziemlich ausführlich gemacht, hat auch seine eigenen Gedanken mit hereingebracht und hat dann ganz kurz versucht, die Schulsituation, beziehungsweise die Schulsituation hatten wir uns aufnotiert, aber die Schulsituation ist eigentlich nicht zur Sprache gekommen, sondern mehr die Studiensituation im Fach Biologie. Und Michael hat es mehr allgemein gemacht und ich habe mehr als Punkt genommen die Prüfungssituation. Denn ich war zu dem damaligen Zeitpunkt, als ich hier das Seminar begann, gerade mit dem Staatsexamen zugange. Einerseits war es für mich eine Drucksituation, andererseits war es für mich auch eine positive Situation. Ich habe die Prüfung niedergelegt, was die Autorität von mir verlangt hat, andererseits konnte ich durch das Seminar, ich habe eine kritische Distanz zu dem ganzen Aufbau, das heißt, dazu hatte ich noch Kraft gehabt, ab und zu einmal abschalten und nachdenken, was der ganze Krempel überhaupt sollte. Und das ist mir leichter gefallen durch das Seminar. Mein Einleitungspunkt, das geht dann weiter darauf aufbauend als kritische Stellungnahme zu dem Text, den Herr Wagenschein geschrieben hat. Noch einmal aufgegliedert in eine allgemeine Kritik oder eine Stellungnahme zu dem allgemein Pädagogisch-Anthropologischen, dann fachspezifisch, also rein biologie-spezifisch.
Ich denke mir, dass ich den Punkt der Prüfungssituation nur kurz anspreche. Wir haben so oft über Noten gesprochen, dass ich denke, gerade in dem allgemeinen Teil, dass wir da zu einem gemeinsamen Gespräch kommen, denn die Punkte, die sich dann aufs Fachspezifische, aufs Biologische beziehen, die gehen im Allgemeinen auf. Diese fachspezifischen Punkte, die kann ich dann nur ganz kurz anreißen, wir werden das sehen, dass es teilweise darauf aufbaut. Und im dritten Teil, es ist schade, dass der Michael jetzt nicht da ist, hatten wir uns gedacht, ob wir überhaupt noch dazu kommen, und zwar unabhängig voneinander. Wir hatten uns nur ein Thema ausgedacht, und zwar hieß das: "Die Physiologie des Sehens", und da haben wir uns dann überlegen wollen, wie wir beide das exemplarisch aufziehen, wir wollten uns unabhängig davon Gedanken machen.
Ja, ich denke, ich fange mit der Prüfungssituation ganz kurz an, ich habe dazu einen Zeitungsartikel während dieser Prüfungssituation gerade in die Hand bekommen, das war aus der Süddeutschen Zeitung. Da hieß dann die Überschrift: "Statt Stoffhuberei Bildung eines ganzen Menschen verlangt - Die Rektorenkonferenz bekundet Unbehagen über Spezialisierung." Ich fand, diese Überschrift hat so den Punkt getroffen, so kam es mir und denen, die wir da zusammen gelernt haben, immer wieder vor. Auch die Professoren haben uns gesagt: "Hier, wir wollen kein Teilwissen von euch haben, wir wollen die Zusammenhänge von euch haben, wir wollen, dass ihr also systematisch denken könnt", wo hingegen in der Prüfung nur noch das Teilwissen abgefragt worden ist. Das heißt also, es war uns von vorneherein klar, wir mussten uns auch in der Prüfungsvorbereitung nur auf das Teilwissen stürzen.
Jetzt muss ich zur Entschuldigung der anderen Fächer noch sagen, ich muss jetzt also relativieren, das ist mir in erster Linie in der Biologie passiert. In der Geografie und in der Pädagogik ist es so, dass also die Zusammenhänge erfragt worden sind. Nur halt in der Biologie, in der Naturwissenschaft ist das so geworden.
Jetzt habe ich also die Erfahrung während des Seminars gemacht, weiterhin habe ich die Erfahrung in der Ecole zusätzlich noch gemacht, als ich die Prüfung beendet hatte, konnte ich die Einladung annehmen, in die Ecole einmal hereinzuschauen. Ich bin mir natürlich bewusst, dass ich in den drei Tagen nicht einen guten Einblick habe, aber zumindest konnte ich schon einmal sehen, wie es, unabhängig von der Theorie, die wir hier mitbekommen haben, in der Praxis ablaufen kann. Und all diese Erfahrung, die ich jetzt gemacht habe, die habe ich jetzt versucht, in diese kritische Stellungnahme einzuarbeiten. Bei der kritischen Stellungnahme muss ich eins vorwegschicken, dass ich zwei Einschränkungen mache.
Die eine Einschränkung ist die, dass ich mich mit der derzeitigen Schulsituation befasse, auf die ja mehr oder weniger das Exemplarische aufbaut, weil es sagt: Die Schulsituation hat die und die Nachteile, das und das Konzept versucht sie um die Nachteile zu kompensieren, die und die Erfahrung habe ich lange gemacht, deswegen ist das Konzept besser. Ich beschränke mich also darin, dass ich sage: Ich versuche nicht, die derzeitige Schulsituation zu analysieren. Das ist überhaupt nicht möglich in diesem Rahmen. Und zweitens denke ich, ist es aus den vorangegangenen Ausführungen auch schon einigermaßen ersichtlich, dass ich dem einigermaßen auch zustimme, also die Beschreibung der derzeitigen Schul- beziehungsweise Studiensituation, Prüfungen und allem Drum und Dran.
Die zweite Einschränkung ist die, dass ich also einigermaßen voraussetzen kann, was exemplarischer Unterricht eigentlich bedeutet, einigermaßen, damit ich das nicht auch noch ausführe hier in dem Vortrag, weil ich ja auch gesagt bekommen habe, dass ich mich auf zwanzig Minuten beschränken soll. Das könnte man dann in einem schriftlichen Text weiter ausbauen. Ich denke halt jetzt, dass ich jetzt die allgemeine Stellungnahme bringe und dass ihr dann nach den einzelnen Punkten, es sind vier oder fünf, dass ich zu jedem Punkt Zeit lasse zur Diskussion der einzelnen Punkte. Ich denke mir, dass jeder Punkt an sich schon ein Diskussionspunkt ist.
Ich habe als Frage von mir: Herr Wagenschein spricht -schade, dass er jetzt nicht da ist- sehr oft, und gerade in der Zeitschrift (Neue Sammlung) waren in der Würdigung seines neunzigsten Geburtstags mehrere Artikel über ihn und darin ist er auch zitiert worden. Die Zitate habe ich nicht aus seinem Original, sondern aus dieser Zeitschrift, ich konnte mir nicht mehr die Mühe machen, das im Original nachzuschauen. Also ich verweise dann immer auf die Zitate der Zeitschrift. Da steht eben, dass Herr Wagenschein, das sind jetzt Zitate, er hat sie hier auch schon öfter mal gebraucht, in dem Wortlaut: "einer Verstehenslust der Kinder", also er spricht von einer `Verstehenslust' der Kinder, weiterhin spricht er von einer sogenannten `anthropologischen Wahrheit', dass Kinder lernen wollen. Das ist jetzt so eine Frage. Wie kommt Herr Wagenschein überhaupt darauf? So etwas ist ja eine These, so etwas, denn auf dieser These baut er darauf auf, dass die Kinder dann bei dem exemplarischen Beispiel, das sie selbst wählen oder das der Lehrer wählt, dass die da also eine Lust haben, das zu erarbeiten. Jetzt kann ich kritisch fragen: "Ja, wie kommt der überhaupt darauf, das so zu behaupten?" Also ich kann mich oft in meine eigene Schulsituation oder die Situation eines Lehrers hineinsetzen, da ist überhaupt keine Lust da. Die sitzen da so. Man kann ja auch gleich antworten, dass die Kinder schon von Anfang an daran gewöhnt sind, eine Konsumentenhaltung einzunehmen, beziehungsweise sie sind vollgehämmert mit zuviel Stoff. Aber ich möchte ganz gerne wissen, wie er die These begründet. Aus der Erfahrung oder aus Statistiken oder aus statistischen Werten, wie es die Psychologen machen? Ich möchte gleich, und dann möchte ich eure Meinung dazu hören, meine Annahme sagen, mehr oder weniger eine Antwort auf die Frage. Ich denke, der hat ja das letzte Mal es uns gesagt, der hat ein ganz tiefes Vertrauen in den Heranwachsenden. Das wird also die Antwort sein, dass er denkt, dass sein anthropologisches Bild das ist, also der Mensch, oder gerade der heranwachsende Mensch hat das also, und er kommt aufgrund seiner Erfahrung zu dieser Annahme. Das ist also mein erster Punkt. Und da würde mich einmal eure Meinung dazu interessieren, ob ihr das überhaupt als Punkt, als Kritikpunkt anseht oder ob ihr das als etwas Gegebenes annehmt.

* Ich würde sagen: Der Mensch muss es haben, um überhaupt zu überleben.
Der Mensch, wenn er geboren wird, ist auf Lernen angewiesen, sonst kommt er nicht zurecht. Das meine ich auch mit der anthropologischen Wahrheit, die da steht. Es ist eine Erfahrung, dass der Mensch so beschaffen ist, dass er lernt und lernen will. Die europäische Geschichte beweist das ja mannigfach und Wagenschein lässt ja meines Erachtens auch historisch immer nachweisen, was eigentlich die Beweggründe, naja, der Naturwissenschaftler gewesen sind, irgendetwas in Erfahrung zu bringen. Die wollten wissen: Wie ist das eigentlich?
- Der Mensch ist auch neugierig von Natur aus.
- Aber ich finde den Kritikpunkt schon wichtig, denn man trifft sehr oft -habe ich jedenfalls schon- Meinungen bei Lehrern: die Kinder wollen eigentlich nichts lernen. Man muss das denen irgendwie eintrichtern, beibiegen... Deswegen ist das schon ein ganz wesentlicher Punkt, wenn ich das so überlege, damit man das auch begründen kann gegenüber anderen Leuten. Ich würde das auch aus der Erfahrung begründen, von Kindern bevor sie zur Schule gehen, die sind absolut neugierig oder wollen alles mögliche wissen. Ich weiß doch aus meiner eigenen Kindheit, da habe ich mich für Natur und Pflanzen und so... Man kann wirklich sagen: Kinder sind so.
- Das hängt doch sicher auch vom Thema oder vom Wissensgebiet ab. Also ich kann von mir auch behaupten, dass mich Physik einfach interessiert, ohne irgendeine äußere Motivation. Aber ich kann das bei anderen Themen nicht unbedingt von mir behaupten. Es gibt sogar Sachen, von denen jeder von uns sagen muss: "Das interessiert mich überhaupt nicht, obwohl es vielleicht interessant ist, aber ich will es einfach nicht wissen." Man muss das doch irgendwie relativieren. Ein Wissensdurst ist sicher in jedem Menschen bereits vorhanden und auch Neugierde. Aber nicht für alle Themen. Also ich glaube, man muss es schon irgendwie ernst nehmen, wenn es in Lehrerkreisen heißt: "Die wollen ja nichts lernen." Das hängt vom Unterrichtsstil ab, vom Thema und von allen möglichen Faktoren. Aber ich glaube, man sollte das auch einmal tun, diese Meinung zulassen, dass gewisse Schüler etwas einfach gar nicht lernen wollen.
- Die Frage wäre dann wieder: Ist das von Grund auf so, war es schon immer so oder ist irgendwann einmal etwas passiert? Ich meine, ich würde schon davon ausgehen, dass es ursprünglich nicht so ist, dass sich gerade kleine Kinder für alles interessieren, ob das die Waschmaschine ist oder etwas völlig anderes. Dass es da noch nicht so aufgefächert ist: Das interessiert mich und das nicht. Ich weiß noch, in meiner eigenen Klasse, da waren unheimlich viele Leute, die Physik absolut schrecklich fanden, das weiß ich noch ganz genau, und auch bis heute das beibehalten haben. Interessanterweise haben die das aber in der Grundschule, als es noch `Sachkunde' hieß und sie sehr gut motiviert waren, leidenschaftlich gern gemacht. Da würde ich sagen, da hat sich irgendetwas in der Entwicklung, an einem bestimmten Punkt, aus welchen Gründen auch immer, hat es dann aufgehört, das Interesse. Aber ursprünglich war es einmal da, auch für das Fach, von dem sie heute sagen: "Nee, das würde ich nie mehr angucken".
- Ich glaube doch, dass der Aspekt der Motivation, des Inhaltlichen, wichtig ist, oder dass man bei Kindern davon ausgehen kann, dass im Grunde all das, was sie in ihrer Umwelt vorfinden, in ihnen intensive Bedeutung hat, auf ihre Person bezogen, weil sie ja eben noch alles als Vorbild nehmen, ihr ganzes Tun, und weil sie sich in ihrer ganzen Umwelt zurechtfinden müssen. Die ganze Umwelt ist voll von Bedeutung für die, sie haben noch gar kein Kategorien-System, nach dem sie bestimmte Dinge mehr oder weniger abtun und auf die Seite legen können und sagen: "Das brauche ich nicht mehr". Aber in dem Moment, wo man älter wird, ist es so, dass die Relevanz für einen persönlich bei vielen Themen nicht mehr da ist, nicht mehr sichtbar ist, und in dem Maße lässt auch, glaube ich, das Interesse nach. Die Kunst des Unterrichtens ist, glaube ich schon, dass man einerseits Stoffe heraussucht, die sich eignen, diesen Bezug zu einem persönlich, zum Beispiel auch philosophische Gedanken, herzustellen und andererseits, dass man diesen Brückenschlag auch tatsächlich schafft, also dass man geeignete Gegenstände dafür auswählt und dass man den Brückenschlag dann auch schafft von dem Gegenstand auf die Empfindung des Betreffenden, des Schülers. Das ist, glaube ich, im Unterricht gar nicht der Fall. Da bekommt man dann irgendwelche abstrakten Sachen aus irgendeinem Teilgebiet, fängt mit der Zelle vielleicht an und würde gar kein Kriterium haben, daraus zu ersehen, dass es sich eigentlich um Biologie handelt und was das mit dem eigenen Körper zu tun hat. Ich denke, wenn man die Unterrichtsgegenstände so auswählt, dass man keinen Bezug hat oder so darstellt, dass da kein Bezug ist, dann entsteht genau dieses Desinteresse.
- Ich will einmal eine andere These wagen. Ich denke, man kann beobachten, dass jemand sich für eine Sache interessiert die er versteht und die er auch nachvollziehen kann. Und sobald er das nicht mehr kann, wird diese Sache nicht mehr interessant für ihn. Das ist jedenfalls so meine Erfahrung. Wenn ich mich nicht mit der Sache tatsächlich auseinandersetzen kann, so auseinandersetzen kann, dass ich selbst Stellung dazu nehmen kann auf Grund meines eigenen Denkens, wenn ich das nur aufnehmen, nicht nachvollziehen kann, ist das für mich eine Last. Sobald ich aber in eine Konfrontation, gedankliche Konfrontation mit dem Gegenstand treten kann, dann wird es interessant. Das merkt eigentlich jeder, der im Studium durch irgendeine Sache sich durchgequält hat, irgendwann wird es dann plötzlich aufregend, weil man in der Lage ist, nicht nur von der Sache zu sprechen sondern über die Sache. Und ich kann mir vorstellen, dass es in der Schule ähnlich ist. Solange die Schüler mitdenken können, mitreden können, sind sie interessiert, wollen gerne mitmachen. Das ist in der Mathematik zum Beispiel sehr gut zu beobachten, dass Aufgabentypen, die verstanden sind, unwahrscheinlich gerne immer wieder gerechnet werden, obwohl sie keinen Fortschritt, Denkfortschritt mehr beinhalten. Aber die rechnen mit einer Begeisterung, sogar Erwachsene, da ist gar kein Unterschied. Das was man kann, möchte man gerne machen.
- Und damit trifft man auch die dusseligen Computerspiele. Denn da fühlen sie sich wirklich herausgefordert und können mitdenken, obwohl das ja wirklich nur eine dünne Schicht ist, die sie da verstehen. Aber die Schicht, die sie da verstehen... - Ja, die haben Kompetenz, die haben Macht, wenn sie mit dem Computer umgehen.
- Ich meine also, diese Motivation ist eigentlich schon etwas aufgesetztes, Manipulation ist das schon fast. Die Schule, es gab eine Zeit, da wurde nur von Motivation geredet. Und was dabei herausgekommen ist, das waren Zirkusvorstellungen, auch im Physikunterricht. Bei jeder Lehrprobe war der am besten, der sich das Allerneueste hat ausdenken können und die tollsten Effekte da gebracht hat. Gar nicht für die Schüler, sondern für die Leute, die da zugeguckt haben, die beurteilt haben, für die war das gedacht. Was er noch nie gesehen hatte, das fand er toll, so ungefähr. Das ist Motivation gewesen, aber ein Verstehensprozess an einer Sache ist beispielsweise für eine Lehrprobe völlig ungeeignet, weil das ein Prozess ist, der möglicherweise in diesen fünfundvierzig Minuten gar nicht zu Ende zu bringen ist. Das ist eine Crux der Schule, dass so etwas durch Äußerlichkeiten in den Hintergrund gebracht worden ist. Sobald Schüler in der Lage sind, an einer Sache mitzudenken, sind die interessiert, und dann kann es sein, was es will.

** Ich denke mir, wenn du jetzt nicht gerade dazu antworten möchtest, mein zweiter Punkt, den ich da als Punkt mir aufgeschrieben habe, der geht genau in die Richtung, die jetzt die ganze Zeit schon diskutiert worden ist, nämlich um die Auswahl des Themas. Ich finde also gerade da muss dann, also auch im Sinn der Kinder muss da eine Ehrlichkeit herrschen. Wer wählt das Thema aus und... Ja erst einmal darüber. So wie ich ja den Text verstanden habe, sollte das Thema so mehr oder weniger spontan vom Kinde aus geschehen. Und ich finde, ist das so eine Ehrlichkeit, dass die total vom Kinde ausgeht oder ist es so eine Ehrlichkeit: Der Lehrer versucht halt sich doch an seinen Rahmenrichtlinien zu orientieren und versucht halt, die Kinder halt doch irgendwie zu so einem Thema hinzubringen. Also darüber muss Klarheit herrschen, finde ich, und das ist auch ein Kritikpunkt von mir.
Ich denke mir nämlich, auch was ich an der Ecole jetzt mitbekommen habe, das ist in der Tat, ich habe einige Male einen exemplarischen Unterricht mitgekommen, aber er wurde doch mehr oder weniger immer wieder vom Lehrer gesteuert. Das heißt, der Lehrer war, auch wenn er sehr oft im Hintergrund war, er war die Person, von der die Initiative ausging. Jetzt meine Frage: Verlange ich weiterhin so eine Forderung `total vom Kinde aus' oder aber verlange ich mehr vom Lehrer... dass ich das jetzt einsehe, es geht nicht total vom Kinde aus, aber ich verlange vom Lehrer mehr so eine Sensibilität. Also der Lehrer, zu einem pädagogischen Geschick gehört es eben, herauszubekommen, wo liegen jetzt die Interessen, dass ich die Schüler jetzt heranbekomme? Jetzt im gleichen Atemzug muss ich die Frage stellen, wie packe ich das bei zwanzig, dreißig Schülern?

* Nochmal eine Rückfrage: Also ich habe bisher das Exemplarische nie so aufgefasst, dass es total vom Kinde ausgeht.

** Gut, dann muss ich das halt klarstellen.

* Also einfach das: Zum Beispiel frei von Autorität heißt nicht antiautoritär. Oder machtfrei heißt nicht antiautoritär. Und exemplarisch heißt für mich schon, dass ich eine Riesenaufgabe habe, aber dass ich auf das Kind eingehe und dass das Kind seine Gedanken dazu bringen kann. Dass ich den also als gleichberechtigten Partner ansehe und nicht, dass das Kind alles bringt. Das kann es ja eigentlich nicht.

** Ja, ich finde, über so etwas muss eine Klarheit bestehen.

* Ja aber, war das, ich habe den Artikel nie gelesen, war das in dem Artikel? Er sagt, dass alles nur vom Kind ausgeht?

** Das ist jetzt mehr so die allgemeine pädagogische Komponente, die ich da herausgelesen habe.

* Ich habe so den Satz Wagenscheins im Hinterkopf: 'Man muss das Kind da abholen, wo es steht'. Das setzt voraus einerseits, dass man vom Kind ausgeht und andererseits die Führungsrolle schon vergleichen kann, dass man selbst das Kind hinführt. Das spielt auch eine Rolle, aber nur die anleitende Rolle, das Kind wird ja mitgenommen, es muss ja seinen eigenen Weg gehen. In dem Satz steckt viel drin.
- Wobei das Führen wahrscheinlich in keinem sehr starken Sinn zu verstehen ist. Es geht eher darum, dass der Lehrer die Rolle eines Katalysators übernimmt, dass er im Grunde Prozesse, die in den Schülern möglich sind, die von ihrer Struktur und Befähigung ablaufen könnten, aber auf Grund bestimmter Denkgewohnheiten oder anderer Rahmenbedingungen oder so nicht von alleine ablaufen, dass er die zum Beispiel gezielt durch Fragen in Gang setzt und dadurch dann in ihrer eigenen Relation laufen lässt. Dabei ist er schon irgendwo in der Position des unbeteiligt Bleibens, aber gleichzeitig so beteiligt, dass er immer wieder diese Prozesse neu induziert. Das finde ich am Seminar mit das Auffallendste. Herr Wagenschein hat ja eine so große Geduld, dass er wirklich Stille aushalten kann und dadurch aber durch gezielte Fragen oder gezieltes Bohren in dem Zusammenhang dann doch immer wieder neue Möglichkeiten, Denkmöglichkeiten in einem freilegt.

** Ja gut, dann sind wir aber jetzt doch an dem Punkt, wie... Ich gehe jetzt einmal nicht von den Bedingungen der Ecole aus, wo ich 4, 5, 6, 7 Schüler habe, sondern von der normalen Schulrealität von 20 bis 25. Wie bekomme ich als Lehrer das Gespür für das Exemplarische, dass ich damit 20 Schüler heranholen kann? Wie ist das in dem Zusammenhang gedacht von ihm?

* Genau so würde ich sagen. Aber ich glaube, man muss seine Schüler ein bisschen kennen dazu. Ich kannte meine Schüler immer, also habe ich es schon mit 35 geschafft.
- Das kann man nicht von Anfang an, oder? Wenn Sie so eine Klasse oder so etwas Ähnliches übernehmen, dann können Sie die ja nicht kennen. Also machen Sie erst einmal traditionellen Unterricht? Ich hatte den Vorteil, dass ich die Klassen meistens recht schnell kannte, weil ich sie in vielen Fächern untergejubelt bekam. Vielleicht auch, weil sie mir ganz gut lagen vom Alter her.
- Also kann man sagen, dass Sie erst einmal konventionellen Unterricht gemacht haben?
- Das muss ich sowieso auch machen als Junglehrer, in jedem Fall, es kommt doch einer und hört zu und der denkt sonst...
- Ich meine jetzt nicht am Anfang Ihrer Lehrerausbildung. Wenn Sie eine neue Klasse erhalten, dann dauert das dann doch eine gewisse Zeit.
- Ja, das stimmt, so vierzehn Tage, drei Wochen braucht man, um sie einigermaßen zu kennen.
- Und da machen Sie erst mal so...
- Was heißt kennen, jetzt hat man die Namen...
- ...dass ich in der Pause mal im Klassenzimmer bleibe und sage: "Ihr dürft da bleiben". Die erzählen mir dann so einiges. Oder indem ich nachmittags ein Klassenfest mache. Einfach, indem ich sie persönlich kennen lerne und dann weiß ich doch ganz schnell, wer immer die Klappe ganz vorne hat und aus wem etwas kommt und wer ein Stiller ist.
- Nicht nur aus dem Unterricht kennen?
- Nein, ich muss den Schüler auch als Mensch schon ein bisschen kennen.
- Da will ich doch noch mal nachfragen. Also die Lehrer an einer freien Schule, die sind doch persönlich sehr stark engagiert?
- Das sind sie auch an einer öffentlichen Schule. Ich war es jedenfalls, ich war ja hessischer Staatsbeamter auf Lebenszeit. Es kostet in beiden Fällen Zeit. Sie machen zum Beispiel nachmittags ein Klassenfest mit Ihrer Klasse. Erstens müssen Sie mit dem Hausmeister kämpfen, zweitens müssen organisieren, dass der Kartoffelsalat gemacht wird, die Würstchen kommen, dass der Tee gekocht ist und was Sie noch alles machen müssen. Und drittens müssen Sie das alles in Ihrer Freizeit machen. Oder wenn ich mit denen, was ich mit denen manchmal gemacht habe, aus dem Zwang der Verhältnisse heraus, irgend einen Museumsbesuch mache, und ich kann nicht mit 40 Leuten losmarschieren, dann teile ich die Gruppe. Vormittags gehe ich mit der einen, nachmittags mit der anderen. Dann ist das auch wieder meine Freizeit, die ich da rein stecke. Ich bin also genau so gefordert. Oder ist das bei Ihnen (zu Papendieck) anders?
- Genau so, nur etwas anders gelagert. Am Anfang, da ist man also wesentlich engagierter. Wenn man nachher so ein bisschen im Betrieb ist, dann weiß man schon, was das Wesentliche ist, und was man getrost weglassen kann. Dann mildert sich das. Aber zu dem Exemplarischen; mich wundert das. Das Exemplarische, wenn ich das richtig verstanden habe, ist doch das, was die Wissenschaft im weiteren Sinne charakterisiert, das Besondere der Wissenschaft. Das ist das Exemplarische bei Wagenschein. Ich hab es jedenfalls so verstanden. Und wenn man jetzt fragt, ob die Kinder da mit aussuchen sollen, dann ist das im Hintergrund ja schon völlig verfehlt. Denn wie sollen die denn die Wissenschaft beurteilen können, was für diese Wissenschaft zutreffend ist? Die sollen ja einmal erst diese Wissenschaft kennen lernen.

** Ja, da bin ich aber wieder an dem Punkt, wo ich den Kindern etwas aufsetze.

* Ja sicher, dafür sind wir ja auch ausgebildet.

** Ja gut, dann setze ich mich aber der Gefahr aus, dass ich, wenn ich nicht das pädagogische Feeling mitbekomme, dass ich die Interessen des anderen nicht treffe. Dann kann ich wohl meine Unterrichtsmethode als exemplarisch überschreiben, mache aber im Prinzip genau das gleiche wie im herkömmlichen Unterricht. Nämlich, dass ich dem etwas vorsetze und mich wohl in einer besseren Position fühle, aber im Grunde genommen für den Schüler genau so langweilig, genau so aufgesetzt wie der herkömmliche Unterricht auch.

* Also vorhin das Wort Interesse, das war wichtig. Ich glaube, das ist heute noch so, dass viele Lehrer davon ausgehen, dass die Interessen der Schüler an erster Stelle stehen. Und da möchte ich einmal wissen, was das Interesse eines Schülers ist, außer dem, dass er irgend etwas versteht, einen Sachverhalt, den er bisher noch nicht kennen gelernt hat. Wenn ich vom Interesse eines Schülers ausgehen soll - an unserem Abendgymnasium ist das in viel stärkerem Maße Diskussionsthema- dann kann der Schüler nur Interessen artikulieren über Gegenstände, die er bereits kennt. Und der Schüler, das Wesen des Schülers ist doch, dass er etwas Neues kennen lernen soll. Das mit den Interessen also ist eine sehr, sehr vage Sache. Ich persönlich bin also schon der Meinung, dass es die wohlverstandene Verantwortung des Lehrers eigentlich sein soll, das zu erkennen, was für den Schüler später einmal von Interesse sein kann. Das ist dann eine Vorwegnahme dessen, was sie später interessieren wird. Ich kann jetzt nicht von dem Kind verlangen, dass es mir sagt: "Das ist mein Interesse, und darum machen wir das." Das mache ich auch bei meinen Erwachsenen nicht, obwohl das da noch eher möglich wäre, dass ich die fragen könnte: "Also bitte, was wollen wir denn jetzt machen?" Das mache ich ganz bewusst nicht, weil ich meine, dass ich weiß, was für die besser ist, was für die das Richtige ist, in der Situation. Ich maße mir an, das beurteilen zu können.
- Das haben wir doch besprochen, als wir uns überlegten, ob die Lichtmühle ein exemplarisches Thema ist. Wir kamen dazu, dass sie keins ist. Und damit ist uns ganz klar, dass das vom Lehrer ausgehen muss. Natürlich interessiert das Kind sich, wie die Lichtmühle funktioniert. Aber dass es kein Thema ist für einen exemplarischen Einstieg, das weiß nur der Lehrer.
- Vor allem, die kommen dann auch: "Wie funktioniert ein Fernseher? Wie funktioniert das und das?" Und das führt dann ins Uferlose. Also ich habe mir auch schon gedacht, wenn man in der Schule einfach fragt: "Was interessiert euch denn?" was soll man denn dann machen? Dann interessiert sich der eine für dies, der andere für das. Dann kriegt man wahrscheinlich hundert verschiedene Themen angeboten, aber eigentlich eignet sich keins.
- Das kann man ja trotzdem machen, die kann man sich alle aufschreiben lassen, von jedem auf einen Zettel, und dann sagen: "Ich nehme ein Thema, von dem ich annehme, dass es die meisten berührt." Dann ist man manchmal ganz zufrieden und sagt: "Aha, in die Richtung geht es" oder "in die Richtung geht es."

** Ich finde, es kommt dann nämlich noch ein Punkt dazu. Wenn ich das so frei laufen lasse, dann setze ich mich als Lehrer in eine Position... ja, dann muss ich einen wahnsinnig hohen Anspruch an mich stellen. Ich kann doch nicht, egal ob als Physiker oder als allgemein naturwissenschaftlich ausgebildeter Mensch, kann ich doch nicht alle Bereiche abdecken, geht ja gar nicht. Wenn ich also die Kinder springen lasse.

* Außerdem habe ich doch einen Lehrplan zu erfüllen, ich meine, wir wollen uns doch mal gar nichts vormachen
. - Ja, aber es ist die Frage: Müssen die Themen oder muss der Unterricht immer so ablaufen, dass alle Schüler am gleichen Punkt beteiligt sind, muss das so sein? Oder kann es so sein, dass die eine Gruppe das macht und die andere Gruppe beschäftigt sich alleine mit etwas anderem? Also es gibt diese Unterrichtsversuche und die scheinen recht erfolgreich gewesen zu sein. Jedenfalls was ich gehört habe, probiert habe ich das selber nicht. - Wirst du gerne vor die Tür geschickt, wenn die anderen etwas Interessantes machen?
- Das wirst du auch nicht, die können jederzeit dazukommen.
- Das wirst du aber doch geistig. Die machen etwas, was die interessiert, mich interessiert es -noch- nicht, also sitze ich neben dran. Da habe ich schon als Kind das Gefühl, ich werde vor die Tür gejagt.
- Nee, nee, es steht jedem Kind frei mitzumachen oder sich anders zu beschäftigen.
- Dann komme ich aber meinem Bildungsauftrag nicht nach.
- Das wird bei Rogers "Lernen in Freiheit" beschrieben.
- Ich habe den Eindruck, dass mit `exemplarisch' unterschiedlich umfängliche Dinge gemeint sein können, und dass eventuell diese eine Verwendung, das heißt dies Besondere der Wissenschaft an einem Gegenstand herausarbeiten, dass der die engere Bedeutung ist, und die Umfassendere im Grunde auch noch die Aspekte des Genetischen und Sokratischen irgendwie teilweise mit einschließt. Jedenfalls ist es so, dass dieses Abholen der Kinder und auch die Frage, wieweit sie ihren eigenen Weg wählen, mehr eine Frage des Genetischen ist als eine Frage des Exemplarischen.
- Ja, hm.

** Gut. Mein nächster Punkt wäre der, und darüber, denke ich, haben wir eigentlich wenig gesprochen hier im Seminar. Und das konnte ich auch nicht in der Ecole beobachten, weil ich zu kurz da war: Wie bringt es der Lehrer fertig, aus dem Exemplarischen heraus, das Exemplarische, das er womöglich über einen langen Zeitraum mit den Schülern erarbeitet hat, ja dem Schüler zu vermitteln, dass er das, was er jetzt hier kennengelernt hat, die Gesetzmäßigkeit an dem Beispiel, die Gesetzmäßigkeit, die stellvertretend ist für andere Beispiele auch, dass es dem Schüler klar ist: Ja, das was ich hier gelernt habe, am Beispiel dieses Phänomens, das auf andere Phänomene zu übertragen? Also wie kriegt der Schüler unter der Methode des Exemplarischen so etwas mit wie ein abstraktes Denken? Also ich denke, in der normalen Schule, also in dem normalen Unterricht müsste das eigentlich relativ leicht funktionieren, denn der Lehrer bringt als Einstieg irgendein Beispiel, von dem er dann abhebt. Das Beispiel ist ganz kurz, dient nur als Einstieg. Die Schüler möchten da vielleicht näher nachfragen, aber er sagt gleich: "Nein, das ist nur als Beispiel gedacht, wir wollen jetzt die und die Gesetzmäßigkeiten daran erklären", handelt das dann in seinem normalen Stil ab. Wenn der Schüler während seiner Schullaufbahn daran gewöhnt ist, dann möchte ich die These formulieren, dass er es da wenigstens geschafft hat oder geschafft haben sollte, abstrakt zu denken. Wohingegen beim Exemplarischen, wenn nicht der Lehrer das ausdrücklich immer wieder versucht klarzustellen, beim Exemplarischen die große Gefahr besteht, dass er immer nur in seinen Exemplaren verhaftet.

* Ich sehe es fast umgekehrt.
- Ist nicht grundsätzlich jeder Unterricht so, dass er sich auf Beispiele beschränken muss? Du kannst nicht alles machen, sowieso. Jetzt ist nur die Frage, wenn ich davon ausgehe, irgendwie der normale Unterricht scheint davon geprägt zu sein, dass man sagt: "Okay, ich kann nicht alles machen, aber ich möchte soviel wie möglich machen." Exemplarisch wäre für mich, wenn ich sage: "Wir können, da wir sowieso nicht alles machen können, das, was wir machen, gründlich machen." Und da sucht man sich eben geeignete Beispiele aus, an denen -so wie ich Wagenschein verstanden habe- wo eben das Prinzip der ganzen Wissenschaft klar wird. Und da lernt doch dann der Schüler am meisten dabei. Das Ganze kann er ja sowieso nicht schaffen. Während dem Biologiestudium schaffst du ja auch nicht alles. Also man muss sich beschränken, und da ist es halt sinnvoll, das, was man macht, wirklich sinnvoll zu machen.
- Das finde ich, ist auch von der Entstehung her der richtige Weg. Das andere kommt mir so vor wie: "Es gibt das Hebelgesetz, jetzt suchen wir einmal auf, wo wir das Hebelgesetz überall vorfinden." Da packt man dann alle möglichen Geräte aus. So würdest du ja nie darauf kommen. Das ist ja irgendwie ganz umgekehrt.

** Ja, das ist klar. Der umgekehrte Weg, der braucht ja wahnsinnig viel Zeit, ja.

* Gut. Und wenn du das jetzt an einem Beispiel hast, dann kannst du doch immer noch einen Blick in die Runde werfen, wo es vielleicht so etwas noch gibt. Die Möglichkeit bleibt dir, du kannst nicht alle Dinge so intensiv abhandeln, aber...
- Ich dachte, das Exemplarische sei eine wissenschaftstheoretische Forderung, dass man die Methode von Wissenschaft exemplarisch kennen lernt und die Denkweise, die zu wissenschaftlichen Ergebnissen führt, selbst vollzieht. Das ist ja überhaupt kein Gegenstand des herkömmlichen Unterrichts, das ist ja eigentlich ein neues Lernziel. Da stehen nicht die Inhalte, die einzelnen Gesetze im Vordergrund, sondern im Vordergrund steht ja beim Exemplarischen gerade, dass man allgemeine, wissenschaftliche Vorgehensweisen einführt und auch anhand zahlreicher historischer Beispiele und eben anhand dessen, dass man für einen einzelnen Fall einmal diese Denkweise wirklich selbst erprobt und nicht immer nur ein ganz kleines, winziges Stückchen von so einem Denkweg vorgesetzt bekommt.
- Ja, meistens bekommt man die Ergebnisse.
- Die Ergebnisse als letztes Stückchen oder als erstes Stückchen, man kriegt immer so kleine Versatzstücke nur und kann daraus nie den Weg rekonstruieren. Hier geht es darum, dass man einmal den Weg wirklich durchgeht, Schritt für Schritt und dann sieht, was ist sozusagen nötig um diesen Weg vollständig zu gehen und das dann versucht, allgemein als Erkenntnis den Schülern mitzugeben, wissenschaftliche Methodik besteht darin und darin und darin. Da braucht gar nicht das Ergebnis am Schluß zu stehen, sondern das ist eben die Erfahrung.
- Da fällt mir ein, dass mich das früher immer gewundert hat: Wie konnten Leute auf so etwas Kompliziertes kommen? Im Unterricht wird das abgehandelt irgendwie, aber wie kommt man darauf? Worin unterscheiden sich die großen Physiker von mir oder von dem Otto Normalbürger, dass die da darauf kommen? Und wenn man selber einmal auf etwas gekommen ist, dann ist das einem gar nicht mehr so schleierhaft. Dann ist es schon noch etwas Großartiges, dass Newton das da mit der Schwerkraft entdeckt hat, aber man merkt, man ist der Sache etwas näher, weil man selber schon einmal ähnliche Dinge durchdacht hat. - Das ist dann irgendwie die Mentalität, die Einsteins Gehirn in Spiritus aufbewahrt, die man da also eingetrichtert bekommt, das ist eine ganz andere Art von Ehrfurcht gegenüber den genialen Leuten, weil das dann wirklich eine völlig unüberbrückbare Lücke zu sein scheint zu diesen Genies. Da wird der Geniemythos regelrecht genährt. Während sich Wagenschein auch ganz stark an diesen großen Vorbildern orientiert, aber im Grunde sie deshalb einem nahebringt, weil er zeigt, mit welch elementaren Problemen sie erst einmal gekämpft haben und wie sie sich darin bewährt haben und dass man sich da im Grunde am Anfang des Unterrichts durchaus in gewisser Weise jetzt nicht mit ihnen messen, aber doch ihnen an die Seite stellen kann und auch diese Denkversuche unternehmen kann. Sonst wird es immer so dargestellt, als ziehen die aus dem Zauberkasten das Resultat und deswegen müssen wir uns vor ihnen verbeugen.
- Ich wollte noch etwas zu dem Begriff Abstraktion sagen. Abstrahere heißt ja herausziehen. Und das, was der normale Unterricht macht, ist nun gerade nicht das, dass er aus der Fülle dessen, was man beobachtet, das Entscheidende herausnimmt. Wobei man vorher erkannt haben muss, was das Entscheidende ist, sonst kann man nichts herausnehmen, was man für bedeutend hält, sondern das sind mehr Extrakte, die man bekommt. Also das was andere schon für bedeutend erkannt haben, diesen Extrakt bekommt man vorgesetzt. Und warum das gerade herausgezogen ist, wo dieser Abstraktionsprozess liegt, wo er drauf begründet wird, das bleibt völlig im Dunkeln.
- Das ist dann im Unterricht so, dass alle mitschreiben, jetzt kommt ein Merksatz mit rotem Rand und so.
- Es ist nicht nur der rote Rand, es ist auch der Begriff, der dann schon gebracht wird. Es ist ja bekannt, dass diese ganzen Konstanten in der Physik, das sind ja meistens neue Größen, die werden da so elegant eingeführt: "Das nennen wir so und so, das ist eine neue Konstante, das heißt dann Widerstand, das Ding". Warum man das so bezeichnet, welchen Sinn das hat, welche Anschauung dahinter steckt, das bleibt meistens verborgen, obwohl das beim Widerstand funktionieren würde. Dass der Schüler selbst einmal sieht: Ich habe jetzt diese Menge von Sachverhalten, welchen wähle ich eigentlich aus, um das Betreffende zu beschreiben...
- Mir fällt noch ein, wenn man sich die Geschichte der großen Physiker anschaut, dass sich diese wirklich genialen von dem normalen Physiker ziemlich unterscheiden. Sie haben nicht so normal Unterricht genossen und meistens haben die einen ganz eigenartigen Weg genommen.
- Der Einstein nicht, der war normal in der Schule.
- Und da wird immer erzählt, er sei ein schlechter Schüler gewesen. Aber nicht jeder schlechte Schüler wird ein Einstein.
- Dann gäbe es vielleicht mehr Einsteins.
- Ich würde einfach nur sagen, die sind, wenn wir das wirklich mal sehen, dann sehen wir die Anfänge von dem, was die geschrieben haben, was sie gemacht haben. Wir sehen, dass die sich ganz verständlich ausgedrückt haben. Und die Bücher, die wir normalerweise bekommen, das sind dann irgendwelche fertigen Dinge. Es gibt doch den dummen Witz von dem Physiker, der eingeladen war und die Dame des Hauses strickte. Er hat die ganze Nacht gegrübelt und ihr am nächsten Morgen gesagt: "Man kann noch auf eine andere Weise stricken". Und dann hat sie gesagt: "Das weiß ich, das ist die Art, dass man links stricken kann". Aha, das hat ihn aber beschäftigt und er hat es herausgekriegt. Das ist es einfach, dass einen etwas interessiert, dass man den Weg geht und es herauskriegt. Das sind oft ganz banale Sachen. Nur was für mich das Enorme ist, dass die das in Zusammenhang bringen mit etwas anderem (und das damit erklären). Das geht uns doch auch so, das haben wir schon oft gesehen, und auf einmal...
- Ich habe da auch konkret an ein anderes Buch gedacht, was ich gelesen habe: Thomas Kuhn - "Revolution der Wissenschaft" oder so ähnlich. Der beschreibt eben gerade diesen Vorgang. Der normale Wissenschaftsbetrieb duldet diese Himmelsstürmer gar nicht, im Prinzip sitzen die fertigen Physiker da, und die, die neu hereinkommen, die müssen alles akzeptieren was ist. Und wenn sie etwas Neues bringen, dann werden sie abgelehnt. Da muss einer schon unkonventionell sein, um eine Veränderung in Gang zu bringen, Neues durchzusetzen. Das ganz verkürzt gesagt.
- Es ist aber in der Regel nicht so, dass jemand plötzlich die Welt verändert durch einen Gedanken, den nur er gehabt hat und sonst niemand. Wenn man die Geschichte der entscheidenden Erkenntnisdurchbrüche überblickt, dann sind das meistens Erklärungen für Sachverhalte, die schon im Gespräch waren. Das ist nichts grundsätzlich Neues, sondern es gab nur verschiedene, sagen wir einmal traditionelle Erklärungsmuster, die auf bestimmte Grenzen gestoßen sind. Und irgend jemand hat vielleicht das vollendet, was andere auch schon andeutungsweise gedacht haben. Die haben sich vielleicht gar nicht getraut, das zu Ende zu denken. Dann passiert das. Das gilt auch für Einstein. Der Mach hat ja in ähnliche Richtung gedacht, er hat nur... ja, diese Konsequenz gescheut vielleicht, ich weiß es nicht.

** Ich denke, das ist auch ein Problem für einen Schüler, der den Namen `Einstein' sieht. Oder, ich kenne es von der Biologie her, der Darwin, der steht dann da als das Genie. Und genau so ist es bei Darwin auch. Der hat etwas zu Ende gedacht, er hat dann noch seine Forschungsreise mit diesem Schiff gemacht, über zwei Jahre. Er ist also speziellen Bedingungen ausgesetzt gewesen. Aber viele Sachen sind schon soviel früher diskutiert worden und er hat es halt bis zu einem gewissen Punkt in einen Zusammenhang gebracht. Und der Schüler denkt dann irgendwo: "Wenn ich Wissenschaftler werden möchte, brauche ich auch diese zündenden Momente in meinem Leben." Die braucht man sicherlich. Die bauen aber auf soviel Grundwissen auf, das andere Leute geliefert haben.

* Ich denke, das Besondere an den Wissenschaftlern, die bahnbrechende Entwicklungen selbst initiiert haben oder daran beteiligt waren, ist dies, dass sie einerseits sehr traditionell gedacht haben. das heißt, die Tradition wirklich aufgearbeitet haben, auf dem Stand der Disziplin waren. Gleichzeitig waren sie kreativ genug, Denkelemente aus anderen Bereichen zusammenzufügen mit dem Traditionellen und daraus dann innerhalb des traditionellen Rahmens etwas Neues zu entwickeln, das dann darüber hinausging. Ich glaube, das ist etwas, was man im Unterricht fördern kann. Dann stellt man die einzelnen Disziplinen nicht völlig isoliert voneinander hin. Den Schülern macht man dadurch klar, dass die Übertragung gedanklicher Konzepte von einem Gebiet auf das andere eine ganz große Quelle der Befruchtung ist. Ich denke, das könnte auch ein Thema für die exemplarisch vorgehende Unterrichtsweise sein. Dann zeigt man einmal auf, inwieweit die Übertragung von bestimmten Denkkonzepten aus einem Gebiet, das ganz abseits lag, auf ein anderes Gebiet unheimlich fruchtbar gewesen ist. Das gibt es häufiger, dass Methoden übertragen worden sind.
- In meiner Schule die Physiklehrer haben gemeint, ihr Fach wäre das schönste und größte, die Biologen waren von ihrem Fach überzeugt. Physik ist halt alles und Chemie... na ja.
- Man braucht ja nur in die Wissenschaftsgeschichte zu gucken, im Grunde wie -Pilze- immer an der Grenze zwischen zwei etablierten Wissenschaften eine neue Disziplin aus dem Boden geschossen ist...
- Biochemie.
- ...die mit ganz radikalen Veränderungen das wissenschaftliche Weltbild verändert hat, die Biophysik, die Physik, Chemie und so weiter. Das, glaube ich, ist auch wichtig, diese Vernetzung zu vermitteln.

** Zu der Vernetzung. Ich möchte jetzt einmal ganz gerne zu dem fachspezifischen Aspekt kommen. Ich finde, das ist ein Problem, das wenig angesprochen worden ist. Herr Wagenschein sagt, er würde diesen Biologieunterricht, wie er ihn versteht, in der Prima einführen. Jetzt muss ich also erst einmal nachfragen, 'Prima' ist Oberstufe, oder?

* Zwölfte Klasse.

** Meine Frage: Wieso erst so spät? Wenn ich jetzt argumentiere: "Viel früher", dann muss ich gleich die nächste Frage stellen. Wie bringe ich das unter einen Hut, dass in der Biologie ich verschiedene physikalisch-chemische Gesetzmäßigkeiten, die ich als Grundlagen brauche, wie komme ich damit zu Rande? Das ist ja auch die Frage gewesen, kann ich das dann überhaupt noch leisten, als pädagogischer Wissenschaftler sowohl als Fachwissenschaftler in Physik oder Biologie mich von daher zu sehr zu beschränken? Ein Physiker ist vielleicht nicht so sehr in dieser Situation, aber ich als Biologe bin einfach gezwungen, auf chemisch-physikalischen Gesetzmäßigkeiten aufzubauen. Wenn diese Trennung bleibt, muss ich auf dem meiner Fachkollegen aufbauen oder mir das als Fachwissenschaftler in mühevollem Prozess selbst aneignen.

* Sagen Sie einmal, meint der wirklich, man sollte erst in der zwölften Klasse mit dem Unterricht anfangen? Dann würden ja alle, die nicht in die Oberstufe gehen, niemals in den Genuss kommen.

** Da schreibt er von der Prima.

* Meint er da eine bestimmte Form von Biologie-Unterricht vielleicht, also das Zergliedernde, von der Zelle anfangend vielleicht?
- Das glaube ich, dass es da mehr um Ethik und Zellkunde, den Aufbau des Ganzen geht. Ohne die chemischen Grundkenntnisse kann man das ja vorher nicht verstehen. Es spricht sicherlich nichts dagegen, in der Mittel- oder Unterstufe den normalen Naturkundeunterricht, Tier- oder Pflanzenkunde zu machen. Wie sieht denn so etwas aus, wenn man rausgehen kann und weiß, das ist ein Apfelbaum, nicht nur wenn Äpfel dran hängen.
- Das Beispiel mit dem Weiher, das er das letzte Mal brachte...

** Es kann natürlich sein, dass er das andere unter dem sogenannten Sachunterricht versteht, dass da solche Aspekte reinkommen. Aber er schreibt hier in diesem Aufsatz -ich finde es leider nicht- er schreibt von der Prima. Er stellt sich vor, dass das in der Prima geschehe.

* Aber wie sieht er das denn?
- Mich würde also schon das Beispiel interessieren, einfach weil ich manchmal Biologie machen muss oder machen darf.

** Er hat kein direktes Beispiel gemacht...

* Nein, das was Sie gemacht haben, Ihr Beispiel

** Ach, unser Beispiel.

* Ja, das würde mich brennend interessieren.

** Ja, diese Sachen eben, das als einer der letzten Kritikpunkte. - Ja, und dann war mein Beispiel zu dem, als letzten Teil, zu der Physiologie des Sehens. Ich habe mich da so ein bisschen daran orientiert, dass Herr Wagenschein uns am Anfang nur das Phänomen dargestellt hat, auf dem See mit dem Ruderer oder?

* Mit dem Ruderblatt, ja.

** Das hat er als ein Phänomen dargestellt und hat uns daran arbeiten lassen.

* War da nicht vorher die Camera obscura?
- Nein, erst nachher.

** Ja, und da ist jetzt meine... was der Michael gemacht hat, weiß ich nicht. Ich würde bei der Physiologie des Sehens aus der Sicht eines Biologen auch ganz gerne mit so einem Einstieg anfangen. Und da habe ich mir gedacht, dass ich den Schülern - auch aus den Erfahrungen der Ecole, wo ich da im Unterricht beobachten konnte, dass eben ein Lehrer (Klaus Kohl) auch einen Marmorstein, den er erhitzt hat, den Gang der Dinge hat er genau dargestellt und hat dann eben versucht, die Schüler daran arbeiten zu lassen. Ich habe mir eben als Einstieg gedacht, ein Plakat an die Wand zu hängen, das meiner Meinung nach ganz gut diese Prozesse darstellt. (Plakat vom Hessischen Rundfunk zum Männermagazin un-be-herrscht wird aufgehängt). Dann bitte ich Sie, sich das mal genauer anzuschauen und zu sagen, was da eben geschieht.

* Ich kenne es in schwarz-weiß.
- Ja, das Gesicht und das. (Es ist ein Vexierbild).
- Das Doppelgesicht.

** Und dann als Überschrift: Die Welt im Kopf. Also hinter so einer Überschrift versuchen, das weiter auszubauen. Bis zu dem Punkt ist das rein physikalisch erklärt, wie das im Auge abläuft, auch die chemischen Prozesse. Dann gibt es aber einen Punkt, wo diese Verarbeitungsprozesse weiter aufbauen.

* (Die Teilnehmer erklären sich das Bild)
- Diese Frage ist jetzt als Einstieg gedacht in die Psychologie des Sehens?
- Das ist sehr kompliziert.
- Du könntest es auch in schwarz-weiß bringen, da wirkt es noch besser.
Farbig kommen allerdings mehr Aspekte herein.

** Ich habe es auch noch als kleine Kopie. Ich war ganz erstaunt, als ich das an einer Litfasssäule sah, das ist Reklame für ein neues Rundfunk-Magazin.Da habe ich hingeschrieben und das geschickt bekommen.
Ich dachte mir auch aus meiner Erfahrung der Ecole heraus, das muss man etwas genauer fassen. Der Lehrer dort hat natürlich sein Thema vorbereitet und ist dann schrittweise immer weiter zu einem Punkt gekommen, wo sie dann hinausgegangen sind und haben sich Steine besorgt, spezielle Steine. Die wurden dann im Ofen gebrannt. Das war das Kalkbrennen, was bei hoher Hitze mit dem Stein passiert. Das wurde gebrannt, das Material, das haben die Schüler von vorne bis hinten mitbekommen. Für mich war das auch sehr interessant. Diesen gebrannten Stein sollten die Schüler erst mal anschauen. Es ist nichts Besonderes daran gewesen. Dann wurde Wasser darauf gegeben und dann passierte eben das Besondere. Dann wurde versucht, das, was vorher erarbeitet worden ist, konkreter zu erfassen, darzulegen, den Weg dorthin.

* Es gibt noch mehr solcher Sachen, dass man nicht weiß, was man sehen soll oder sehen will, nicht nur solche Köpfe. Treppenstufen, die einmal in den Raum hineinführen und die einmal herauskommen. Fische, die nach rechts oder links schwimmen. Ganz interessant sind diese Escher-Grafiken.
- Engel und Teufel, die so verschränkt sind, dass man entweder die Engel oder die Teufel sieht.
- Bei Escher verzweifelt man bei manchem, weil man nichts mehr zusammen bekommt. Man merkt, dass das, was man im Kopf gespeichert hat, nicht mehr hinreicht, um ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild zusammen zu bekommen. Interessant sind auch Vertiefungen. Wenn man zum Beispiel Eier oder so etwas fotografiert, mit so einer schrägen Beleuchtung, kann einem das erhaben oder vertieft erscheinen, je nachdem wie man guckt
- Hier habe ich so eine Folge von Bildern. Wenn man die von links nach rechts durchläuft, klappt an einem bestimmten Punkt die Wahrnehmung um. Wenn man von rechts nach links läuft, klappt sie auch um, aber in der Regel an einem anderen Punkt. Ich gebe es einmal herum. (Buch geht herum)

** Das wäre mein Endpunkt eigentlich gewesen.
Was ich im Referat festgestellt habe, - für mich war es das erste Mal die Konfrontation mit dem Exemplarischen- ich habe festgestellt, ich müsste den wissenschaftstheoretischen Aspekt des Exemplarischen für mich persönlich noch einmal wesentlich stärker herausarbeiten. Ich habe von mir aus doch noch etliche Punkte, die ich noch gar nicht so recht verstanden habe. Und deswegen fand ich allein schon in der Darlegung jetzt meiner Gedanken oder auch meiner Kritikpunkte und die Reaktion da aus dem Plenum darauf hat mir gezeigt, dass so gewisse Punkte ich einfach noch wesentlich stärker herausarbeiten muss. Das als Resümee für mich über das Referat.

* Ich gehe jetzt noch einmal darauf (das Plakat). Das heißt: "Die Welt im Kopf". Und wie geht es dann weiter?

** 'Die Welt im Kopf' das versuchen darzustellen, welche Prozesse im Gehirn ablaufen.

* Und das einfach als Einstieg?

** Ja, entweder als Einstieg oder als etwas, das dann in der Bearbeitung dort einzufließen hat an einem Punkt.

* Und wie geht es dann weiter? Ich frage jetzt ganz praktisch und ganz dumm: "Wie komme ich dann voran?"

** Also so sequenziert habe ich das nicht gemacht, habe ich mir nicht ausgedacht.

* Als Phänomen, als Einstieg finde ich das ganz toll.
- Ich frage ganz blöd und ganz dumm. Natürlich habe ich Ideen, aber ich habe dann immer hintennach das Gefühl, wenn das jetzt ein richtiger Biologe sieht, dann denkt der: "Na ja, komm, Laienkram. Was hat der denn da wieder gemacht. Ach, was macht die da, das kann ja jeder." Ich habe jetzt gar keine Idee, wie ich das machen könnte, falls ich wieder in den Genuss einer Biologiegruppe komme.
- Ja gehst du dann nicht von diesem Beispiel aus bei dem Unterricht dann, aber letztendlich willst du eigentlich etwas ganz anderes machen, weil die Biologie erklärt ja gerade das nicht, was da passiert? - Kommt darauf an.
- Das wäre mehr psychologisch.

** Ja, da sehe ich die Biologie nicht als so etwas eng Begrenztes. Da komme ich ja, da bin ich ja bei der Behandlung des Menschen.

* Also das ist dann mehr ein Beispiel für interdisziplinären Unterricht.

Du hast nur das Phänomen des Sehens...

** Nein, ich finde, interdisziplinär ist es nicht unbedingt, denn wenn ich als Biologe in die Anthropologie gehe, dann kann ich das wohl als interdisziplinär überschreiben, aber ich sehe das als einen Teil der Biologie an. Da bin ich im Studium viel zu wenig vorbereitet, da müsste ich im Moment passen. Aber den sehe ich als Teil der Biologie an.

* Ich meine, der Vorteil dieses Beispiels würde nach meiner Meinung darin liegen, dass man eben gerade hier der naiven Auffassung vorbeugt, dass dasjenige, was in der Umwelt sich befindet, jetzt einfach eindeutig abgebildet wird und dann alles andere rein physiologisch erklärt werden kann und damit zu Ende ist. Ich glaube, das Interessante hierbei an diesem Beispiel als Einstieg ist gerade, dass man da zwei Interpretationen für den gleichen optisch-physiologischen Eindruck hat. Und dass man da im Grunde auf die Grenze aufmerksam macht, an die man stößt mit biologischen Erklärungen.

** Dann kann ich als Biologe doch noch weitermachen.

* Ja, ich kann da ausgehen. Aber hier muss ich ja in starkem Maße die Voreinstellung berücksichtigen, das was in mir sowieso schon an Einstellungen zu dem Bild da ist, das ist ganz massiv eine Frage meiner Voreindrücke. Im Grunde besteht die Wahrnehmung im Abgleich der von innen herkommenden Struktur und der von außen einfallenden Struktur. Entsprechend ist das auch bei dem Beispiel hier. In dem Moment, in dem ich das eine in Erinnerung habe, bin ich darauf gepolt und sehe das länger, als wenn ich das andere in Erinnerung habe. ...Ich denke, so kann man ganz gut zeigen, dass eben Wahrnehmung ein Prozess ist, der eben nicht einfach nur rein physiologisch beschreibbar ist als die Umwandlung des Reizes der ins Auge dann eintrifft und dann weitergeleitet wird, sondern dass man letztlich doch wieder über die Frage des Bewusstseins und so nicht, also bis zu diesem Punkt nicht gelangt bei dieser biologischen Behandlung. Insofern würde ich das so verstehen, dass man als erstes ein Beispiel präsentiert, wo man sagt, hier kann man sehen, hier kann man sehen, dass das Ganze mehr ist als ein biologisch-physiologischer Prozess... Das finde ich gut, dass man gleich an der Grenze der Disziplin ansetzt.

** Ich bin, als ein physiologisch ausgerichteter Biologe kann ich da gar nicht weitermachen.

* Ja, das ist für mich das Gleiche, ob ich das eine oder das andere sehe, weil die Richtung meines Nervensystems für mich die gleiche ist...

** Ja, machen wir Schluss.

(Anschließend ließ Herr Papendieck noch einen Elektro-Kreisel laufen, der eifrig und kommentarreich bewundert wurde. Die Teilnehmer arbeiten alleine.)

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